Analyse Zugriff im Netz – wie der Staat gegen Darknet-Kriminalität vorgeht

Düsseldorf · Viele Straftäter im Internet sind dreist und intelligent. Nordrhein-Westfalens Justiz hat jetzt geholfen, drei Fällen von Online-Drogenhandel auf die Spur zu kommen. Aber das Land fühlt sich vom Bund im Stich gelassen.

 Die Inhalte des Darknets sind nicht über normale Suchmaschinen zu finden.

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Foto: dpa/Oliver Berg

Ist der Staat gegen den illegalen Handel mit Drogen oder anderen Produkten über heimliche, digitale Kanäle hilflos? Mit drei Fahndungsmeldungen bewies NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) am Dienstag das Gegenteil. Gleichzeitig zeigen die Vorgänge, dass digitale Kanäle genauer beobachtet werden müssen, um eine Reihe an Delikten zu bekämpfen. „Früher geschahen Verbrechen praktisch nur im realen Leben, jetzt werden sie immer öfter über digitale Kanäle organisiert“, sagt Biesenbach, „darauf müssen wir reagieren.“

Mehr als 600.000 Euro hatte „der schöne Holländer“ mit dem Verkauf von Drogen aller Art über das Darknet eingenommen, also über den verborgenen Teil des Internets. Den Spitznamen hatte der Mann unter Fahndern bekommen, weil Postbeamte oft von einem gut aussehendem Niederländer erzählt hatten, wenn Polizisten fragten, wer verdächtige Briefsendungen an immer wieder anderen Poststationen abgegeben hatte. Das Versteckspiel nützte dem mutmaßlichen Täter nichts: Die Anklage am Landgericht Kleve ist eingereicht, es geht um 126 Fälle von Drogenhandel, also drohen mehrere Jahre Haft.

Bei acht mutmaßlichen Drogenhändlern aus Bonn und Siegburg gelang ebenfalls der Zugriff. 40 Kilogramm Marihuana waren beschlagnahmt worden, ein Gewinn von 650.000 Euro soll eingetrieben werden, die Anklage beim Landgericht Bonn ist eingereicht.

Der größte Coup gelang der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime NRW (ZAC NRW) aber mit Kollegen aus den Niederlanden sowie der Zollfandung in Bayern. Nachdem 2017 drei mit synthetischen Drogen gefüllte Briefe mangels Zustellbarkeit bei der Post aufgefallen waren, wurden über längere Zeit mögliche Handelswege erkundet. Der Zugriff erfolgte am Mittwoch vergangener Woche: Zwölf Wohn- und Geschäftsräume in den Niederlanden wurden durchsucht, außerdem ein Objekt in Nettetal im Kreis Viersen. 2,7 Millionen Euro sollen eingetrieben werden, mindestens 15.000 Mal wurden Drogen verkauft. Gegen elf Personen wird ermittelt, vier kamen in Haft, interessanterweise waren zwei gerade in Kroatien. Bei ihnen wird für denkbar gehalten, dass sie sich eine Yacht von dem illegalen Geld kaufen wollten.

Der illegale Online-Shop der Bande war für jedermann erreichbar, sofern man nur die digitale Adresse einer bestimmten Szene kannte. „Die fühlten sich in den Niederlanden wohl relativ sicher“, sagt Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, Leiter der ZAC NRW, „aber da haben sie sich verrechnet.“ Er ergänzt: „Das ist einer unserer größten Schläge gegen Drogenhandel im Netz.“

Dabei bestätigen die drei Fälle, wie dreist Straftäter das Internet für ihre Straftaten nutzen – und wie intelligent sie vorgehen. So versandte die holländische Gruppe an ihre Kunden oft zuerst einen Schokoriegel als scheinbare Gegenleistung für eine Zahlung. Erst mit einem beigelegten Bestellcode konnten die Käufer dann die Lieferung der illegalen Ware veranlassen, also nachdem sich die Postadresse als richtig erwiesen hatte.

Die Substanzen wurden dann aus Postfilialen im deutsch-niederländischen Postgebiet losgeschickt – weil synthetische Drogen schwer auffindbar sind, war auch dies möglich. Hunderte noch nicht versandte Briefe zeigte die Staatsanwaltschaft Köln am Dienstag, Adressen aus ganz Deutschland waren dabei. „Das waren gefährliche Drogen“, sagt Hartmann, „da waren Menschen gefährdet.“

Für NRW-Justizminister Biesenbach ist der dreifache Durchbruch Anlass, erneut auf Bundesebene härtere Regeln gegen Cyberverbrechen zu fordern. Er dringt darauf, dass nicht nur Menschen vor Gericht gestellt werden können, die mit Drogen Kinderpornos oder Waffen handeln, sondern viel leichter auch die Betreiber heimlicher Plattformen im Darknet.

Drei Jahre Haft sollen die Betreiber riskieren, wenn sie Straftätern die technische Infrastruktur wie etwa Server für ihre Aktivitäten zur Verfügung stellen, ohne dass eine konkrete vorsätzliche Beihilfe nachgewiesen werden muss. Der Bundesrat hat den Vorschlag bereits im Herbst unterstützt, nun dringt Biesenbach auf die Unterstützung des Justizministers: „Wir warten nun viele Monate auf ein Votum. Der Kampf gegen die Cyberkriminalität ist zu wichtig, um weiter durch die Handlungsunfähigkeit des Bundesjustizministeriums behindert zu werden.“

Dabei räumt Experte Hartmann mit dem Vorurteil auf, illegale Plattformen würden fast nur aus Ländern betrieben, auf die die deutsche Justiz keinen Zugriff hat. „Aus technischen Gründen schrecken die Betreiber solcher Plattformen oft davor zurück, die Rechner in völlig abgelegenen Ländern aufzustellen.“ Und weil die Server also oft in Industriestaaten stehen, könne die Justiz zuschlagen, so Hartmann: „Innerhalb der EU arbeiten die Behörden traditionell eng zusammen. Aber auch mit vielen anderen Ländern kooperieren wir immer besser.“ Das bestätigen weitere Erfolge bundesweit.

Vier Betreiber der Kinderpornografie-Plattform „Elysium“ sind im März vom Landgericht Limburg zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Die Männer hatten Bilder und Videos verbreitet.

Im Mai hoben das Bundeskriminalamt und das amerikanische FBI die Plattform „Wallstreet Market“ aus, drei deutsche Männer kamen in Haft als Betreiber des weltweit zweitgrößten Forums für illegale Geschäfte, einer davon kommt aus Kleve. Das Trio soll mehr als eine Million Euro Gewinn gemacht haben, indem es vorrangig Drogenkäufe vermittelte. Die Vermittlung von Waffen oder Kinderpornos lehnten die Betreiber von „Wallstreet Market“ dagegen anscheinend ab – da sind besonders harte Strafen möglich.

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