Mit Apps das digitale Erbe steuern "Hi, mein Name ist Will — und ich bin tot"

Düsseldorf · Was passiert mit meinem Facebook-Account, wenn ich tot bin? Mit Apps wie Everest, Cake und SafeBeyond können Nutzer jetzt die Zeit nach ihrem Tod planen - bis ins letzte Detail. Das könnte Lösungen im ewigen Streit um das digitale Erbe bringen.

 Hier steht Will auf seiner eigenen Beerdigung und erklärt stolz, wie er sie selbst organisiert hat.

Hier steht Will auf seiner eigenen Beerdigung und erklärt stolz, wie er sie selbst organisiert hat.

Foto: Youtube/Screenshot Everest

Ein junger Mann grinst in die Kamera. "Hi, mein Name ist Will", sagt er - "und ich bin tot." Im Hintergrund sind seine trauernden Angehörigen zu sehen. "Meine Familie ist zwar ein bisschen traurig, aber nicht gestresst", sagt Will und wirkt dabei ein bisschen stolz.

Will ist kein Satiriker. Er ist eine Werbefigur der Firma Everest. Und die will Menschen auf lockere Art und Weise dazu bringen, sich mit dem Thema Tod auseinanderzusetzen — um dann im nächsten Schritt mit dem Tool des Unternehmens die eigene Beerdigung vorzubereiten.

Geschmacklos? Zu dieser Einschätzung kommen sicher nicht wenige. Aber Anwendungen wie Everest, Cake und SafeBeyond haben durchaus Vorteile — insbesondere für die Angehörigen. Die müssten sich dann nicht mehr mit lästigem Organisationskram beschäftigen, sondern könnten sich voll und ganz dem Trauerprozess widmen. Dem Toten sei Dank!

Damit könnte eines der zentralen Probleme des digitalen Zeitalters gelöst werden: das des digitalen Erbes. Bis jetzt führt es immer wieder zu hässlichen Streitigkeiten, wenn es um die Daten von Verstorbenen geht. Internetkonzerne machen es den Hinterbliebenen schwer, die Profile von Menschen ohne digitales Testament zu verwalten. Erst kürzlich entschied etwa das Landgericht Berlin im Fall eines toten Mädchens, dass der Account an die Eltern vererbt werden muss. Facebook legte Widerspruch ein und sieht die Rechte Dritter gefährdet.

Ein weiteres Problem: Facebook und Twitter werden zu riesigen Account-Friedhöfen. Besonders hart wird es immer dann, wenn Facebook die Freunde eines Verstorbenen daran erinnert, ihm auf dessen Pinnwand zum Geburtstag zu gratulieren. Solche Pietätlosigkeiten könnten in Zukunft vermieden werden.

Der Anspruch der "Tod-Apps" ist ehrgeizig: Sie gehen mit dem Versprechen an den Start, ihren Kunden dabei zu helfen, ihr Online-Leben nach dem Tod auf allen denkbaren Ebenen zu organisieren.

Wer sich zum Beispiel bei Everest anmeldet, bekommt ein "Rundum-Sorglos-Paket": Vom Beerdigungsplan über das Leben in den sozialen Netzwerken, Online-Banking und Zeitungsabos bis hin zu Multimedia-Denkmälern ist an alles gedacht. Wer möchte, kann alle seine Passwörter an eine andere Person vererben. Immerhin hat der durchschnittliche Internet-Nutzer 90 Online-Accounts.

Cake wiederum funktioniert nach einem Drei-Stufen-Prinzip: Registrierte Nutzer werden im ersten Schritt dazu eingeladen, einen Katalog von Fragen zu beantworten. "Ich möchte, dass meine Beerdigung eine einzigartige Feier meines Lebens wird", lautet eine dieser Vorgaben, auf die der Nutzer mit einem grünen Haken oder einem roten Kreuz reagieren kann. Die Anwendung erkennt die Präferenzen, die anschließend manuell geordnet und auf einem sicheren Server gespeichert werden können. Im letzten Schritt können diese sehr persönlichen Informationen dann mit den Angehörigen geteilt werden. Gegen Geld gibt es eine individuelle Beratung zu allen offenen Fragen.

Besonders emotional wird es mit SafeBeyond. Hier kann man Freunden und Familienmitgliedern digitale Nachrichten hinterlassen, die sie zu bestimmten Daten erreichen. Beispielsweise am Hochzeitstag oder dem 40. Geburtstag des eigenen Kindes. Außerdem ist es möglich, Nachrichten auch an bestimmten Orten zu hinterlassen.

Unumstritten ist das alles nicht. Im Gegenteil. Wir teilen unsere Alltagserlebnisse bei Facebook, veröffentlichen unsere Mahlzeiten auf Instagram und chatten multimedial mit unseren Freunden bei WhatsApp und Snapchat. Müssen wir ernsthaft auch noch die Zeit nach unserem Ableben digitalisieren?

Ob uns die Digitalisierung in den Tod treibt? Ja. Aber nur, wenn wir das auch wollen. Diese Entscheidung muss — wie so oft im Leben — am Ende jeder für sich treffen.

(gol)
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