„Absolut grauenvoll“ Vatikan-Krippe sorgt für Diskussionen

Vatikanstadt · Der Vatikan hat seine Weihnachtskrippe auf dem Petersplatz enthüllt. Für Kardinal Giuseppe Bertello ist sie ein „beeindruckendes Kunstwerk“. Andere können mit der unkonventionellen Darstellung nichts anfangen.

 Der Petersdom nach der Weihnachtsbaum- und Krippenbeleuchtungszeremonie im Vatikan.

Der Petersdom nach der Weihnachtsbaum- und Krippenbeleuchtungszeremonie im Vatikan.

Foto: dpa/Gregorio Borgia

Dass sich an der vatikanischen Krippe die Geister scheiden, gehört mittlerweile schon fast zur Weihnachtstradition. Immer wieder versuchten es die Initiatoren in den vergangenen Jahren mit unkonventionellen, experimentellen Inszenierungen. Ebenso oft rümpften konservative Kommentatoren die Nase. So auch diesmal.

Dabei ließ eine Ankündigung vom Oktober vermuten, es könnten eher klassische Gestaltungsmittel zum Einsatz kommen. Doch weit gefehlt. Die verantwortlich zeichnende Kunstschule F.A. Grue liegt zwar in Castelli, einem altehrwürdigen Zentrum der Keramik-Kunst in den Abruzzen. Doch die Weihnachtskollektion, die dort zwischen 1965 und 1975 produziert wurde, ist eine ausgesprochen moderne Interpretation.

Insgesamt 54 Statuen umfasst das Ensemble. Einige davon sind seit voriger Woche auf dem Petersplatz zu sehen - präsentiert auf einer 125 Quadratmeter großen, leuchtenden Plattform. Im Werbetext einer Pressemitteilung ist von „starken Bezüge zur antiken Kunstgeschichte“ die Rede. Griechische Einflüsse seien ebenso erkennbar wie ägyptische und sumerische. Einige Medien berichten indes, die Urheber hätten sich von der Mondlandung der US-Amerikaner 1969 inspirieren lassen. Letzteres erscheint plausibler.

Als Kardinal Giuseppe Bertello den roten Vorhang lüftete, sprach der Präsident des Vatikan-Governatorats von einem „beeindruckenden Werk“ zeitgenössischer Kunst. Viele Beobachter teilen diese Einschätzung nicht. Schon bald nach der feierlichen Krippen-Zeremonie überschlugen sich in den sozialen Netzwerken die Reaktionen. Vorherrschende Tendenz: Befremden, Empörung, Hohn und Spott.

„Das ist absolut grauenvoll“, schrieb der britische Journalist und Historiker Tim Stanley via Twitter. Andere bemerkten stilistische Ähnlichkeiten zu den Science-Fiction-Filmen „Robot Monster“ und „Star Wars“. Die römische Zeitung „Il Messaggero“ bezeichnete die eigenwillige Komposition kurzerhand als „bizarr“.

Über Kunstgeschmack lässt sich gewiss trefflich streiten, aber eines ist sicher: Liebhaber erbaulicher Advents-Ästhetik kommen hier nicht auf ihre Kosten. Die monumentalen Keramik-Figuren erinnern mit ihrer gedrungenen Gestalt an russische Matrjoschka-Puppen. Allerdings ist die Farbgebung weitaus düsterer geraten. Maria wirkt mit ihrem indisponierten Gesichtsausdruck, als müsse sie dringend zur Toilette. Und die übrigen Skulpturen sind durchaus geeignet, kleinen Kindern Angst einzujagen. Eine finster dreinblickende Fratze mit Darth-Vader-Helm rundet die Geisterbahn-Atmosphäre ab.

Es ist freilich nicht das erste Mal, dass die Meinungen über die Vatikan-Krippe auseinandergehen. Gemischt fiel die Resonanz bereits im Jahr 2016 aus. Damals wurde ein Migrantenboot in die Szene mit eingebettet. Es erinnere an die „tragische Realität der Flüchtlinge, die sich in Booten Richtung Italien aufmachen“, erläuterte Papst Franziskus. Nicht jeder hielt das für angemessen.

2017 folgte die aufgeregte Debatte über eine vermeintlich gezielt homoerotische Aufmachung. Die Statue eines nackten Mannes, dem als Werk der Barmherzigkeit Kleider geschenkt wurden, sorgte international für Schlagzeilen. Einige Stimmen störten sich an der „sexuell suggestiven“ Pose des erstaunlich muskulösen Bettlers. Für diesen Körper müsse der Nackte „zwei Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche ins Fitnessstudio“ gegangen sein, bemerkte ein Kommentator süffisant. Das Portal „queer.de“ ergötzte sich an der „entblößten Sahneschnitte“, traditionalistische Blogs hingegen witterten eine „Verschwörung schwuler Aktivisten“.

Die bisher gewagteste Krippen-Variante gab es im Jahr 2018 zu bestaunen: Vier Künstler aus den USA, Russland, den Niederlanden und der Tschechischen Republik formten die Geburtsszene von Bethlehem aus 1.300 Kubikmetern Sand. Der Winter in Rom setzte dem Gebilde jedoch ziemlich zu, sodass es nach einigen Tagen deutliche Witterungsspuren aufwies.

Nach einem herkömmlich anmutenden Zwischenspiel im vergangenen Jahr hat der Vatikan nun also die „Star-Wars-Krippe“ enthüllt. Der Mut hat Kardinal Bertello und seine Mitstreiter offenbar nicht verlassen. Bei aller Kritik muss man ihnen zugutehalten: Krippen-Einweihungen auf dem Petersplatz sind zu einem spannenden, kontrovers diskutierten Ereignis geworden. Sollte dies das Ziel gewesen sein, so hat man es zweifellos erreicht.

(ahar/kna)
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