"Wusste nicht, dass sie so viel Schmerz erleiden musste" Salazar-Affäre erreicht Klosterhalfen-Coach Julian

Düsseldorf · Die neuen Vorwürfe um das inzwischen eingestellte Nike Oregon Project erreichen auch Konstanze Klosterhalfens Coach Pete Julian. Die ehemalige Läuferin Mary Cain sprach Julian die Fähigkeit ab, in Zukunft als Trainer zu arbeiten.

 Konstanze Klosterhalfen.

Konstanze Klosterhalfen.

Foto: AP/Nariman El-Mofty

Die Affäre um das Nike Oregon Project und Alberto Salazar hat nun auch Konstanze Klosterhalfens Coach Pete Julian eingeholt. Die ehemalige US-Laufhoffnung Mary Cain, die in der vergangenen Woche ihre Leidenszeit in dem inzwischen eingestellten Elite-Team öffentlich machte und sogar von Selbstmordgedanken berichtete, warf dem ehemaligen Salazar-Assistenten in der Zeitschrift Sports Illustrated mangelnde Unterstützung vor. Daher eigne sich Julian, der bei vielen abfälligen Kommentaren Salazars dabei gewesen sei, aus ihrer Sicht nicht als Trainer.

"Man muss als Trainer eine Führungspersönlichkeit sein. Manchmal bedeutet das, Leuten die Stirn zu bieten, die in einer höheren Position sind als man selbst, und zu sagen: 'Das ist nicht in Ordnung'", sagte Cain: "Wenn man nicht das Rückgrat hat, wenn man nicht die Fähigkeit hat, einzuschreiten, wenn dein Schützling leidet, wie soll man eine Führungspersönlichkeit sein?"

Cain hatte der „New York Times“ von ihrer Zeit im NOP berichtet und ein erschreckendes Bild gezeichnet. Man habe sie mit Mobbingmethoden und entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen aufgefordert, deutlich ihr Gewicht zu reduzieren. Sie entwickelte dadurch das Red-S-Syndrom, das zum Verlust ihrer Periode für drei Jahre und insgesamt fünf Knochenbrüchen führte. Am Ende habe sie über Suizid nachgedacht.

Cains Vorwürfe werden inzwischen von einer ganzen Reihe ehemaliger Teammitglieder sowie Betreuer gestützt. Das Management von Klosterhalfen wollte sich zu der neuen Thematik auf SID-Anfrage nicht äußern. Julian erklärte in Sports Illustrated, es tue ihm leid, was Cain habe durchmachen müssen. Rückblickend, sagte er, wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, würde er versuchen, sich anders zu verhalten und mehr Unterstützung zu geben.

"Ich wusste nicht, dass sie so viel Schmerz erleiden musste", sagte er. Er teile Cains Einstellung, Leuten mit Macht die Stirn zu bieten. Er habe die Anweisungen Salazars abgemildert, auch wenn dies manchmal in direktem Konflikt mit Salazars Ansichten gestanden habe. "Ich denke, Mary spricht einige gute Punkte an, aber ich glaube nicht, dass sie versteht, wie viel ich für sie getan habe, indem ich tatsächlich versucht habe, sie zu beschützen", betonte er weiter. Er habe sich "hinter den Kulissen" für Cain eingesetzt.

Nach dem Ende des NOP hatte Julian erklärt, mit sieben ehemaligen Athleten des Teams weiterarbeiten zu wollen, darunter auch Klosterhalfen. Das NOP war wegen Dopinggerüchten in die Kritik geraten, Salazar wurde am 1. Oktober wegen Verstößen gegen die Anti-Doping-Regeln für vier Jahre gesperrt. Wenig später stellte Nike das Laufteam ein.

Salazar, der Einspruch gegen seine Sperre eingelegt hat, räumte "gefühllose oder unsensible" Kommentare ein. Sollten dadurch Sportler verletzt worden sein, "war ein solcher Effekt völlig unbeabsichtigt, und es tut mir leid", teilte der 61-Jährige mit.

Unterdessen werden die Rufe nach einer unabhängigen Untersuchung lauter. Bisher hat nur Nike eigene Ermittlungen angekündigt. Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Behörde USADA, erklärte, es gebe im Zuge der Doping-Ermittlungen "Berge von Beweisen" für eine vergiftete Kultur im NOP. Jeder, der in einer Position gewesen sei, die Entscheidungen von Athleten in puncto Gesundheit und Wohlbefinden zu beeinflussen, müsse von einer unabhängigen Organisation untersucht werden. Jede Untersuchung, die Nike an dieser Stelle selbst durchführe, so Tygart, sei "Scharade, um die Marke zu beschützen."

(eh/sid)
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