Telefonat mit Angela Merkel Erdogan fordert Lastenteilung bei Flüchtlingen

Ankara/Berlin · Der türkische Präsident hat in einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel gefordert, den Druck durch Flüchtlinge gerecht zu verteilen. Der Grüne Cem Özdemir wirft Erdogan „zynische Machtspiele“ vor. Ursula von der Leyen reist mit EU-Vertretern an die Grenze.

 Präsident Recep Tayyip Erdogan während einer Veranstaltung seiner Partei am Montag

Präsident Recep Tayyip Erdogan während einer Veranstaltung seiner Partei am Montag

Foto: dpa/Mustafa Kaya

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine „faire Lastenteilung“ beim Thema Flüchtlinge gefordert. Die Last der Flüchtlinge und die Verantwortung für sie müssten geteilt und internationale Verpflichtungen eingehalten werden, hieß es in der Nacht in einer Mitteilung der türkischen Seite.

Erdogan hatte der EU zuvor offen mit einem neuen Massenandrang von Flüchtlingen gedroht. Seit Erdogan am Samstag verkündet hatte, dass die Türkei die Grenzen zur EU geöffnet habe, haben sich Tausende Migranten auf den Weg zur griechischen Grenze gemacht, wo jetzt etwa 13.000 Menschen bei Kälte auf türkischer Seite ausharren. Griechische Sicherheitskräfte setzten mehrfach Blendgranaten und Tränengas ein, um Menschen zurückzudrängen. Die Türkei hat seit Beginn des Bürgerkriegs im Nachbarland Syrien rund 3,6 Millionen Flüchtlinge aufgenommen.

Erdogan warf griechischen Sicherheitskräften vor, zwei Migranten getötet und einen verletzt zu haben. Dies sagte er nach Angaben der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu nach einem Treffen mit Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow in Ankara. Erdogan warf der EU zudem vor, die Vorgaben aus dem Flüchtlingspakt von 2016 nicht vollständig erfüllt zu haben.

In der Vereinbarung mit der EU hatte die Türkei zugesagt, gegen illegale Migration vorzugehen. Im Gegenzug nimmt die EU regulär Syrer aus der Türkei auf. Ankara erhält finanzielle Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge.

In Deutschland wird unterdessen die Kritik an Erdogans Vorgehen lauter. Der CDU-Innenpolitiker Mathias Middelberg hält angesichts der Situation an der türkisch-griechischen Grenze mehr Kontrollen an der deutschen Grenze für notwendig. „National müssen wir uns auf verstärkte Kontrollen und auch auf Zurückweisungen an den eigenen Grenzen vorbereiten“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Das Vorgehen des türkischen Präsidenten nannte er „vertragsbrüchig und menschlich unverantwortlich“.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) forderte sofortige Unterstützung der EU für Griechenland. Notwendig sei dies für die Grenzsicherung, für den Bau von weiteren Aufnahmelagern und für die Versorgung der Flüchtlinge, sagte er der „Welt“.

Der Deutsche Städtetag wünscht sich schnelle Gespräche zwischen der Türkei und der Europäischen Union. „Der Druck auf die EU-Außengrenze in Griechenland ist groß. Es müssen rasch Lösungen gefunden werden, die menschenwürdig sind“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der „Welt“.

Spitzenvertreter der EU wollen sich an diesem Dienstag ein Bild von der Lage an der griechischen Landgrenze zur Türkei machen. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reist als “Zeichen der Solidarität” mit Griechenland in den Nordosten des Landes. Am Grenzposten Orestiada will sie sich mit EU-Ratschef Charles Michel und dem Präsidenten des Europaparlaments, David Sassoli, ein Bild von der Situation machen.

Der Grünen-Außenpolitiker Cem Özdemir forderte unterdessen stärkeren Druck auf Erdogan. „Ich erwarte von der Bundesregierung, endlich Schluss mit der Besänftigungspolitik gegenüber Ankara zu machen, den Hebel unserer engen wirtschaftlichen Beziehungen zur Türkei einzusetzen und die wirtschaftliche Abhängigkeit der Türkei von Europa zu nutzen, damit Erdogan seine zynischen Machtspiele nicht länger auf dem Rücken der Schwächsten austrägt“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

(juju/dpa)
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