Kaldenkirchen Ein Paradies der Tankstellen

Mehr als die Hälfte aller Tankstellen in Nettetal sind an der Grenze – praktisch für Niederländer. Fuhren die Deutschen früher zum Diesel-Tanken über die Grenze, so ist das Preisverhältnis völlig gekippt. Sogar der Diesel ist jetzt billiger als an der Maas.

 Die Aral-Tankstelle an der Kleinbahn war die erste Ansiedlung im Gewerbegebiet Nettetal-West. Sie liegt unmittelbar an der Grenze.

Die Aral-Tankstelle an der Kleinbahn war die erste Ansiedlung im Gewerbegebiet Nettetal-West. Sie liegt unmittelbar an der Grenze.

Foto: Heribert Brinkmann

Der Stau, der sich auf der Steyler Straße in Kaldenkirchen oft vor der Tankstelle Schmacks bildete, gibt es nicht mehr. Die niederländischen Autofahrer, die von Tegelen her am Heidend mal eben zum Tanken über die Grenze fahren, werden seit Herbst 2019 von einer neuen Tankstelle vielfach abgefangen. Der Ölkonzern Shell wollte sich offensichtlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und baute neu, als ihm Bernd Schmacks vor vier Jahren die Freundschaft kündigte und zu Esso überlief: „Nach so vielen Jahrzehnten brauchten wir mal neuen Wind.“

Der Shell-Bau auf dem Gelände des früheren Kabelwerkes TKD war umstritten und hatte deshalb eine lange Vorlaufzeit. Anlieger befürchteten zusätzliche Lärmbelästigungen vor allem durch Lastwagen. Während sie die Akten zum Bauantrag einsehen konnten, verweigerte die damalige Technische Beigeordnete Susanne Fritzsche dem Esso-Tankstellenbetreiber Bernd Schmacks den Blick in die Papiere „wegen (möglicherweise) betroffener Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auf Seiten der Firma Shell und wegen des seinerzeit noch nicht abgeschlossenen behördlichen Entscheidungsfindungsprozesses“.

Das schon angerufene Verwaltungsgericht Düsseldorf brauchte dann doch nicht mehr zu entscheiden, die Stadt hatte im Dezember 2017 den Bau genehmigt (Gewerbegebiet) und rückte die Unterlagen heraus. Erfolglos blieb 2018 auch ein Antrag eines Anliegers, die Bauarbeiten zu stoppen. Was Anlieger schließlich beruhigte: Die Tankstelle ist nicht rund um die Uhr, sondern gegenwärtig abends bis 21 Uhr geöffnet. Und von Lkw wird sie nicht angesteuert, da das Gelände zu eng ist.

Die Shell-Tankstelle an der Steyler Straße ist die zweite des Konzerns in Kaldenkirchen; die erste liegt gleich an der Auf- und Abfahrt der Autobahn 61 und der Bundesstraße 221, beide sind gegenwärtig von der Viola Stöß Tankstellen GmbH gepachtet, die auch in Kempen eine Shell-Tankstelle betreibt. Die Tankstelle auf dem ehemaligen Wasserturmgelände profitiert schon seit Jahrzehnten von der Autobahnnähe und wird von zahlreichen Lastwagen angefahren, denen sie übers Wochenende auch Parkgelegenheit bietet (10 Euro für 24 Stunden inclusive 3,60 Euro Bistro-Gutschrift).

Seit der Verlagerung des Autobahngrenzübergangs Keulsse Barriere/Schwanenhaus in Richtung Tegelen ist es für Venloer allerdings etwas umständlicher geworden, die Tankstelle an der A 61-Abfahrt zu erreichen. Nutzen sie den „alten“ Grenzübergang, der nur noch eine Kreisstraße ist, dann werden sie am Rand des Gewerbegebietes „Nettetal-West“ von einer Aral-Tankstelle abgefangen, die vor fünf Jahren dort gebaut wurde (und wie die alte Aral-Tankstelle an der Kölner Straße von der Waurich oHG gepachtet ist). Sie ist, wie Shell an der Autobahn, rund um die Uhr geöffnet. Die anderen schließen gegen 22 Uhr.

Zu den „anderen“ gehört auch eine Jet-Tankstelle an der Kölner Straße, die in den letzten Monaten umwelttechnisch auf den neuesten Stand gebracht wurde und mit ihren Preisen immer einen Cent unter den anderen liegt. Denn preislich tun sich die großen Marken nichts. Im Kaldenkirchener Gewerbegebiet Herrenpfad-Süd liegen noch zwei weitere Tankstellen: Avia-Kloecker, 50 Meter entfernt von der Shell-Tankstelle, und Tankpool 24 rund 200 Meter weiter (Auf der Kurt 1). Sie bieten nur Diesel und sind in erster Linie für Lkw-Gewerbekunden gedacht, die dort mit Karte rund um die Uhr tanken können.

Während es im Lande immer weniger Tankstellen gibt, hat die Tankstellen-Dichte in Kaldenkirchen einen Grund: die Nähe zu den Niederlanden und die unterschiedlichen Steuersätze. Fuhren die Deutschen früher zum Diesel-Tanken über die Grenze (da gab es abends auch eine „Happy Hour“), so ist das Preisverhältnis völlig gekippt. Sogar der Diesel ist jetzt billiger als an der Maas. Derzeit liegt der Preisunterschied bei Diesel bei rund 17 Cent und bei Super bei rund 33 Cent. So ist verständlich, dass die Aral- und Shell-Pächter übereinstimmend von einem „sehr hohen Anteil“ niederländischer Kunden sprechen.

In Breyell und Lobberich ist die Zahl der Tankstellen auf jeweils zwei geschmolzen, in Hinsbeck gibt es nach der Schließung einer Tankstelle im Ort nur noch eine in Wevelinghoven, in Schaag gar keine mehr. Leuth hat noch eine „freie“ Tankstelle (Pfennings), die eng mit Shell zusammenarbeitet; sie lebt auch von den Niederländern und dem Verkehr auf der B 221, denn hier liegen die Preise auch unter denen nebenan in Kaldenkirchen. Also: Von 14 Tankstellen liegen acht in Kaldenkirchen.

Tankstellen bieten heute neben dem „Sprit“ aus der Zapfsäule auch Shops mit Lebensmitteln, Lotto, Zeitschriften und Reisebedarf. Vorbei sind die Zeiten, in denen eine Zapfsäule einsam am Straßenrand stand – wie etwa noch Anfang der 1950er-Jahre auf der Marktstraße in Lobberich vor der Drogerie Nonninger (heute Optik Andrae).

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