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Caspar David Friedrich in Düsseldorf Der romantische Landschaftsmaler

Düsseldorf · Im Düsseldorfer Kunstpalast wird Caspar David Friedrich (1774–1840) zu den Kollegen der Düsseldorfer Malerschule in Dialog gesetzt.

Wenn Caspar David Friedrich alleine in seinem Atelier war und gerade an einem Himmel malte, dann durfte ihn niemand stören. Dann setzte er Lasur über Lasur, von zartem Blau über Gelb und Rosa bis zu tiefdunklen Tönen auf die Leinwand. Für ihn war Malen Gottesdienst. Und die Natur eine göttliche Idee. Niemand malte vergleichbare Bilder von Nebel und Wolken, Abend- und Morgenrot, von Dämmerung und anderen faszinierenden Lichtgemischen des Tages. So denkt der Kunstfreund nicht alleine an den Rügener Kreidefelsen, wenn er den Namen des berühmten romantischen Landschaftsmalers hört, sondern er sieht geheimnisvoll schimmernde farbige Bilder vor seinem inneren Auge.

60 Ölbilder, Zeichnungen, Aquarelle und Skizzen sind im Kunstpalast unter 130 Werken ausgebreitet, dialogisch oder auch konfrontativ zu denen von Friedrichs Kollegen aus seiner Zeit gesetzt, die als Düsseldorfer Malerschule große Erfolge feierten. Der Fokus dieser Ausstellung liegt auf den Jahren 1800–1850, motivische Paarungen erhellen zwei Sichten auf die Welt jener bewegten Zeit. Die Künstler um die Akademie und ihren Rektor Wilhelm Schadow galten als die weltlichen Romantiker, die vordergründiger, extrovertierter, vielleicht auch wirkmächtiger als Friedrich Geschichten erzählten; sie waren von Ritter- und Ränkespielen inspiriert oder von der Rheinromantik. Friedrich folgte hingegen seinem inneren Auge, er verwendete das Bild der Natur, um Seelenlandschaften bloßzulegen: „Fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, dass es zurückwirkt auf andere von außen nach innen.“ Mit dieser spannenden Parallelerzählung aus der Kunstgeschichte wird ein ganzes Kapitel aufgeblättert, in dem die Frage war, wer zu welcher Zeit die tonangebenden Romantiker waren, ohne dass von Siegen und Niederlagen die Rede ist.

„Jede Generation entdeckt und interpretiert ihren eigenen Caspar David Friedrich“. So sieht es Generaldirektor Felix Krämer, und er spricht vom Geschmackswandel, der seinerzeit die Kunstwelt befiel und Friedrich in Vergessenheit geraten ließ. Dies sei die Animation für diese Ausstellung, die, in die Vergangenheit und auf die Zukunft betrachtet, die letzte große sein dürfte, die den genialen Maler so weitreichend würdigt.

Dass das berühmte Kreidefelsen-Bild nicht nach Düsseldorf (und zur weiteren Station Leipzig) reisen durfte, ist schade, aber der Empfindlichkeit der Bilder geschuldet. Zwei weitere Schlüsselwerke fehlen. Vom Kreidefelsen ist immerhin der Ableger, das kleinere Aquarell, in der Ausstellung vertreten, das als Studienobjekt interessiert und die Sehnsucht nach dem großen vielleicht doch nicht stillt. Denn hier fehlen mit den Figuren die Möglichkeiten zur Projektion, hier ist es Landschaft pur, die Friedrich studierte. Landschaften malte er keinesfalls Eins zu Eins nach, obwohl er das Zeichnen meisterhaft beherrschte. Zigtausende Touristen haben die Rügener Küste schon nach dem berühmten Motiv abgesucht. Und erfahren dann, dass es zwar solche Kreidefelsen gibt, derjenige von Caspar David Friedrich aber ein Geniestück der Phantasie ist, das er aus verschiedenen Naturstudien vor Ort zusammensetzte.

In acht Themenräumen bewegt sich die Dramaturgie der in sanftes Umbra getauchten Ausstellung: Atelierszenen, Landschaften und Meeresbilder, Mittelalter-Romantik und sakral aufgeladenen Motive der Vergänglichkeit. Den Schlussakzent setzen die Hymnen an die Nacht mit Mondscheinlandschaften. Den Friedrich-Werken sind dabei seine Dresdner Malerfreunde Carl Gustav Carus, Ludwig Richter und Ernst-Ferdinand Oehme an die Seite gestellt. Die Düsseldorfer schlagen mit Andreas und Oswald Achenbach auf, mit Carl Friedrich Lessing oder auch Wilhelm Schirmer. Kuratorin Bettina Baumgärtel sagt: „Aus heutiger Perspektive mag erstaunen, dass die Düsseldorfer damals als die wahren Romantiker gefeiert wurden.“ Dass Wahrnehmung und Bewertung von Kunst einem ständigen Wandel unterliegt, beweise besonders die Rezeption von Caspar David Friedrich, der nach kurzem Aufstieg fast in Vergessenheit geraten war und erst nach der Jahrhundertwende neu entdeckt wurde.

„Manche werden mich erst nach dem Tod verstehen“, hatte Friedrich der Nachwelt hinterlassen. Das erzählt Jan Nicolaisen, Co-Kurator aus Leipzig. Und er macht diese Position an Friedrichs Eigenschaften fest. „Der unbeirrbare Maler blieb sich trotz aller Widerstände in seiner Radikalität und Subjektivität treu.“

Friedrichs geistige Radikalität ist heute nur schwer herauszulesen, man muss sich die politischen Verhältnisse jener Zeit vergegenwärtigen. Die künstlerische Radikalität indes erschließt sich mit jedem Bild. Wie er Farben benutzt und schichtet, ordnet, zum Leuchten und Klingen bringt, wie er sie formal diszipliniert und undurchdringbar macht, dürfte einzig sein. Das ist nicht alleine tolle Technik, sondern in tiefe Gefühle getunkt. Wolken ziehen wie schwere Träume über seine Leinwände. Sein Bild „Lebensstufen“ mit den fünf Schiffen und fünf Figuren, von denen eine er selbst ist, liest sich wie ein Abschied, ein Testament. Die drei Kinder könnten die seinen sein, sie alle schauen in den Horizont: Der Rückblick in die eigene Erlebniswelt. Für ihn verbarg sich in der göttlichen Natur das Geheimnis von Erde und Mensch. Seine Himmel sind Ergebnis innerer Monologe und regen solche bei anderen an. An seinen Ufern wird die Grenzenlosigkeit von Zeit und Raum erfahrbar.

Ein Bild muss nach Friedrich nicht erfunden sein, sondern empfunden werden. Malen war ihm ein meditativer Akt, er liebte besonders das Zwielicht. Anders als die fröhlicheren rheinischen Kollegen verlieh er seinen Bildern eine melancholische Düsterkeit. Seine mystischen Naturdarstellungen, die eigenwillige Perspektiven und Raumzuordnungen aufweisen, sind Ikonen einer ganzen Epoche.

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