Corona-Talk bei „Maybrit Illner“ „Aufgeregte Debatten können wir als ‚Energieverschwendung‘ einordnen“

Düsseldorf · Bei „Maybrit Illner“ diskutieren Talkgäste darüber, wie gut Deutschland auf das Coronavirus vorbereitet ist. Der Virologe Christian Drosten liest der Runde die Leviten.

 Die Talkrunde bei "Maybrit Illner" am 27.02.2020.

Die Talkrunde bei "Maybrit Illner" am 27.02.2020.

Foto: ZDF

Die neuartige Lungenkrankheit Covid-19 verursacht viel Aufregung. In ihrer Talkshow will Maybrit Illner lieber aufklären. Das wirft die Frage auf, ob das Format dafür geeignet ist.

Die Gäste:

  • Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer
  • Christian Drosten, Institutsdirektor der Virologie an der Charité Berlin
  • Alina Schadwinkel, Wissenschaftsjournalistin bei „Spektrum.de“
  • Johannes Wimmer, Youtuber und Mediziner
  • Carola Reimann (SPD), Gesundheitsministerin Niedersachsen
  • Anke Rüdinger, Apothekerin

Darum ging’s:

Am Donnerstag sollen sich die Gäste bei „Maybrit Illner“ mit dem Thema „Coronavirus ohne Grenzen – wie gut ist Deutschland vorbereitet?“ befassen. Doch einer von ihnen stellt klar: Die Frage ist falsch gestellt.

Der Talkverlauf:

Zum Beginn der Sendung schaltet Moderatorin Maybrit Illner einen Sondergast hinzu: Gesundheitsminister Jens Spahn soll einen Lagebericht abgeben. Spahn sieht angesichts der Covid-19-Fälle eine „neue Phase“. Das Risiko für die Gesellschaft insgesamt sei gestiegen, für den Einzelnen hingegen – „heute jedenfalls“ – gering bis mäßig. Deutschland brauche nun Wachsamkeit und Entschiedenheit, man müsse aber auch einordnen. „Wir müssen die Balance schaffen“, so Spahn mit einem Seitenhieb auf politische Gegner.

Auf die Frage, ob er eine Einschätzung des Robert-Koch-Instituts teile, dass Covid-19 gefährlicher sei als die Grippe, verweist er auf Probleme mit der Datenbasis. Man wisse nicht, wie viele Infektionen es in China wirklich gebe und könne entsprechend schlecht das Verhältnis zwischen Ansteckung und Todesfällen ausrechnen. Eine Gefahr sieht Spahn allerdings: Versorgungsengpässe bei der Schutzausrüstung für medizinisches Personal. Deshalb wolle er Schutzmasken notfalls beschlagnahmen lassen.

Darauf steigt der durch Youtube bekannte Mediziner Johannes Wimmer ein, als Spahn verabschiedet und die Talkrunde eröffnet ist. Beschlagnahmung klingt in seinen Ohren nicht nach guter Vorbereitung. Was so alles versäumt wurde, bleibt in dieser Sendung Wimmers Refrain. „Für eine Abriegelung ganzer Städte ist es schon zu spät“, sagt er etwa oder sorgt sich um die Folgen von Personalmangel in Krankenhäusern, sollten dort mehrere Infizierte gleichzeitig auftauchen.

Da hakt der Präsident der Bundesärztekammer ein. Sicherlich sei das neue Virus ein Anlass, sich mit grundsätzlichen Fragen zu befassen – aber nicht, um Panik zu verbreiten. An diesem Punkt soll der Virologe Christian Drosten abermals ein wissenschaftliches Detail erklären, aber nach wenigen Sätzen schwenkt er auf das Problem um, das ihn am meisten beschäftigt. „Die Diskussion hier ist völlig daneben: ein Suchen nach Problemen, die keine sind.“

Der leicht verdatterten Runde erklärt er, das Virus sei pandemisch und nicht mit der saisonalen Grippe zu vergleichen, und SARS-CoV-2 werde all diese Diskussionen wegwischen, wenn sich das Virus wie eine pandemische Grippe verhält. Eine solche habe Deutschland zuletzt 1957 und 1968 erlebt.

„Es ist vollkommener Unsinn zu fragen, ob Deutschland vorbereitet ist“, sagt Drosten. Zunächst müsse man fragen, worauf Deutschland vorbereitet sein wolle – und das hänge eng damit zusammen, wie lange es dauert, bis „60 bis 70 Prozent der Bevölkerung Erfahrungen mit dem Virus machen“.

Bislang sei die Geschwindigkeit offen. Monate oder Wochen oder zwei Jahre? Der letztgenannte Zeitraum wäre nach Drostes Ansicht kein Problem in Deutschland. Deshalb sieht er es als ein Kernziel, die Ausbreitung zu verlangsamen. Und noch etwas gibt er der Runde und den Zuschauern mit auf den Weg: „Aufgeregte Debatten können wir unter dem Begriff ‚Energieverschwendung‘ einordnen.“

Das nutzt aber nichts. Kurz darauf darf die Apothekerin Anke Rüdinger erklären, dass es keine Medikamente gegen Covid-19 gibt. Beim Thema „Lieferengpässe“ wendet sie ein, dass diese schon lange ein Problem im Apothekenalltag seien. Und so geht es weiter, von Impfstoffforschung über Quarantäne bis Pflicht- Einreisekontrollen.

Jene hält Drosten für abnehmend wichtig, weil sich eine Ausbreitung der Krankheit immer stärker aufs Inland konzentrieren würde. Erneut verweist er darauf, dass Fragen nach einer „Vorbereitung“ ins Leere zielen. „Eine Pandemie ist eine zeitweise Ausnahmesituation, in der alle zusammenarbeiten und improvisieren müssen“, sagt Drosten.

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