Luxussuite in Rom Das geheime Papstgemach

Rom · Papst Innozenz X. zog es im 17. Jahrhundert vor, in einer Wohnung außerhalb des Vatikans zu leben. Wohl auch, um seiner Schwägerin näher zu sein, mit der ihm eine Liaison nachgesagt wurde. Seit Kurzem ist das Appartement in Rom eine Luxussuite.

 Das Schlafzimmer mit Blick auf die Piazza Navona.

Das Schlafzimmer mit Blick auf die Piazza Navona.

Foto: HOLY DEER/Giovanni De Sandre

Treppensteigen? Das wollte man Innozenz X. nicht zumuten. „Anders als wir heute, musste der Papst früher nicht zu Fuß in seine Wohnung laufen“, erklärt Stefano Barbini, als er seine Gäste über die gedrehte Rampe aus roten Ziegelsteinen in den ersten Stock führt. „Er ließ sich von einem schneeweißen Esel bis direkt in seine Gemächer bringen.“ Niemand sonst in Rom durfte auf den seltenen Albino-Tieren reiten, diese besondere Farbe war dem Papst vorbehalten.

Bevor er den Schlüssel im Schloss umdreht, hält Stefano, ein grauhaariger Mann im dunkelblauen Kaschmirpullover, inne. Dann öffnet er mit einer ausladenden Bewegung die schwarz lackierte Eingangstür und gibt den Weg frei in einen langen, breiten Flur. Ein opulentes Deckenfresko zieht die Blicke nach oben zu vier pummeligen Engeln, die in einem hellblauen Himmel zwischen Federwölkchen schweben. Die Wand ist mit rotem Samt bezogen, darauf hängt ein großer verwitterter Spiegel im goldenen Rahmen. „Willkommen im geheimen Liebesnest von Papst Innozenz X“, ruft der Hausherr und lächelt wissend.

Bis zu seinem Tod im Jahre 1655 hat das Kirchenoberhaupt in dieser prunkvollen 350 Quadratmeter großen Wohnung direkt an der Piazza Navona residiert. Häufig soll ihn hier seine Schwägerin Olimpia Maidalchini besucht haben – eine Beziehung über die damals nicht nur die ganze Stadt, sondern ganz Europa tuschelte.

Seit einigen Monaten wird dieses besondere Appartement im Herzen Roms nun als Suite an betuchte Touristen vermietet. Eine Nacht im „Holy Deer – San Lorenzo City Lodge“ kostet für zwei Personen 7.500 Euro – inklusive privatem Butler. Der Preis klingt abenteuerlich, wird aber von vielen Luxushotels in Rom locker getoppt. Die Standardrate für die größte Suite im Rocco Forte Hotel de Russie an der Piazza del Pololo beträgt schlappe 16.000 Euro.

Rom! - Magische Orte
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Teuer oder nicht – fest steht, das „Holy Deer“ ist ein Erlebnis. Nicht nur wegen seiner Geschichte, sondern auch dank des Engagements der neuen Eigentümer Stefano und Giorgia Barbini. Ursprünglich kommen die beiden aus dem Modebusiness. Sie ist die Enkelin von Gaetano Savini, einem der beiden Gründer des Luxusschneiders Brioni. Zusammen mit ihrem Mann hat sie viele Jahre für das Modelabel Escada gearbeitet. Erst vor neun Jahren hat das Paar die Branche verlassen und ist in den Tourismus gewechselt. Neben einem Chalet in den Dolomiten und einem edlen Katamaran, der auf dem Mittelmeer unterwegs ist, ist das „Holy Deer“ jetzt die dritte Dependance der beiden Italiener.

„Die Wohnung ist unsere neue Leidenschaft“, sagt Stefano, während er sichtlich stolz durch die frisch restaurierten Räume führt. „Je mehr wir zu seiner Geschichte lesen und in alten Archiven stöbern, desto mehr verlieben wir uns in diesen Ort. Das muss man sich vorstellen – noch nie zuvor hatte der Pontifex außerhalb des Vatikans gelebt.“

Die treibende Kraft hinter dieser historischen Ungeheuerlichkeit war eine Frau: „Olimpia Maidalchini hat nach dem Tod ihres Mannes alles darangesetzt, ihren Schwager zum Papst zu machen“, berichtet Stefano. „Sie war reich, klug und bestens vernetzt, so dass Giovanni Battista Pamphilj tatsächlich 1644 zum neuen starken Mann in Rom gewählt wurde.“

Ein Etappensieg für die machtbewusste Olimpia, die der Volksmund deswegen bald „La Papessa“, die Päpstin, nannte. Denn das war der Adeligen noch nicht genug. Was nützte ihr ein Papst hinter den hohen Mauern des Vatikans? Sie wollte den direkten Zutritt. Jederzeit. Also ging das Strippenziehen weiter. Um der Familie ein Denkmal zu setzen, wurden die besten Architekten ihrer Zeit engagiert. Francesco Borromini und Girolamo Rainaldi bekamen den Auftrag, die Piazza Navona nach der neusten Mode umzugestalten. Dazu gehörte auch der Unterschlupf für Innozenz X. Seine Eminenz war als nicht gerade bescheiden bekannt und ernannte die angrenzende Kirche Sant‘ Agnese in Agone kurzerhand zu seiner Hauskapelle.

Stefano Barbini zeigt auf einen eher unscheinbaren Vorsprung im Bad, direkt neben dem mit goldenen Mosaik verzierten Whirlpool. Während der Renovierungsarbeiten hätten ihn die Handwerker angerufen und aufgeregt von einem Hohlraum erzählt, auf den sie gestoßen seien. „Ich bin sofort hingefahren und wir haben gemeinsam ein paar weitere Steine weggeklopft. Plötzlich standen wir auf der Empore im Kirchenschiff und ein völlig verblüffter Diakon schaute zu uns herauf.“

Der ehemalige Durchbruch in die prunkvolle Barockkirche ist nicht das einzige Geheimnis der Papstunterkunft. Im Keller des Hauses, unweit vom jenem Stall, in dem einst die weißen Esel untergebracht waren, endet ein Tunnel. Der unterirdische Gang führt bis in den Vatikan und musste aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Wer hier wohl einst im Schein von flackernden Fackeln unterwegs war? Unweigerlich begibt man sich in dieser Wohnung auf Zeitreise.

Beinahe magisch wird es nachts, wenn die Flügeltüren des Schlafzimmers geschlossen sind. Man liegt in dem ausladenden Bett auf einem hohen Sockel und schaut an die schwach beleuchtete acht Meter hohe Decke. Es ist so, als ob die Wände sprechen könnten. Der Maler Francesco Allegrini hat hier die Legende von Dido und Aeneas erzählt. Im 17. Jahrhundert kannte das antike Liebesdrama jedes Kind. Kurz gefasst geht es um zwei starke Persönlichkeiten, die füreinander bestimmt sind und doch nicht zusammen kommen können. Er muss sie verlassen, um Rom zu gründen. Sie, die Gründerin von Karthago, bleibt unglücklich zurück und ersticht sich aus Kummer mit seinem Schwert.

Dass dieses Motiv zufällig ausgewählt wurde, kann man sich kaum vorstellen. Gewiss ist aber auch, dass es Olimpia wohl nicht im Traum eingefallen wäre, sich aus Kummer um Innozenz X. das Leben zu nehmen. Im Gegenteil. Die Historiker berichten, dass sie ihren Schwager, als der auf dem Sterbebett lag, regelrecht ausplünderte. Bei jedem Besuch wurde sie dabei beobachtet, wie sie schamlos sämtliche wertvollen Gegenstände in ihre eigenen vier Wände schaffte.

Als die Barbinis den Palazzo 2017 kauften, waren die Räume ziemlich heruntergewirtschaftet. Die vorherigen Mieter hatten gleißend helle Röhrenlampen an den Wänden angebracht, im Bad ockerfarbene Hochglanz-Fliesen, die Tapeten waren vergilbt und an vielen Stellen abgerissen. Eine Herausforderung für Giorgia und Stefano. „Wir wollten keinen Shabby Chic oder einen Clash aus Modernem und Altem, sondern ein behutsames, stilvolles Update.“ Und das Ganze möglichst „Handmade in Italy“. Die grauen Terrakottaböden wurden zum Beispiel nach einem etruskischen Rezept angefertigt, der Kleiderschrank ist mit altem Brioni-Anzugstoff ausgelegt, den Giogria auf dem Dachboden eines pensionierten römischen Stoffhändlers aufstöberte. Eine Hommage an ihren berühmten Großvater.

Selbstverständlich sind auch die Matratzen von Hand gefertigt, die Bettwäsche ist aus feinster Wolle. Doch auch wenn es sich im Papstzimmer noch so gemütlich schläft, sollte man früh aufstehen, um den ersten Kaffee des Tages auf dem Balkon zu trinken. Um sieben Uhr, bevor Touristen kommen. Denn dann hat man den schönsten Platz Roms mit dem berühmten Vierströmebrunnen ganz für sich allein und das Kopfkino kann weiter gehen. In der Antike war das Oval ein Stadion, in dem über 30.000 Zuschauer Platz hatten. Später wurden dort auch Gladiatorenkämpfe ausgerichtet. Was für ein Lärm damals geherrscht haben muss! Und wie vergnüglich es wohl im Sommer war, als man die Brunnen überlaufen ließ, so dass der Platz zu einem riesigen Planschbecken wurde!

Heute Morgen ist es eher ruhig und beschaulich. Ein Jogger macht im Schatten des Obelisken Kniebeugen, eine ältere Dame führt ihren Hund aus. Es ist ein schneeweißer Terrier.

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