Analyse von „Focus Money“ Katjes als Gegenentwurf zu Haribo

Emmerich/Bonn · Der Kampf zwischen Haribo und dem Emmericher Süßwarenhersteller Katjes wird seit Jahren mit harten Bandagen geführt. Nun hat das Münchener Magazin „Focus Money“ in seiner Online-Ausgabe eine interessante Analyse geliefert.

 Erfolgreich unterwegs: Die Geschäftsführer Tobias Bachmüller (l.) und Bastian Fassin auf einem Archivbild.

Erfolgreich unterwegs: Die Geschäftsführer Tobias Bachmüller (l.) und Bastian Fassin auf einem Archivbild.

Foto: van Offern, Markus (mvo)

 Der eine mag nur die Roten, der andere nur die Gelben und der nächsten die Grünen. Nein, es geht nicht um Politik, es geht um Gummibären und um Haribo. Das Unternehmen wird in diesem Jahr 100 Jahre alt. „100 Jahre Freude“ lautet der entsprechende Marketing-Leitspruch des Bonner Unternehmens – viel zu lachen hatte das Unternehmen die vergangenen Jahre allerdings nicht.

Statt sich um die Planung der Feierlichkeiten zu kümmern, muss sich Haribo erst einmal mit einem spanischen Start-Up vor Gericht auseinandersetzen. Das Unternehmen Ositos vertreibt derzeit mit Erfolg Gummibärchen, die Alkohol enthalten. Da die spanischen Bären den deutschen Goldbären zum Verwechseln ähnlich sind, fürchtet der Branchenriese um den Ruf seiner Bären.

Der anstehende Rechtsstreit ist symptomatisch für das deutsche Traditionsunternehmen, das sich in den letzten Jahren offensichtlich eher mit derartigen Nebenschauplätzen beschäftigen musste, statt sich auf die eigene Marke zu konzentrieren. Und just in diesem Moment der Schwäche stellt der deutsche Konkurrent Katjes voll auf Angriff.

 Der Haribo-Konkurrent aus Emmerich am Rhein wächst derzeit schneller als der Markt und konnte seit 2006 den Umsatz auf rund 500 Millionen Euro verfünffachen! Der Marktführer Haribo aus Bonn ist mit einem Umsatz von drei Milliarden Euro zwar nach wie vor ungleich größer, vermeldete 2018 aber einen Umsatzrückgang von mehr als zehn Prozent und auch eine um 25 Prozent niedrigere Nachfrage nach seinen Goldbären.

2019 konnte man mit einem Plus von drei Prozent zwar wieder in die Erfolgsspur zurückkehren – was im Vergleich zu den Wachstumsplänen von Katjes allerdings eher bieder wirkt. Alle fünf Jahre soll sich der Umsatz beim Haribo-Herausforderer verdoppeln. Wenn man die Konsequenz, strategische Klarheit und Kontinuität von Katjes betrachtet, scheint das nicht unrealistisch.

Spätestens ab dem Jahr 2003, als Heidi Klum in der Katjes-Werbung die Yoghurt Gums zwischen die Zehennägel klemmte und sich dabei die Fußnägel lackierte, schwang sich Katjes zum ernsthaften Herausforderer des Traditionsunternehmens auf. 2004 stieg der Sohn des Katjes-Gründers Bastian Fassin als Geschäftsführender Gesellschafter ins Unternehmen ein und führt das Unternehmen seitdem zusammen mit dem bereits 1996 installierten Geschäftsführer Tobias Bachmüller.

Ebenfalls wieder ein klarer Gegenentwurf zu Haribo, bei dem Geschäftsführer Hans Guido Riegel, einer der Nachfahren des Gründers Hans Riegel, eher dafür bekannt ist, hochrangige Manager zu verpflichten und sie nach kurzer Zeit auch wieder zu entlassen.

Während das Duo Bachmüller/Fassin Katjes mit strategischem Geschick zur Trendmarke im Süßwaren-Geschäft pimpte und dafür 2019 unter anderem den Deutschen Marketing-Preis einheimste, kämpfte Haribo Ende 2018 mit der Einführung eines neuen Warenwirtschaftssystems. Supermärkte klagten in der Umstellungszeit über ausbleibende Lieferungen.

Bereits 2010 stellte Katjes die Marke konsequent auf Veggie-Produkte ohne tierische Gelatine um und ist seitdem der Liebling der stetig wachsenden Vegetarier-Community. Eines der Unternehmensprinzipien von Katjes lautet anders zu sein: Klimaneutrale Produktion als Ziel, eine Submarke mit veganer Schokolade, dessen Werbung die Lobby der Milchbauern auf die Palme gebracht hat – es bewegt sich was.

 Firmengründer Klaus Fassin und Heidi Klum anläßlich der Eröffnung der erweiterten Werkshalle in Emmerich am 20. September 2003.

Firmengründer Klaus Fassin und Heidi Klum anläßlich der Eröffnung der erweiterten Werkshalle in Emmerich am 20. September 2003.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Während Katjes sinnbildlich für ein Unternehmen der Neuzeit steht, ist Haribo eher der Vertreter der Vergangenheit. Das liegt weniger daran, dass die Marke noch immer mit Thomas Gottschalk in Verbindung gebracht wird, als an unnötig wirkenden Gerichtsprozessen, strategischen Zick-Zack-Kursen und der Ausrichtung der Marke. In den vergangenen Monaten gab das Unternehmen zu, durch den erhöhten Fokus auf zuckerreduzierte Produkte auf das falsche Pferd gesetzt zu haben. Man wolle wieder ganz klar ein Zuckerprodukt sein und auch weiterhin auf tierische Gelatine setzen. Die globale Fan-Community wird das begrüßen. Doch ob eine solche Positionierung langfristig erfolgreich sein kann, bleibt indes abzuwarten.

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