Zugkollision in Sachsen-Anhalt Zehn Tote - Schwerverletzte in Lebensgefahr

Oschersleben (RPO). Nach einem der schwersten Zugunglücke der vergangenen Jahre in Deutschland mit mindestens zehn Toten suchen die Experten die Ursache für den tragischen Zusammenstoß. 22 weitere Personen sind verletzt, 17 darunter schwer. Ein Personenzug war mit einem Güterzug frontal zusammengestoßen.

Januar 2011: Viele Tote bei schwerem Zugunglück
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Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) warnte am Sonntagvormittag vor voreiligen Erklärungen. Die Gründe für das Unglück müssten von den zuständigen Behörden gründlich ermittelt werden, sagte er bei einer Pressekonferenz vor Journalisten. Bei dem tragischen Unfall am späten Samstagabend war auf der eileisigen Strecke ein Personenzug frontal mit einem entgegenkommenden Güterzug zusammengeprallt.

Ein überfahrenes Haltesignal könnte nach Angaben von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) die Ursache für das schwere Zugunglück mit mindestens zehn Toten nahe Magdeburg sein. "Es muss wahrscheinlich ein Haltesignal überfahren worden sein", sagte Böhmer am Sonntagmorgen am Unglücksort, wo er sich ein Bild von der Lage machte.

Bundesverkehrsminister Peter Raumsauer hat vor zu voreiligen Schlüssen bei der Suche nach der Ursache des schweren Zugunglücks in Sachsen-Anhalt gewarnt. "Wir werden erst möglicherweise in wenigen Tagen definitive Aussagen über den Hergang und vor allem über die auslösenden Ursachen treffen können", sagte er am Sonntagabend.

Ministerpräsident Böhmer geschockt

Die Ermittlungen zur Unglücksursache dauerten noch an. Böhmer zeigte sich betroffen von dem Anblick der zerstörten Zugwaggons: "Das geht einem schon unter die Haut." Böhmer lobte die professionelle Reaktion der Rettungskräfte. Es seien schnell genug Helfer dagewesen, die sich um die Menschen kümmerten.

Der Regierungschef wollte im Laufe des Tages einige Krankenhäuser in der Umgebung besuchen, in denen Verletzte untergebracht wurden. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Guido Westerwelle und Bahnchef Rüdiger Grube zeigten sich schockiert.

Laut dem Einsatzleiter der Polizei Börde, Armin Friedrichs, sind bislang erst zwei Tote identifiziert. Viele der getöteten und verletzten Reisenden hätten keine Ausweispapiere bei sich gehabt. Der Zugführer des Güterzuges habe den Unfall überlebt und befinde sich im Krankenhaus.

Angaben des Betreibers des Nahverkehrszuges zufolge kamen bei dem Aufprall auch der Lokomotivführer und die Zugbegleiterin des Harz-Elbe-Expresses ums Leben. Das Schicksal des Lokführers des Güterzugs war zunächst unklar. Die Einsatzkräfte hätten mit der Identifizierung der Opfer erst begonnen, sagte Küssner. Die Polizei schaltete eine Hotline für Angehörige.

Unglück am Haltepunkt Hordorf

Das Unglück ereignete sich am Samstagabend gegen 22.30 Uhr auf einer eingleisigen Strecke in nächster Nähe des Haltepunktes Hordorf, der etwa auf halber Strecke zwischen Halberstadt und Magdeburg liegt. Beide Züge seien etwa mit Tempo 80 unterwegs gewesen, als sie aufeinanderprallten, sagte Küssner. Der Zusammenstoß war so heftig, dass der zweiteilige Triebwagen des Regionalexpresses aus den Gleisen sprang. Die Bergungsarbeiten dauerten Stunden.

Wie es zu dem Unglück kommen konnte, war zunächst unklar. Die Kriminalpolizei nahm Ermittlungen auf. "Die Witterungsverhältnisse in der Börde waren sehr schlecht", sagte Ralph Krüger, Sprecher der Bundespolizei. Es hätten in der Nacht zweistellige Minusgrade und Nebel geherrscht.

Beide Züge wurden von privaten Gesellschaften betrieben. Für Gleise, Stellwerke und die Freigabe einer Strecke ist die Deutsche Bahn zuständig. Der Harz-Elbe-Express fährt für den französischen Konzern Veolia, der zahlreiche Regionalstrecken in Deutschland bedient.

Pro Bahn fordert Sicherheitssysteme

Nach dem schweren Zugunglück fordert der Fahrgastverband Pro Bahn Konsequenzen. "Es muss geklärt werden, ob und wo es gegebenenfalls grundlegende Sicherheitsmängel gibt, insbesondere auf Strecken mit schwerem Güterverkehr und Personenzügen", sagte der Vorsitzende des Verbandes, Karl-Peter Naumann, den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Montagausgabe).

Sicherheitssysteme, die beim Überfahren eines roten Signals eine sofortige Notbremsung auslösen, seien "längst nicht auf allen Strecken in Ostdeutschland" eingebaut. Dort müsse jetzt schnell nachgerüstet werden.

In Westdeutschland seien entsprechende Systeme dagegen Standard. Naumann forderte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auf, ihr Funktionieren regelmäßig durch das Eisenbahnbundesamt überprüfen zu lassen. "Sicherheit muss Vorrang haben. Es gibt sie nicht zum Nulltarif", sagte Naumann dem Blatt weiter.

Eines der folgenschwersten Bahnunfälle

Es sei das schlimmste Unglück in der langjährigen Geschichte des Bahnbetreibers in Deutschland, sagte Jörg Puchmüller, Pressesprecher der Veolia Verkehr Region Nord-Ost. Seinen Angaben zufolge war in dem Zug Platz für rund 150 Menschen. Er sei zu etwa einem Drittel gefüllt gewesen.

Das Unglück gehört zu den folgenschwersten Bahnunfällen in der Geschichte Deutschlands. 2006 waren bei einem Unglück auf einer Teststrecke des Transrapid im Emsland 23 Menschen ums Leben gekommen. 101 Menschen starben, als 1998 bei Eschede in Niedersachsen ein ICE entgleiste.

Die bislang größte Zugkatastrophe im deutschen Bahnverkehr nach dem Zweiten Weltkrieg ereignete sich im Juni 1998 im niedersächsischen Eschede. Damals entgleiste der ICE München-Hamburg, 101 Menschen wurden getötet.

(RTR/apd/AFP/top/nbe)
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