Virtuelle Anhörung Oberstes Gericht in Singapur verkündet Todesurteil über Zoom

Kuala Lumpur · Zoom kennen viele Büroarbeiter als nützliches Tool, um auch in Homeoffice-Zeiten mit Kollegen in Kontakt zu bleiben. Ein Gericht in Singapur hat die Videokonferenz-Software jetzt zu einem makabren Zweck genutzt. Menschenrechtler sind empört.

Wegen der Beschränkungen während der Corona-Krise hat das Oberste Gericht in Singapur einen Angeklagten über die Videokonferenzplattform Zoom für ein Drogendelikt zum Tod verurteilt. Menschenrechtsorganisationen reagierten entsetzt. Verteidiger Peter Fernando sagte am Mittwoch, das Gericht habe seinem Mandanten das Urteil in einer virtuellen Anhörung am Freitag verkündet. Der Angeklagte, ein Malaysier, befand sich im Gefängnis, Anwalt Fernando und die Staatsanwälte waren von unterschiedlichen Orten zugeschaltet.

Gerichte führten Verfahren und Urteilsverkündungen virtuell durch, um die Verbreitung des Coronavirus zu verringern, sagte ein Sprecher des Obersten Gerichts. Der Fall des Angeklagten sei der erste in Singapur, bei dem ein Todesurteil aus der Ferne verkündet worden sei.

Verteidiger Fernando sagte, auch die wesentlichen Anhörungen seien über Zoom gelaufen. Das habe das Gericht so entschieden. „Wir haben keine Beschwerden.“ Er werde den Verurteilten am Freitag treffen, um über mögliche Rechtsmittel zu beraten. Der heute 37-Jährige war laut dem Urteil 2011 am Schmuggel von 28,5 Gramm Heroin beteiligt. Dazu soll er zwei Drogenkuriere beauftragt haben.

Human Rights Watch erklärte, die Todesstrafe allein sei bereits grausam und inhuman. Die Nutzung von Zoom zu ihrer Verkündung mache sie noch schlimmer. Das Vorgehen werfe die Frage auf, warum Singapur es so eilig gehabt habe, den Fall per Zoom abzuschließen, sagte der HRW-Vizedirektor für Asien, Phil Robertson. Die wegen der Coronavirus-Pandemie verhängten Ausgangsbeschränkungen sollen ab Juni allmählich gelockert werden.

Amnesty International forderte Singapur auf, die Todesstrafe abzuschaffen, ob mit oder ohne Verkündung über Zoom. Der Stadtstaat sei eines von nur vier Ländern, in dem aktuell Menschen wegen Drogendelikten hingerichtet würden, sagte die für das Thema zuständige Amnesty-Beraterin Chiara Sangiorgio.

(rls/AP)
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