Festakt in Kölner Synagoge 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

Köln · Seit 1700 Jahren ist jüdisches Leben auf dem Gebiet des heutigen Deutschland nachgewiesen - das ist Anlass für ein Festjahr mit rund 1000 Veranstaltungen. Am Beginn stehen eindringliche Appelle gegen Antisemitismus.

 Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache beim Festakt zum Auftakt des Festjahres "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache beim Festakt zum Auftakt des Festjahres "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland".

Foto: dpa/Guido Bergmann

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat während eines Festakts in der Kölner Synagoge alle Bürgerinnen und Bürger zum entschlossenen Widerstand gegen jede Form von Antisemitismus aufgerufen. Der Festakt läutete die Veranstaltungsreihe „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ein.

„Wenn ich mir als Bundespräsident für dieses Festjahr etwas wünschen darf, dann nicht nur ein klares Bekenntnis, dass Jüdinnen und Juden in Deutschland ein Teil von uns sind, ein Teil unseres gemeinsamen Wir, sondern dass wir denen entschieden entgegentreten, die das noch - oder wieder - infrage stellen“, sagte Steinmeier. „Die Bundesrepublik Deutschland ist nur vollkommen bei sich, wenn Juden sich hier vollkommen zu Hause fühlen“, betonte er. Dass es sogar junge Israelis mitunter nach Deutschland ziehe, sei ein „unermessliches Glück für unser Land“.

Der früheste Nachweis für jüdisches Leben auf dem Territorium des heutigen Deutschland stammt aus dem Jahr 321. Damals erließ der römische Kaiser Konstantin ein Gesetz, das den Juden eine Berufung in den Kölner Stadtrat ermöglichte. „Die jüdische Gemeinde in Köln ist damit nicht nur die älteste Gemeinde in Deutschland, sondern die älteste nördlich der Alpen“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und CDU-Vorsitzende Armin Laschet.

Das jetzt beginnende Festjahr mit seinen bundesweit rund 1000 Veranstaltungen sei ein idealer Anlass, um sich besser kennenzulernen. „Setzen wir dabei auch einen klaren Kontrapunkt zu antisemitischen Vorfällen, zu antijüdischen Verschwörungstheorien, zu antisemitischer Hetze im Netz und auf der Straße!“, appellierte Laschet.

Ebenso rief der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin in einem Grußwort zur „Null-Toleranz gegen jegliche Form des Antisemitismus“ auf. In den vergangenen Jahrzehnten habe es in Deutschland sowohl eine starke Wiederbelebung des jüdischen Lebens gegeben als auch einen gefährlichen Anstieg alter und neuer Formen des Antisemitismus, sagte Rivlin. Dagegen müsse man angehen - „ob auf der Straße, in den Online-Medien oder in der Politik“.

Rivlin sagte, die Geschichte Deutschlands und des jüdischen Volkes sei seit Jahrhunderten miteinander verknüpft. Darin eingeschlossen seien Zeiten grausamer Verfolgung, aber auch Phasen, in denen die gemeinsame Geschichte von Zusammenarbeit und Toleranz geprägt gewesen sei.

Zurzeit entsteht in Köln ein Jüdisches Museum auf dem wieder ausgegrabenen Judenviertel aus dem Mittelalter. Diese Freilegung einer ganzen jüdischen Lebenswelt samt Kultbad, Tanzhaus, Hospital und Tausenden von Alltagsgegenständen gilt als weltweit einzigartig.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, das Wissen in der deutschen Bevölkerung über die jüdische Vergangenheit und Gegenwart sei leider sehr gering. „Mangelndes Wissen über eine bestimmte Gruppe von Menschen, vor allem über eine Minderheit, führt jedoch fast immer zu Vorurteilen. Dieses Phänomen mit all seinen schrecklichen Folgen zieht sich wie ein roter Faden durch die deutsch-jüdische Geschichte.“

Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) und Oberrabbiner von Moskau, Pinchas Goldschmidt, erklärte in einer schriftlichen Stellungnahme, das Festjahr solle auch Anlass sein, in ganz Europa für eine nachhaltige Zukunft jüdischen Lebens einzutreten. „Wenn Europa will, dass seine verbliebenen Juden weiter in Europa bleiben, dann müssen die Rechte von religiösen Minderheiten und die Möglichkeit, ihren Glauben frei zu praktizieren, sichergestellt sein, wie es etwa in Deutschland und Österreich der Fall ist.“

Der Festakt war bereits am Mittwoch in der Kölner Synagoge aufgezeichnet worden und wurde am Sonntag von der ARD gezeigt.

(lha/dpa)
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