Gastbeitrag von Jens Teutrine (Junge Liberale) Wählen mit 16 stärkt die Demokratie

Düsseldorf · Die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre würde die stärkere Teilhabe junger Menschen bedeuten. Die sind laut Studien politisch sehr interessiert, und bringen wertvolle Skepsis mit.

 Schüler bei einer „Fridays for Future“-Demonstration in Bonn.

Schüler bei einer „Fridays for Future“-Demonstration in Bonn.

Foto: dpa/Roberto Pfeil

Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“ – mit diesem Schlachtruf macht die „Fridays for Future“-Bewegung bei ihren Klimaprotesten in lauten Sprechchören auf sich aufmerksam. Die Botschaft ist deutlich: Ignoriert uns nicht weiter, denn es geht in der Klimapolitik insbesondere um unsere Zukunft. Überwiegend nehmen Schülerinnen und Schüler unter 18 Jahren an den Klimaprotesten teil. Sie sind aktuell nicht berechtigt, mitzubestimmen, wer in den Parlamenten ihre Zukunft gestaltet.

Als ich kurz nach der Bundestagswahl 2009 bei den Jungen Liberalen eintrat, um mich politisch zu engagieren, war ich gerade 16 Jahre alt. Zwar beschäftigten wir uns in der Schule mit der Bundestagswahl, und waren wahrscheinlich besser über die Programme der Parteien informiert, als viele wahlberechtigte Personen. Obwohl ich bereit war, mich auch in meiner Freizeit politisch zu engagieren und meine Generation von aktuellen Debatten wie der möglichen Abschaffung der Wehrpflicht besonders betroffen war, durfte ich nicht wählen. Der Eintritt in eine politische Jugendorganisation und Partei waren daher die einzige Möglichkeit für mich, nicht nur im Nachgang einer Wahl zu meckern, sondern auch selbst etwas zu verändern.

Eines ist klar: Weder „Fridays for Future“ noch mein parteipolitisches Engagement sind repräsentativ. Viele junge Menschen können sich mit „Fridays for Future“ nicht identifizieren und stimmen ihren politischen Forderungen auch nicht zu. Nur wenige von ihnen treten in eine Partei ein. Doch in Zeiten, in denen populistische Kräfte offen unsere Demokratie angreifen, ist eine stärkere Teilhabe junger Menschen durch die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre das beste Mittel zur Stärkung unseres demokratischen Systems.

Immer wieder wird behauptet, die Jugend interessiere sich nicht für Politik. Die Wahrheit sieht anders aus: Die junge Generation ist so interessiert an Politik wie keine vor ihr. Das haben die Shell-Jugendstudien der vergangenen Jahre schon lange vor den „Fridays for Future“-Demonstrationen eindrucksvoll verdeutlicht. Was fälschlicherweise häufig als Politikverdrossenheit missverstanden wird, ist in Wirklichkeit eine Verdrossenheit gegenüber Parteien und Politikern. Grundsätzlich halte ich eine gewisse Skepsis gegenüber den handelnden Akteuren und Parteien nicht per se für verkehrt. Es ist kein Wert an sich, Vertrauen in die Politik zu haben. Es ist viel wertvoller, skeptisch gegenüber denjenigen zu sein, die regieren wollen. Dass gerade junge Menschen genau beobachten, welche Vorschläge gemacht werden und diese auch kritisch hinterfragen, ist ein gutes Zeichen. Eine Verdrossenheit, die allerdings politische Institutionen, Parteien und Politiker grundsätzlich infrage stellt, ist gefährlich, da sie sich schnell zu Demokratieverdrossenheit entwickeln kann. Daher ist es wichtig, dass große politische Interesse junger Menschen zu nutzen, und sie möglichst früh in demokratische Prozesse einzubinden. Studien zeigen: Je häufiger man hintereinander wählen geht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dies auch weiter zu tun – Wählen verstetigt sich. Doch das gilt auch umgekehrt: Gewohnheitsmäßige Nichtwähler sind schwieriger vom Gebrauch des Wahlrechts zu überzeugen. Nutzen wir also das große politische Interesse junger Menschen und machen sie zu demokratischen Wiederholungstätern. Das Wahlrecht ab 16 kann so zu einer Art Dauerkarte der Demokratie werden.

 Jens Teutrine (25) ist Landesvorsitzender der Jungen Liberalen (JuLis) NRW.

Jens Teutrine (25) ist Landesvorsitzender der Jungen Liberalen (JuLis) NRW.

Foto: JuLis

Die aktuellen Regelungen zum Wahlrecht wirken willkürlich und durcheinander: Warum darf man in München sein Kreuz bei der Europawahl erst mit 18 setzen, in Salzburg aber schon mit 16? In Brandenburg dürfen junge Menschen nächstes Wochenende den Landtag ab 16 mitgestalten, in Sachsen erst mit 18 Jahren. Mit 16 Jahren darf man in Nordrhein-Westfalen bei den Kommunalwahlen mitentscheiden, wer Bürgermeister seiner Kommune wird und im Stadtrat sitzt, aber nicht wer im Landtag für die Bildungspolitik verantwortlich ist. Auch wenn diese Unterschiede zwar gesetzlich möglich sind, machen sie in der Realität wenig Sinn.

Schnell wird argumentiert, man solle doch erst einmal Steuern zahlen, bevor man den Anspruch erhebt, seiner Stimme politisches Gewicht zu verleihen. Wollen wir aber wirklich darüber diskutieren, das Wahlrecht daran zu knüpfen, wer wie viele Steuern bezahlt? Ich meine, diese Debatte sollte sich mit Abschaffung des preußischen Klassenwahlrechts erledigt haben. Als Gegenargument wird dann häufig schwadroniert, „mit gleichen Rechten müssten gleiche Pflichten einher gehen.“ Die Festsetzung des Wahlalters orientiert sich aber schon lange nicht mehr an der gesetzlichen Volljährigkeit. Das Grundgesetz unterscheidet hier sogar explizit. Wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt. Das Grundgesetz gibt damit ausdrücklich die Möglichkeit, Wahlrecht und Volljährigkeit zu entkoppeln. Am Ende des Tages ist jede Altersgrenze willkürlich, doch 16-Jährige haben bereits viele Rechte: Sie dürfen ihr Testament machen, können einer Organspende zustimmen und Führerscheine erwerben.

Politik ist immer eng mit der Frage nach Verantwortung verknüpft. Entscheidungen, die heute getroffen werden, betreffen junge Menschen in ihren Konsequenzen am längsten und am stärksten. Es ist ein Gebot der Fairness, sie vom Katzentisch der Freitagsdemos an den Esstisch der politischen Verantwortung zu holen. Geben wir der Zukunft eine Stimme und senken das Wahlrecht auf 16 Jahre.

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