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Hamburg Merkel will mehr Digitales wagen

Hamburg · Die Bundesregierung will "Big Data", also die Nutzung großer Datenmengen, ermöglichen und Start-ups den Zugang zu Kapital erleichtern. Die Wirtschaft müsste mehr Risiko eingehen, damit Deutschland seinen Rückstand aufholt.

Was alle 60 Sekunden im Internet passiert
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Foto: afp, JOHN MACDOUGALL

Der Spott in der Handelskammer Hamburg verbreitete sich rasch. Ausgerechnet beim IT-Gipfel der Bundesregierung standen den Teilnehmern nicht genügend Zugänge ins mobile Internet zur Verfügung. Bei Twitter kommentierten Nutzer das süffisant mit "Neuland" - wie Kanzlerin Angela Merkel einst den digitalen Wandel beschrieben hatte. Doch dies, so das Signal des Gipfels, soll vorbei sein. "Die Digitalisierung ist in der Bundesregierung angekommen", bemerkte Tobias Kollmann, Professor für Digitale Wirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. Neben Merkel reisten sechs Bundesminister an. Konstantin von Notz, Netzpolitiker der Grünen im Bundestag, twitterte amüsiert: "Die Frage ist, ob sechs anwesende Bundesminister die Bedeutung des Gipfels oder mangelnde Klärung von Zuständigkeit für Digitales beweisen." Erkenntnisse gab es dennoch:

"Industrie 4.0" Telekom-Chef Tim Höttges forderte verstärkte Anstrengungen, um die Industrie auf die Digitalisierung vorzubereiten. Das Fraunhofer-Institut rechnet dadurch in sechs wichtigen Branchen wie Automobilindustrie, Chemie und Maschinenbau bis 2025 mit Produktivitätszuwächsen von 78 Milliarden Euro. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte, sein Ministerium investiere dafür in dieser Legislaturperiode 500 Millionen Euro. Damit sollen auch fünf Kompetenzzentren für den Mittelstand finanziert werden, die Wissen über "Industrie 4.0" vermitteln sollen. "Wir müssen Innovationstreiber bleiben, aber das fällt nicht vom Himmel", sagte Gabriel.

"Big Data" Merkel sprach sich für die Nutzung von "Big Data" aus, also die Analyse und kommerzielle Nutzung großer Datenmengen und warnte vor zu starken Regulierungen von "Innovationen, die wir noch nicht kennen". Es müsse möglich sein, eine neue Wertschöpfung zuzulassen, aber gleichzeitig Datenschutz zu gewährleisten.

Sicherheit Der Datenschutz kam nur am Rande zur Sprache. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bekräftigte, es werde 2015 eine europäische Datenschutzverordnung geben. Der Minister irritierte allerdings mit der Bemerkung, Nacktbilder gehörten eben nicht in eine Cloud. Das mag richtig sein; aber wenn schon Nacktbilder in Datenwolken leichte Beute für Hacker sind, wie ist es dann erst mit sensiblen Unternehmensdaten, die dort lagern sollen?

De-Mail Der per Gesetz verordnete Standard für die sichere elektronische Nachricht an Behörden oder Unternehmen ist noch ein Randprodukt. De Maizière kündigte an, das System vorantreiben zu wollen: "Bis Ende 2015 werden weit über 200 Behörden und Einrichtungen des Bundes über De-Mail kommunizieren können." Nach Angaben der Anbieter Telekom, GMX, Web.de und Francotyp-Postalia haben sich mehrere Hunderttausend Privatkunden bisher registrieren lassen - also ein Bruchteil aller Nutzer. Laut Telekom hätten ein Drittel der Großunternehmen, Zehntausende Mittelständler und 2000 Kommunen bisher Verträge unterschrieben.

Netzneutralität Soll das Internet für alle Dienste die gleiche Geschwindigkeit bieten? Gabriel widersprach sich selbst: Zunächst erklärte der Minister, Netzanbieter dürften bestimmte Dienste vorrangig behandeln, wenn sie sie vorher melden. Am Mittag nahm er dies zurück und sprach von einer Regelung, bei der die Regierung beobachtet und im Nachhinein eingreift. Beides beunruhigt Internet-Anbieter, weil Unsicherheit bleibt. Gleichzeitig klingt es so, als würde Gabriel die Netzneutralität aufgeben.

Geld für Gründer Merkel kündigte an, die Förderbedingungen für Start-ups verbessern zu wollen. Gleichzeitig forderte sie von jungen Gründern aber auch mehr Mut, Wagnisse einzugehen: "Auch im Silicon Valley geht es nicht ohne Risiko." Die gesamte Wirtschaft müsse zu mehr Risikobereitschaft bei der Digitalisierung bereit sein und auch Misserfolge hinnehmen. Gabriel will Start-ups den Zugang zu Wagniskapital mit einem neuen Börsensegment, also einer Plattform "Börse 2.0" als Neuauflage des Neuen Marktes, erleichtern. Die Regierung sei bereits in Gesprächen mit der Deutschen Börse. Außerdem sollen Kapitalgeber Verluste einfacher vortragen können. Damit will Gabriel Konzernen mehr Geld für Gründer entlocken, aber nicht eine neue Möglichkeit zur Steueroptimierung etablierter Unternehmen schaffen.

(RP)
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