Ein Video elektrisiert das Netz Die letzte Überlebende der Smartphone-Welt

Fast jeder kennt diese Situation: Wir sitzen beieinander und reden nicht miteinander, weil wir auf unser Smartphone starren. Verlieren wir den Kontakt zum Leben? Eine amerikanische Bloggerin hat ihr Unbehagen in einen Film gepackt. Innerhalb weniger Tage hat der Streifen das Netz erobert.

Video: Die Horrorvision der Smartphone-Welt
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Am Montagnachmittag verzeichnete das zweiminütige Video mit dem Titel "I forgot my phone" auf Youtube acht Millionen Abrufe. Einen halben Tag später sind es fast elf Millionen, fünf Tage nach seiner Veröffentlichung. Der Streifen trifft offensichtlich einen Nerv. Vermutlich, weil jeder sein Leben darin wiedererkennt.

Die zwei Minuten schildern in wenigen Szenen Situationen aus der Smartphone-Gesellschaft. Im Zentrum steht Charlene deGuzman, die Schauspielerin und Bloggerin, die sich das alles ausgedacht hat. Sie ist die Frau, die ihr Smartphone vergessen hat - und dadurch einsam wird.

Eine Horrorvision auf realer Grundlage

Zum Beispiel in der Gegenwart ihres Freundes. Sie liegen nebeneinander auf dem Bett, er befasst sich mit dem Geschehen auf dem Display. Sie steht mitten im Sonnenaufgang auf einem Abhang — er telefoniert.

Mit jeder Szene wird es drastischer. Ein Gespräch mit Freunden in einem Café verebbt, als das Smartphone Neuigkeiten vermeldet. Ihre Freude nach einem gelungenen Wurf beim Bowling verhallt unbemerkt. Eine Horrorvision, überspitzt inszeniert, aber mit hohem Wahrheitsgehalt.

Es geht um den Kontakt zum Leben

DeGuzmans Befund erinnert an die Internet-Kritik der vergangenen Jahre, wie sie etwa Frank Schirrmacher, Andrew Keen oder Hirnforscher Manfred Spitzer formuliert haben: Das digitale Dauerfeuer entfremdet uns, indem es uns den Kontakt zur Wirklichkeit nimmt.

Ganz ähnlich klingen auch die Erläuterungen DeGuzmans in ihrem Blog. Die Idee zu dem Film sei ihr bei einem Konzertbesuch gekommen, erzählt sie darin. Vor ihr hätten die Leute alle ihr Smartphone in die Höhe gehalten — und zwar die ganze Zeit. Alles nur, um für Twitter, Instagram und Facebook zu filmen und Fotos zu machen. Sie habe das Konzert über nur die Bildschirme ihrer Vorderleute vor Augen gehabt.

DeGuzman hat daraus ihre eigenen Schlüsse gezogen. Sie will für sich das Leben zurückerobern. "Ich habe habe die Freude des Augenblicks entdeckt", schreibt sie. "Menschen zuzuhören, Gesichter und ihren Ausdruck zu beobachten, Farben anzuschauen, Gerüche und Geschmäcker wahrzunehmen.

DeGuzmans Wandlung bleibt freilich nicht ohne Kehrseite. Die 29-Jährige ist im Internet unter dem Namen charstarlene keine Unbekannte und bei Twitter und TumblR aktiv.

(pst)
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