Projekt der Verbraucherzentrale NRW So soll die neue „Flugärger-App“ enttäuschten Kunden helfen

Düsseldorf · Die NRW-Verbraucherschützer haben eine App entwickelt, damit Fluggäste eine Entschädigung bei Verspätungen leichter durchsetzen können. Die Verbraucherministerin begrüßt das Projekt, viele zehntausend Kunden könnten profitieren.

 Das Symbol der neuen App auf einem Smartphone.

Das Symbol der neuen App auf einem Smartphone.

Foto: dpa/Martin Gerten

Verspätungen können sehr stören. Sie können sich aber auch lohnen. Diese Erfahrung macht aktuell Wolfgang Schuldzinski, Leiter der NRW-Verbraucherzentrale. Mit seiner Ehefrau flog er im Sommer von Düsseldorf über München nach Danzig (Gdańsk). Doch weil der Flug nach München deutliche Verspätung hatte, verpasste er die Mittagsverbindung an die Ostsee. Erst am Abend kam das Paar dann in der polnischen Hafenstadt an. „Die Verspätung lag deutlich über dem Wert von drei Stunden“, sagt Schuldzinski. Er forderte von Eurowings und Lufthansa die von der EU vorgeschriebene Entschädigung von 250 Euro pro Kopf.  Doch weil das nicht klappte, schaltete der Jurist die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) ein –  und nutzte dafür die für ihn zum Testen bereits eingerichtete „Flugärger-App“ der NRW-Verbraucherzentrale. Schuldzinski: „Wenn wir die 250 Euro pro Kopf erhalten, ist das mehr als wir für die Tickets zahlten.“

So wie die Schuldzinskis können künftig hunderttausende von Bürgern Ansprüche bei Flugverspätungen oder Ausfällen leichter als bisher erkennen und durchsetzen. Seit Montag  haben die NRW-Verbraucherschützer die App für jedermann freigeschaltet. Das Land hatte nach einem Beschluss des Landtages 250.000 Euro für die Entwicklung spendiert. NRW-Verbraucherschutzministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) ist zufrieden: „Ich bin davon überzeugt, dass die App für Flugreisende zum unentbehrlichen Begleiter wird. Sie erleichtert es Passagieren, zu ihrem Recht zu kommen.“

Konkret müssen Reisende in der Oberfläche zuerst Flugnummer und Abflugdatum eingeben. Dann müssen sie eintragen, ob ein Direktflug verspätet war, ob sie einen Anschlussflug wegen einer Flugverspätung verpassten oder ob eine Strecke gestrichen wurde. Dann sucht das System bei zehntausenden Flügen seit Mai 2019 heraus, was wirklich geschah. Die Geschädigten können Auslagen für Essen oder Hotel auch noch geltend machen.

Als zweiten Clou hat die App dann die Mail-Adressen und Post-Adressen fast aller Airlines gespeichert, damit die Kunden Musterbriefe an sie schicken können. Und nach vier Wochen schlägt die App vor, sich mit einem weiteren Musterbrief an die Schlichtungsstelle (SÖP)  zu wenden, falls die Airline sich einer Zahlung verweigert hat. „Wir wollen, dass die Kunden ihre Ansprüche so einfach wie möglich stellen können“, sagt Schuldzinski, „wir hoffen auf einige zehntausend Downloads in überschaubarer Zeit.“

Tatsächlich könnte die Zahl der Nutzer deutlich höher liegen. Laut einer Studie für die „Wirtschaftswoche“ hatten in den ersten drei Monaten des Jahres 722.000 Kunden in Deutschland eine Flugverspätung von mindestens drei Stunden. In Europa gab es in den ersten drei Monaten 2018 fast fünf Millionen Betroffene. „Da waren pünktliche Verbindungen eher die Regel als die Ausnahme“, sagt Heinen-Esser.

Die neue App hat den Vorteil, dass sie den Verbrauchern Informationen gibt, die bisher Klagefirmen wie EU-Claim für sich alleine ausgenutzt hatten. Sie hatten Beschwerden vieler hunderttausend Reisender gesammelt und konnten mit einem Blick in ihre Datenbank erkennen, welche Verfahren eine Chance haben. Und als Gegenleistung dafür, dass sie aktiv werden, verlangen sie rund ein Drittel der Entschädigung für sich.

Allerdings ist auch durch die neue App nicht sicher, dass das Geld schnell fließt. Die Airlines versuchen „in der Regel“ (so Schuldzinski) Ansprüche abzuwehren, indem sie behaupten, eine Verspätung sei nicht von ihnen verschuldet sondern durch das Wetter, Streiks oder andere widrige Umstände. 11.800 solcher Fälle landeten zwischen Januar und Juni 2019 bei der SÖP. Künftig dürften es noch mehr sein. Interessant: In 90 Prozent der Fälle akzeptierten Verbraucher und Fluggesellschaften die Schiedssprüche. Ganz so schwer scheint es nicht zu sein, Ansprüche von Kunden zu prüfen.

Schuldzinski rät betroffenen Bürgern, sich auch in einer der vielen Beratungsstellen der Verbraucherschützer beraten zu lassen.

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