Psychische Erkrankung IG Metall fordert Anerkennung von Burn-out als Berufskrankheit

Frankfurt · 82.000 Beschäftigte haben angezeigt, dass die Arbeit sie krank gemacht habe. Weniger als 5000 bekamen laut Gewerkschaft eine Rente. Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban sieht darin einen Skandal.

Burn-Out: IG Metall fordert Anerkennung als Berufskrankheit
Foto: Thinkstock/OtmarW

Die IG Metall hat sich kritisch zur fehlenden Anerkennung von Burn-out-Fällen als Berufskrankheit geäußert. Hans-Jürgen Urban, der im Vorstand der Gewerkschaft zuständig für Sozialpolitik ist, sagte unserer Redaktion: „Wir brauchen eine ernsthafte Debatte über psychische Erkrankung auch im Zusammenhang mit Berufskrankheiten.“ Burn-out sei weit verbreitet, gelte aber in Deutschland immer noch nicht als eigenständige Diagnose. „Selbst die WHO hat Burn-out als arbeitsweltspezifische Erkrankung anerkannt. Warum tun wir uns also so schwer damit?“

Am kommenden Donnerstag befasst sich der Bundestag in erster Lesung mit dem Berufskrankheitenrecht. Die darin enthaltenen Verbesserungen gehen der IG Metall jedoch nicht weit genug: „Die angestrebte Aktualisierung der Liste von Berufskrankheiten ist auf halbem Weg stehengeblieben“, sagt Urban.  Krankheitsbilder aufgrund der Digitalisierung suche man vergeblich auf der Liste. „Dabei wissen wir inzwischen, dass die Arbeit am Bildschirm oder die Verwendung von Datenbrillen erhebliche Belastungen für das Sehvermögen mit sich bringen. Das Verfahren zur Aufnahme neuer Krankheiten muss deshalb beschleunigt werden. Dazu brauchen wir Experten der neuen Arbeitswelt im Sachverständigenrat.“

Urban empfindet die Anpassung der Berufskrankheiten-Liste, in der 80 Diagnosen aufgeführt sind, als zu langsam: „Bislang ist diese Liste sehr starr“, kritisiert nun das IG-Metall-Bundesvorstandsmitglied. „Die Aufnahme neuer Krankheiten erfolgt nur sehr langsam über Verordnungen der Bundesregierung und kann bis zu einem Jahrzehnt dauern.“

Als positiv bewertet er, dass die Fach- und Gewerbeärzte, die bei der Erstellung der Liste helfen, größeren Einfluss bekommensollen. Verbessert werden soll aber auch die Position der Arbeitnehmer: „Die Beweispflicht, dass die Arbeit ursächlich für die Erkrankung ist, liegt bislang beim Beschäftigten“, sagt Urban. Es könne aber sehr schwierig sein, die Arbeitssituation von vor drei Jahrzehnten zu rekonstruieren und darzulegen, dass es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Beruf und Erkrankung gebe. Die Lösung soll ein Expositionskataster sein. „Wir wissen doch, dass bestimmte Berufe Belastungen aufweisen. Diese werden dann in dem Kataster erfasst.“ Die Feststellung über schädigende Einwirkungen bei einer konkreten Tätigkeit werde dadurch mindestens erleichtert. Die Berufsgenossenschaft müsse dann nicht mehr zwingend die konkrete Arbeitssituation der Betroffenen rekonstruieren.

Als Verbesserung wertet Urban einen weitere Punkt: „Bislang wird bei einem Teil der Berufskrankheiten eine Rente erst ab den Zeitpunkt gezahlt, ab dem die Arbeitstätigkeiten unterlassen wurden, die vermutlich ursächlich für die Erkrankung waren.“ Wer aber zur Sicherung seines Lebensunterhalts im selben Job weiterarbeiten müsse, obwohl er ihn krankgemacht habe, gehe leer aus. „Auch dieser sogenannte Unterlassungszwang soll endlich entfallen.“

Was Urban fehlt, ist eine Regelung für Härtefälle: „In einigen Berufen werden die Menschen mehreren Giften ausgesetzt.“ Derzeit sei es noch so, dass die Giftstoffe einzeln betrachtet werden. Eine Einwirkung ergebe eine Erkrankung. „Das berücksichtigt aber nicht, dass auf ein Organ gleich mehrere Gifte wirken können“, so Urban. Für Beschäftigte auf einem solchen Arbeitsplatz solle es deshalb eine Härtefallregelung geben, nach der die einwirkenden Gifte addiert werden. 

Kritik übt Urban an der geringen Zahl anerkannter Renten: „Wir haben über 82.000 Anzeigen von Berufskrankheit. Davon werden knapp 22.000 anerkannt. Eine Rente bekommen aber weniger als 5000.“ Zudem dürfte in vielen Fällen eine Erkrankung auch gar nicht angezeigt werden. „Wir müssen von einer hohen Dunkelziffer ausgehen. Unterm Strich bleibt: Die Anerkennungsquote ist skandalös gering.“

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