Hochschule Aachen Beatmungsgeräte aus dem 3D-Drucker

Wissenschaftler der RWTH Aachen helfen in der Corona-Krise bei Problemen in der medizinischen Versorgung.

 Medizinische Hilfe für den Notfall: eine Beatmungs-Maske aus dem  3D-Drucker.

Medizinische Hilfe für den Notfall: eine Beatmungs-Maske aus dem 3D-Drucker.

Foto: RWTH Aachen

Wie können wir den Ärzten und Pflegekräften in unseren Krankenhäusern in Zeiten der Corona-Pandemie ganz praktisch helfen? Diese Frage stellten sich Wissenschaftler der RWTH Aachen gemeinsam mit Start-Ups und Firmen aus der Region. Und als das Uniklinikum Aachen einen Mangel an Gesichtsvisieren meldete, die die Ärzte und Pflegekräfte als Spritzschutz bei der Behandlung von Corona-Patienten benötigen, machte man sich gleich daran, diese zu entwickeln und zu fertigen. „Es wurden verschiedene Prototypen gefertigt, die dann immer einen Tag lang im Klinikum ausprobiert wurden“, sagt Jan Borchers, Professor für Informatik und Leiter des Aachener Fab Labs, einer Art offener Kreativ-Werkstatt mit High-Tech-Maschinen. „Diese wurden dann nach Rückmeldung der medizinischen Fachkräfte modifiziert, bis wir nun nach rund zwei Wochen mit der bestimmt zehnten Variante in eine kleine Serienproduktion gehen können.“

Dabei halfen wiederum Kollegen vom Institut für Kunststoffverarbeitung: Dort wurde eine kleine Produktionsstraße aufgezogen, so dass nun 1500 Behelfsvisiere pro Tag hergestellt werden können. Wissenschaftler aus der Logistik wiederum stellen den Material-Zulauf sicher. „Wir haben ein Design, das passt, und gehen damit nun in Serie – das zeigt die starke Kultur an der RWTH für Entwicklung, auch im Kleinen“, so Borchers. „So können wir bald nicht mehr nur die Uniklinik in Aachen, sondern auch andere Krankenhäuser beliefern. Für die Region ist das toll.“

Der Gesichtsschutz ist während der aktuellen Corona-Pandemie nicht das einzige Projekt, mit dem sich die Aachener Wissenschaftler beschäftigen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Beatmungsproblematik der schwer erkrankten Corona-Patienten in den Kliniken. „Es gibt weltweit nicht genügend Beatmungsgeräte. Deshalb haben sich gleich vier Institute der RWTH Aachen, etwa aus der Medizintechnik und dem Maschinenbau, mit der Entwicklung einfacher Beatmungsgeräte beschäftigt“, so Borchers.

Wichtig ist dem Professor zu betonen, dass keines der Ergebnisse ein zertifiziertes medizinisches Produkt ist. Borchers: „In diesem Forschungsprojekt geht es vielmehr darum, frühzeitig über mögliche, realisierbare Hilfen für den absoluten Ernstfall nachzudenken. Bei den dargestellten Beatmungsgeräten handelt es sich um Prototypen, die gerade sehr schnell weiterentwickelt werden. Das Gerät soll Patienten im Extremfall beatmen und retten können, ausschließlich falls die akuten Infektionen von COVID19 die Kapazitäten der vorhandenen medizinischen Beatmungsgeräte übersteigen.“

Dies könne etwa der Fall sein, wenn die Corona-Epidemie Afrika oder Indien mit voller Wucht treffen würde. Die Geräte sollen nur zum Einsatz kommen, wenn die einzige Alternative das manuelle Betreiben von Beatmungsbeuteln wäre. „Und selbst dann brauchen Sie immer eine medizinisch ausgebildete Person für die Bedienung. Diese Geräte müssen exakt justiert und an die Situation angepasst werden und sind nie für den Einsatz durch Laien zu Hause gedacht. Sonst bringen Sie jemanden eher um, als dass Sie helfen.“

Die meisten der an der RWTH entwickelten Konzepte nutzen herkömmliche Beatmungsbeutel, sogenannte Ambu-Bags, die normalerweise für eine Beatmung von Hand genutzt werden. Neben den Ambu-Bags sind Kunststoffteile aus dem 3D-Drucker, ein Elektromotor, Stromversorgung und Kleinteile – beispielsweise Schrauben und Ventile – für den Bau eines Beatmungsgeräts erforderlich. „3D-Drucker sind inzwischen relativ verbreitet und gehören zum Standard-Equipment technisch orientierter Lehrstühle“, erklärt Jan Borchers. Es dauere etwa einen Tag, um die Teile für die Beatmungspumpe auszudrucken. „Dafür kann man das an vielen Orten gleichzeitig tun.“

So könnten auch Freiwillige mit Zugang zu einem 3D-Drucker schnell eine größere Zahl herstellen, nachdem die Bauanleitungen frei über das Internet zugänglich gemacht werden. Innerhalb kurzer Zeit können so im Notfall sehr viele Geräte hergestellt werden – für unter 75 Euro pro Stück.

Und noch andere Varianten der Beatmungsgeräte werden an der RWTH von weiteren Teams entwickelt: Zum Beispiel lassen sich Teile der Pumpe auch mit Hilfe eines Laser-Cutters herstellen. „Der arbeitet schneller und wesentlich korrekter als ein 3D-Drucker, ist aber natürlich bei weitem nicht so häufig vorhanden“, sagt Jan Borchers. In einer weiteren Arbeitsgruppe werden beide Varianten miteinander kombiniert. „Wir stehen auch bei dieser Entwicklung im engen Kontakt mit dem Uni-Klinikum Aachen und tauschen uns mit dem Chef der Anästhesie aus.“

Auf der ganzen Welt entstünden derzeit Projekte dieser Art, so Borchers. Wichtig sei immer, sich an die lokalen Gegebenheiten anzupassen, also an den Bedarf, der vor Ort herrsche, an die Materialien, die zu bekommen seien. „Eine Allianz mit den lokalen Kliniken ist wichtig. Viele wollen sich einbringen, und es ist auch hier an der RWTH spannend zu sehen, wie alle sich unterstützen und was derzeit – auch in Kooperation mit universitätsnahen Unternehmen, Start-Ups und der Makerszene – alles entsteht.“

So hat man in Aachen auch kurzerhand einen Unterarm-Türdrücker weiterentwickelt, um Klinken mit dem Unterarm herunterzudrücken und Türen so ohne die Hände aufziehen zu können.

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