Übergriffe in der Silvesternacht Polizisten widersprechen der offiziellen Darstellung

Köln/Berlin · Entgegen der bisherigen Darstellung soll es laut Medienberichten schon in der Silvesternacht Kontrollen und Festnahmen gegeben haben. Dabei sollen vor allem die Personalien von Syrern festgestellt worden sein. Dem Einsatzprotokoll (hier im Original als PDF) nach waren weniger Polizisten im Einsatz als angefordert.

Mehr als 120 Anzeigen sind bislang bei den Kölner Ermittlungsbehörden eingegangen. In den meisten Fällen geben die Opfer an, sexuell bedrängt und bestohlen worden zu sein. Bislang wurden zwei Vergewaltigungen angezeigt. Aus einem internen Einsatzbericht der Polizei, der unserer Redaktion vorliegt, geht hervor, dass es unter anderem dem entschlossenen Eingreifen einiger Passanten zu verdanken ist, dass nicht noch mehr Frauen vergewaltigt wurden. Wörtlich heißt es in dem Protokoll: "Aufgrund der ständigen Präsenz der Einsatzkräfte und aufmerksamer Passanten im Bahnhof konnten vollendete Vergewaltigungen verhindert werden."

In der Silvesternacht hatten sich am Kölner Hauptbahnhof aus einer Menge von rund 1000 Männern heraus kleinere Gruppen gelöst, die vor allem Frauen umzingelt, begrapscht und bestohlen hatten. "Dieses Phänomen beobachten wir schon seit Langem in fast allen NRW-Städten, neu ist nur die ungeheuerliche Masse, aus der heraus die Taten begangen wurden", sagte Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft.

Einem Bericht der "Welt am Sonntag" zufolge sind bereits in der Silvesternacht rund 100 Personen von Polizisten kontrolliert und nach ihren Personalien befragt worden. Der Bericht beruft sich auf die Aussagen von Kölner Polizisten, nennt aber keine Namen. Demnach sind die meisten der kontrollierten Personen Syrer gewesen und nur eine kleine Minderheit Nordafrikaner. Bei einem Großteil der Kontrollierten soll es sich zudem um "frisch eingereiste Asylbewerber" gehandelt haben.

Übergriffe in Köln: Was wir wissen – was wir nicht wissen
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Foto: dpa, obe kno

Auch Zeit Online zitiert am Freitag einen Polizisten. Nach seiner Aussage sind bei 70 Männern Personalien aufgenommen worden. Bei den meisten hätten sich nur mit einem Papier der Bundesanstalt für Migration ausweisen können. Darunter seien viele Nordafrikaner gewesen, aber auch Männer arabischen Ursprungs, auch Syrer.

Damit widersprechen die Polizisten der Darstellung des Kölner Polizeipräsidenten Wolfgang Albers, der gesagt hatte, man wisse nichts über die Herkunft der Täter. Nach Informationen unserer Redaktion soll die Staatsangehörigkeit aus politischen Gründen bewusst nicht genannt worden sein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte eine lückenlose Aufklärung. "Es ist wichtig, dass alles, was dort geschehen ist, auf den Tisch kommt", sagte Merkel. Die "widerwärtigen kriminellen Taten" seien völlig inakzeptabel. "Das Gefühl, sich völlig schutzlos ausgeliefert zu fühlen, ist auch für mich persönlich unerträglich", betonte die Kanzlerin. Merkel kündigte auch an zu prüfen, ob bei Ausweisungen bereits alles getan werde.

Dazu sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière unserer Redaktion: "Ob hier nach der von mir angestoßenen und zum 1. Januar diesen Jahres in Kraft getretenen Neuordnung des Ausweisungsrechts weiterer Gesetzgebungsbedarf besteht, schauen wir uns jetzt an. Sollte das so sein, werde ich entsprechende Vorschläge machen." Der Innenminister betonte: "Wir müssen alles dafür tun, dass sich solche Vorfälle nicht wiederholen." Dazu zählten vorbeugende Aufklärung, mehr Videoüberwachung auf Plätzen, wo sich viele Menschen versammeln, Präsenz auf der Straße und harte Strafen. Selbstverständlich gehöre dazu auch, dass ausländische Straftäter bei erheblichen Straftaten aus Deutschland ausgewiesen würden.

Die FDP-Landtagsfraktion fordert unterdessen den Aufbau einer "mobilen Eingreiftruppe", die im Ernstfall landesweit schnell zu den Brennpunkten verlegt werden kann. "Wir haben immer öfter in NRW unabsehbare Entwicklungen — deshalb müssen künftig auch abgestimmte Pläne für eine solche Truppe mittels Verlegungs- und Reservekräften von Bundes- und Landespolizei vorliegen", betonte der innenpolitische Sprecher der FDP, Marc Lürbke.

Aus dem unserer Redaktion vorliegenden Protokoll geht auch hervor, dass zu wenige Polizisten im Einsatz waren, um alle Straftaten aufzunehmen und den Opfern zu helfen. Aus Ermittlerkreisen war zu erfahren, dass die Kölner Polizei bei der Einsatzplanung für den Silvesterabend eine zusätzliche Hundertschaft der Bereitschaftspolizei beim Landesamt für zentrale polizeiliche Dienste (LZPD) in Duisburg angefordert hatte.

Eine Hundertschaft besteht aus drei Zügen, wobei jeder Zug 38 Beamte zählt. Die für die Zuteilung der Kräfte zuständige Behörde stellte dem Polizeipräsidium Köln allerdings nur zwei Züge, also insgesamt 76 Beamte, zur Verfügung. Ein Insider kritisierte: "Es darf nicht sein, dass ein Polizeiführer verzweifelt Kräfte anfordert, diese aber nicht erhält." Ein Sprecher der LZPD erklärte, "dass zum Zeitpunkt der Kräftezuteilung am 18. Dezember 2015 keinerlei Erkenntnisse vorgelegen haben, dass es in Köln zu einem solch schockierenden Szenario kommen könnte".

Der hier zitierte Einsatzbericht der Polizei bewertete die Ereignisse als beschämend. Auffällig gewesen sei die hohe Zahl der Migranten, Einsatzkräfte seien verhöhnt und bespuckt worde. Hier der Bericht im Original als PDF.

(qua)
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