Neue Saison beginnt Grippe oder Covid-19? Erste Diagnose laut Virologin knifflig

Düsseldorf/Dortmund · Die anstehende Grippesaison und die gleichzeitig andauernde Corona-Pandemie werden die Ärzte nach Ansicht einer Virologin vor besondere Herausforderungen stellen. Die Impfempfehlung betrifft viele Menschen.

 Verschiedene Infekte anhand ihrer Symptome zu unterscheiden sei „total schwer“, so Virologin Ciesek.

Verschiedene Infekte anhand ihrer Symptome zu unterscheiden sei „total schwer“, so Virologin Ciesek.

Foto: dpa/Christina Sabrowsky

Gegen Grippe hat sich etwa jeder achte gesetzlich Versicherte in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr impfen lassen. Das geht aus Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Nordrhein und Westfalen-Lippe hervor, die der dpa vorliegen. In dieser Statistik sind aber die Privatversicherten, die sich gegen Grippe haben impfen lassen, nicht erfasst. Landesweite Zahlen werden laut dem Landeszentrum Gesundheit NRW nicht erhoben. Wichtig sei die Impfung aber vor allem für die Risikogruppen.

Nach den KV-Statistiken gab es im vergangenen Jahr landesweit gut zwei Millionen Grippeschutzimpfungen bei etwa 16 Millionen Versicherten. Im Detail waren es 1,08 Millionen Grippeschutzimpfungen im Bereich der KV Nordrhein, in dem es etwa 8,5 Millionen Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung gibt. Im Bereich der KV Westfalen-Lippe wurden im vergangenen Jahr über 990.500 Grippeschutzimpfungen verabreicht bei etwa 7 bis 7,5 Millionen Versicherten. Dem Verband der Privaten Krankenversicherung liegen keine Zahlen zu den Grippeschutzimpfungen der Mitglieder vor.

Die Ständige Impfkommission empfehle die Influenzaimpfung für alle Personen ab 60 Jahren, für chronisch Kranke, für Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen und Personen, die in einem Haushalt mit Risikopersonen leben oder Risikopersonen betreuen, wie das Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen erklärte. Auch Menschen mit erhöhter Gefährdung wie medizinisches Personal und Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr sollten sich demnach impfen lassen. Für Schwangere gibt es ebenfalls Empfehlungen. Impfen lassen sollten sich Personen mit direktem Kontakt zu Geflügel und Wildvögeln, um Doppelinfektionen mit der Vogelgrippe zu vermeiden.

Wann ist der richtige Impfzeitpunkt?

Die jährliche Influenzawelle hat nach Angaben des Landeszentrums in Deutschland in den vergangenen Jahren meist nach der Jahreswende begonnen. „Nach der Impfung dauert es 10 bis 14 Tage, bis der Impfschutz vollständig aufgebaut ist. Um rechtzeitig geschützt zu sein, wird deshalb empfohlen, sich im Oktober oder November impfen zu lassen“, erklärte eine Sprecherin. Sollte die Impfung in diesen Monaten versäumt werden, könne es auch im Dezember und selbst zu Beginn oder im Verlauf der Grippewelle noch sinnvoll sein, die Impfung nachzuholen. „Schließlich ist nie genau vorherzusagen, wie lange eine Influenzawelle andauern wird.“

In der Saison 2018/19 war das Interesse an der Grippeschutzimpfung nach den bundesweiten Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) allerdings eher gering. Nur rund ein Drittel der Senioren (35 Prozent) ließen sich nach den RKI-Angaben damals immunisieren. Bei Menschen mit chronischen Grundleiden waren es etwa ein Fünftel bis die Hälfte, hieß es. Sollten alle Menschen der Gruppen, für die eine Impfungempfehlung gilt, dem auch nachkommen, wären das nach einer Hochrechnung rund 40 Millionen Menschen bundesweit. Experten gehen aber davon aus, dass entsprechend der bisherigen Erfahrungswerte ausreichend Impfstoff für die neue Saison vorhanden sein wird.

Grippe oder Corona? Diagnose könnte anfangs schwierig sein

Die üblicherweise zum Winteranfang beginnende Grippesaison und die gleichzeitig andauernde Corona-Pandemie werden die Ärzte nach Ansicht der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek vor besondere Herausforderungen stellen. Es lasse sich anfangs nicht leicht beantworten, ob eine Grippe oder eine Infektion mit der vom Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelösten Krankheit Covid-19 vorliege, sagte Ciesek der Deutschen Presse-Agentur.

„Die Symptomatik kann insbesondere in der Frühphase der Infektion sehr ähnlich sein“, erklärte die Professorin für Medizinische Virologie an der Frankfurter Goethe-Universität. „Bei beiden Erkrankungen sind Fieber, Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Schnupfen und abdominelle Beschwerden wie Bauchschmerzen und Erbrechen häufige Symptome.“ Ohne einen Test könnten die Symptome nicht sicher unterschieden werden.

Ob eine Grippe oder Covid-19 für den Einzelnen gefährlicher sei, lasse sich nur sehr schwer sagen. „Die Gefahr, an Covid-19 zu sterben, ist nämlich sehr stark altersabhängig“, sagte Ciesek. „Insgesamt kann man festhalten, dass bei älteren Menschen Covid-19 noch viel gefährlicher ist als Influenza.“ Die Corona-Pandemie müsse ernstgenommen werden und sei nicht mit einer Grippewelle zu vergleichen.

Neue „Coronavirus-Update“-Expertin hat Hoffnung für den Herbst

Masken, Handhygiene und Hustenetikette könnten in diesem Herbst und Winter neben dem Schutz vor Corona auch dafür sorgen, dass bestimmte andere Infektionskrankheiten zurückgehen. Eine schon ältere Studie aus Hongkong mache ihr da „ein bisschen Hoffnung“, sagte die neue Gesprächspartnerin im vielbeachteten NDR-Podcast „Coronavirus-Update“, die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek.

Die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt wechselt sich mit dem Berliner Virologen Christian Drosten künftig wochenweise ab. Am Dienstag gab die Frankfurterin ihren Einstand als Interviewpartnerin.

Die Hongkonger Wissenschaftler hatten im Jahr 2003, als Sars - ebenfalls ein Coronavirus - grassierte, die Zahl von Atemwegsinfektionen mit der in den Vorjahren verglichen. Aus Angst, sich anzustecken, hätten in Asien damals die meisten Menschen die sogenannten AHA-Regeln befolgt, sagte Ciesek. Die Frage war: „Was hatte das für einen Einfluss auf andere Viren?“

Verglichen wurden die Daten für vier Erreger, darunter den der Grippe. „Man hat gesehen, dass das Verhalten dazu geführt hat, dass diese Infektionen alle deutlich zurückgingen in den Monaten“, sagte Ciesek. Es habe sogar ein Kontrollvirus gegeben: Hepatitis B. Hier gingen die Zahlen nicht zurück - das Virus wird nicht über die Luft, sondern über Sexualkontakte übertragen. „Die Studie gibt mir ein bisschen Hoffnung für den Herbst/Winter“, sagte Ciesek. „Ich denke schon, dass man sicherlich durch die AHA-Regeln auch andere Virusinfektionen seltener sehen wird“.

Dennoch sei es sehr wichtig, dass sich die Risikogruppen impfen lassen. Welche Personengruppen geimpft werden sollten, sei abhängig von der Menge der verfügbaren Dosen, sagte Ciesek. Der Vorschlag, auch alle Kinder gegen Grippe zu impfen, sei „sicher eine gute Idee“, aber nur, wenn der Impfstoff dafür reicht. „Das ist ganz wichtig, dass man jetzt genaue Kriterien festlegt, damit die Dosen möglichst sinnvoll verteilt werden“, mahnte Ciesek an.

(lha/dpa)
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