Eine Liebe im Fadenkreuz von Terroristen und MilitärsJohn Malkovichs Regiedebüt: "Der Obrist und die Tänzerin"
Frankfurt/Main (rpo). Regelmäßige Bombenattentate sind nichts Neues für die Bewohner eines korrupten Staates in den Anden. Hier spielt der Politthriller "Der Obrist und die Tänzerin", ein gelungenes Regiedebüt von Schauspieler John Malkovich. Eine mysteriöse Guerilla-Organisation verursacht regelmäßig Stromausfall in der Hauptstadt und lässt verheerende Bombenattentate ausführen, die von den Militärs mit immer brutalerer Gewalt gegen Zivilisten beantwortet werden. Der integre Ermittler Agustin Rejas, ein ehemaliger Rechtsanwalt, sammelt eine Crew von Unbestechlichen um sich, deren Arbeit jedoch von der putschsüchtigen Geheimpolizei unterminiert wird. Obwohl nie geographische Namen fallen, ist unschwer die Anspielung auf die peruanische Hauptstadt Lima und die Guerilla-Organisation "Leuchtender Pfad" zu erkennen, die, geführt vom charismatischen Ex-Philosophieprofessor Abimael Guzman, den Andenstaat zu Beginn der 90er Jahre unregierbar machte. Nicholas Shakespeare, Drehbuchautor und Verfasser der Romanvorlage "The Dancer Upstairs", hat Fiktion und Fakten geschickt gemischt, - und der Schauspieler John Malkovich hat mit seiner intelligenten und subtilen Umsetzung des Stoffes ein glanzvolles Regiedebüt vollbracht. Malkovich, als Schauspieler auf schillernde, unterschwellig bedrohliche Rollen abonniert (zum Beispiel im Thriller "In the Line", als "Der Unhold" und mit seiner letzten größeren Rolle in "Shadow of the Vampire"), porträtiert auch seinen Filmhelden als gebrochene Figur. Guruhafter TerrorchefRejas (Javier Bardem, zuletzt in Almodóvars "Live Flesh" zu sehen) ist im korrupten Staatsapparat nicht nur durch seinen Gerechtigkeitssinn ein Außenseiter, sondern auch durch seine bäuerlich-indianische Herkunft. Und dieser breitschultrige, ruhige Mann, hinter dessen schweren Augenlidern nur manchmal Wut aufflackert, verliebt sich in die Ballettlehrerin seiner kleinen Tochter, Yolanda (gespielt von der anbetungswürdigen Laura Morante, zuletzt in "Das Zimmer meines Sohnes" zu sehen): eine ebenso mysteriöse Persönlichkeit, die auf seine schüchternen Annäherungsversuche seltsam entrückt reagiert, die zugleich Rejas Beschützerinstinkte wie seinen professionellen Spürsinn weckt. Der dritte Hauptdarsteller tritt nur am Anfang und am Ende auf: jener guruhafte Terroristenchef Ezequiel, der nach Belieben über eine Armee von Bombenlegern verfügt und seine schockierenden Attentate mit kantianischen und nihilistischen Zitaten versieht: "Wenn ich das Wort Kultur höre, greife ich zur Pistole." Verfremdungseffekt durch die SpracheObwohl die Handlungsdetails eng an die von Nicholas Shakespeare recherchierten authentischen Ereignisse angelehnt sind, lässt Malkovich Ortsangaben weg und bestand darauf, dass die Darsteller englisch mit ihren jeweiligen Akzenten sprechen: ein Verfremdungseffekt, der die Aufmerksamkeit auf die moralischen Zweifel der Protagonisten lenkt und der Geschichte etwas Parabelhaft-Allgemeingültiges verleiht. Besonders aber die Woodoo-Attentate mit Hunden, die Dynamit um den Bauch gebunden bekommen, und die abergläubischen Indios, die Ezequiel verehren als "die Sonne, die nicht untergehen will", schaffen jene beunruhigend irreale Atmosphäre, deren Faszination man sich kaum entziehen kann, - obwohl alles Reißerische vermieden wird. "Wir sind schon tot", sagen die kindlichen Killer bei ihrer Ergreifung; und wenn eine Tanztheatergruppe ein Massaker an den Zuschauern begeht oder Schulmädchen mit kurzen Röcken einen General abknallen, verwischt sich die Grenze zwischen Fiktion und der Realität, wie wir sie tagtäglich in den Nachrichten erleben, auf verstörende Weise. Manchmal widmet der Thriller der melancholischen Selbstfindung Rejas - privat auch gebeutelt von seiner hohl plappernden Ehefrau wie von den ungelösten Problemen seiner Indio-Herkunft - etwas zu viel Raum. Manchmal glaubt man, hinter den Bösewichtern Malkovichs sardonische Miene aufblitzen zu sehen, so sehr ähneln sie seinen Rollen. Dennoch bleibt dieses Regiedebüt ein großer Wurf, und man ist gespannt auf weitere Ausflüge Malkovichs hinter die Kamera.