Barack Obama im Lanz-Interview „Die Rückwärtsgewandten haben noch eine laute Stimme in Amerika“

Greenport · In seiner gewohnten Art fragt Markus Lanz im Interview mit dem Ex-US-Präsidenten nach Gefühl. Das ist bedauerlich, wenn ihm jemand gegenübersitzt, der stattdessen Erhellendes zu Sachfragen beisteuern könnte. Barack Obama findet einen Weg, es trotzdem zu tun.

 Der ehemalige US-Präsident Barack Obama (r.) im Gespräch mit Markus Lanz in Washington.

Der ehemalige US-Präsident Barack Obama (r.) im Gespräch mit Markus Lanz in Washington.

Foto: ZDF

„Männer sind stärker egogetrieben als aufgabenorientiert“, sagt Barack Obama am Ende des Interviews. Da wollte Markus Lanz etwas über Frauen wissen, und Obama hatte Angela Merkel zu einer seiner Lieblingspartnerinnen auf der Weltbühne erklärt. Mit diesem Satz über Männer erklärt sich vielleicht auch die Szene am Beginn der Sendung, die als Besuch von Lanz in Washington angekündigt war.

Statt mit dem Interview beginnt die Show damit, wie der ehemalige US-Präsident Obama den Raum betritt. Lanz beliebt zu scherzen. Oder soll es Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen sein? „Dies ist der sicherste Raum in ganz Amerika“, sagt Lanz. Obama meint, dass es wohl einige gebe, die noch sicherer seien. Damit hätte es genug sein können, doch Lanz lässt das nicht auf sich sitzen. „Welche denn wohl?“, will er wissen. „Da haben Sie vielleicht recht“, räumt Obama ein. „Das Oval Office ist vielleicht nicht mehr so sicher, denn da werden ja viele Leute krank.“

Kurz nachdem Lanz daraufhin damit kokettiert hat, dass er schon mal ein Interview mit Tony Blair gemacht hat, stellt sich eine Frage, die auch mit Zurückspulen nicht lösbar ist: Schaut Obama nun verwundert oder nicht, als er sagt, er habe gehört, Lanz und seine Sendung hätten eine richtige Fangemeinde?

Irgendwann kommt Lanz schließlich auf Obamas Buch über dessen erste Amtszeit zu sprechen, dessen Veröffentlichung Anlass für das Interview ist. Und wie es nun einmal seine Art ist, stellt er in seinen Fragen oft Gefühle in den Mittelpunkt. Zum Beispiel will er wissen, wann Obama denn so richtig gespürt habe, dass er nun Präsident sei. „Beim ersten Mal im Oval Office wird dir klar: Alle Nachrichten in den Zeitungen und im TV, alle Probleme weltweit sind jetzt auch deine Probleme“, sagt Obama.

Statt nun über Politik und Gesellschaft zu sprechen, lenkt Lanz das Gespräch auf Themen, die in einer Freizeitratgebersendung prima angekommen wären. Einschlaftricks (einfach zu viel arbeiten), Einrichtungstipps für eine Wohnung wie aus dem Museum (Kinderzimmer modern gestalten), die Vorzüge des Home Office (immer zum Abendbrot zu Hause).

Beim Thema Work-Life-Balance gerät Lanz dann allerdings so gefährlich nahe an Sachthemen, dass er mitten im Krieg landet. In zwei Kriegen, um genau zu sein. Den Irak-Krieg und den Afghanistan-Krieg hatte Obama von seinem Vorgänger George W. Bush geerbt. Im Nachhinein bekundet er, keine seiner Entscheidungen in Bezug auf diese Kriege sei perfekt gewesen. Ihre Grundlage seien Wahrscheinlichkeiten, so Obama. Da seien etwa die Chancen für eine Verbesserung bei 55 Prozent und die Chancen für eine Verschlechterung bei 45 Prozent. „Nur selten geht es so aus wie beabsichtigt.“ An diesem Punkt wirft Lanz die Drohnenangriffe der Obama-Regierung ins Feld – und Obama dreht den Spieß um: Jetzt redet er über Gefühle und wie ihn solche Entscheidungen belastet haben. „Daran gewöhnt man sich nie“, sagt er, „und das bleibt.“

Für das Interview nimmt Lanz auch das Ende des Buchs vorweg. Darin kommt unter anderem eine Szene mit Donald Trump aus dem Jahr 2011 vor – sie bietet Anlass für einen lustigen Einspieler und eine goldene Brücke, über den jetzigen Präsidenten zu sprechen. „Viele der tiefliegenden Probleme, die Trump anspricht, gab es schon vor ihm und wird es auch nach ihm noch geben“, sagt Obama und nutzt die Gelegenheit, seine Sicht auf die US-Gesellschaft darzulegen, ehe die Interviewzeit um ist.

In der Unabhängigkeitserklärung der USA, die mit den Worten „Wir, das Volk“ beginnt, seien alle Menschen gleich; gleichzeitig habe es in den USA aber vieles gegeben, was dem widersprach – Sklaverei, entrechtete Ureinwohner, kein Wahlrecht für Frauen und mittellose Männer und so weiter. Zur US-Geschichte gehöre ein Kampf zwischen denen, die mehr Menschen in der Idee von „Wir, das Volk“ sehen – und der Sichtweise, das seien Privilegien, die nicht für alle gelten sollen.

Diese Reibungen in der Gesellschaft hätten Trump und viele Republikaner für sich ausgenutzt, sagt Obama. Es sei die Verantwortung von progressiven Menschen, bessere Antworten zu finden und ein Wirtschaftssystem, in dem sich diejenigen Menschen nicht abgehängt fühlen, die sich ähnlich wie in Europa frustriert zeigen angesichts von Globalisierung und technologischem und kulturellem Wandel.

Hoffnung mache Obama dabei das Wahlverhalten und die Einstellung der jungen Generation. Stärker als vorherige Generationen sähe sie, dass Menschen ungeachtet ihrer Religion, sexuellen Orientierung oder Hautfarbe ein Anrecht auf Achtung und Würde hätten.

An den Protesten gegen Polizeigewalt nach dem Tod von George Floyd etwa hätten Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft teilgenommen. „Das ist die Zukunft von Amerika“, sagt Obama. „Aber die Rückwärtsgewandten haben noch eine laute Stimme im politischen Amerika.“ Gerade als Obama eine Verbindung zu eben jenen ziehen will und erklärt, dass seine Idee für eine Krankenversicherung auf einem Modell basiert, dass der Republikaner Mitt Romney in seinem Bundesstaat einsetzte, unterbricht Lanz. Er will wissen, ob Obama angesichts von Anfeindungen jemals Angst um seine Familie gehabt habe.

Obama versichert ihm, dass der Secret Service beste Arbeit im Personenschutz leiste. Die Verteufelung von Seiten konservativer Kräfte habe aber seine Arbeit erschwert. Hinzu käme die Zersplitterung der Medienlandschaft mit Anbietern, die alles erfinden, was sie verbreiten. „Demokratie hängt davon ab, dass alle sich auf grundlegende Fakten einigen können“, sagt Obama. Streiten könne man dann darüber, was man auf dieser Grundlage unternehmen wolle.

An diesem Punkt hakt Lanz ein: Ob er noch eine letzte Frage stellen dürfe. Obama, so leitet Lanz ein, sei Zeit seines Lebens von Frauen umgeben gewesen. Bilder aus Obamas Kindheit und dann mit Frau und Kindern geistern über den Bildschirm, während Lanz fragt, wie das denn Obamas Charakter geformt habe. Das kann der ehemalige US-Präsident in wenigen Worten beantworten. „Zum Besseren“, sagt Obama.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort