Fragen und Antworten Das steht im Vertrag von Lissabon zur Vergabe der Spitzenposten

Düsseldorf · Die Vergabe um die EU-Spitzenposten scheint nicht gerade transparent für Außenstehende. Wir erklären, wie der Prozess im Vertrag von Lissabon geregelt ist.

 Europafahnen wehen vor dem Gebäude der Europäischen Kommission.

Europafahnen wehen vor dem Gebäude der Europäischen Kommission.

Foto: dpa/Inga Kjer

Der Europäische Rat, der aus den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union besteht, hat sich auf die Besetzung der EU-Spitzenposten geeinigt. Im EU-Parlament macht sich Unmut breit, denn der Rat hat keinen ihrer Spitzenkandidaten vorgeschlagen, mit denen im Europawahlkampf geworben wurde. Statt EVP-Kandidat Kostenpflichtiger Inhalt Manfred Weber oder Frans Timmermans von den Sozialdemokraten soll die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen neue Kommissionspräsidentin werden. Wir erklären, wie die Vergabe abläuft und was im Lissabon-Vertrag steht.

Wie läuft der Prozess um die Vergabe der EU-Spitzenposten ab?

Der Europäische Rat schlägt dem Europäischen Parlament einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten vor. Nach zwei Tagen mit langen Verhandlungen und vielen Einzelgesprächen hat der Europäische Rat sich auf Ursula von der Leyen geeinigt. Für diese Entscheidung war eine doppelte Mehrheit der 28 Ratsmitglieder notwendig. Dazu mussten zum einen 16 der 28 Mitglieder für den Vorschlag stimmen. Zum anderen mussten die Länder dieser Ratsmitglieder zusammen mindestens 65 Prozent der gesamten EU-Bevölkerung darstellen. Bei der Abstimmung hatte sich nur Kanzlerin Angela Merkel enthalten. Grund dafür ist die fehlende Unterstützung des Koalitionspartner SPD für die Kandidatin. Alle anderen Staats- und Regierungschefs stimmten für den Vorschlag.

Jetzt ist das Europäische Parlament am Zug. Mindestens 376 von den 751 Abgeordneten müssen dem Vorschlag des Europäischen Rates zustimmen, eine absolute Mehrheit also. Wenn die nicht zustande kommt, muss der Europäische Rat innerhalb von einem Monat einen neuen Kandidaten vorschlagen.

Was steht im Vertrag von Lissabon?

Mit dem Vertrag von Lissabon, der im Dezember 2009 in Kraft trat, muss der Europäische Rat bei seinem Vorschlag für das Amt des Kommissionschefs die Wahlergebnisse der Europawahl berücksichtigen (Art. 17, Abs. 7). Das wird allerdings unterschiedlich ausgelegt.

Die Europawahl 2014 war die erste, in der die Parteien mit Spitzenkandidaten geworben haben, von denen einer nach der Wahl für das Amt des Kommissionspräsidenten vorgeschlagen wurde. Damals bekam Jean-Claude Juncker den Job. Vorher hatte die europäische Bevölkerung keinen Einblick in den Prozess um die Vergabe dieses Postens. Der Europäische Rat hatte seinen Vorschlag im Hinterzimmer ausgehandelt und das Ergebnis dann im Parlament präsentiert.

Bei der diesjährigen Europawahl war das Europäische Parlament davon ausgegangen, dass der Rat sich für einen der Spitzenkandidaten aus den europäischen Parteienfamilien entscheiden wird. Gegen Manfred Weber von der EVP, Frans Timmermans von den Sozialdemokraten und Margarethe Vestager von den Liberalen gab es aber jeweils Vorbehalte seitens einiger Länder. Das Prinzip des Spitzenkandidaten ist nicht bindend, weil es nicht explizit in den Verträgen geregelt ist.

Welche Posten sind noch zu vergeben?

In den kommenden Monaten werden weitere EU-Spitzenposten vergeben. Der EU-Ratspräsident, der die Treffen der Staats- und Regierungschefs leitet, wird zum 1. Dezember neu besetzt. Derzeit hat den Posten der polnische Politiker Donald Tusk inne. Nachfolger soll der liberale belgische Ministerpräsident Charles Michel werden.

Das EU-Parlament braucht ebenfalls einen neuen Präsidenten. Der Nachfolger oder die Nachfolgerin vom italienischen Politiker Antonio Tajani wird noch um Juli gewählt. Geht es nach dem Europäischen Rat, soll ein Sozialist das Amt für zweieinhalb Jahre werden. In der zweiten Hälfte der Legislaturperiode könnte EVP-Fraktionschef Manfred Weber diesen Posten übernehmen. Die Abstimmung ist am Mittwoch.

Einen EU-Außenbeauftragten gibt es erst seit 2009. Das neue Amt ist im Vertrag von Lissabon verankert. Federica Mogherini ist derzeit die „Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik“, wie das Amt offiziell heißt. Sie wird mit der Verabschiedung der neuen EU-Kommission abgelöst. Im Gespräch ist der spanische Außenminister Josep Borrell.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) braucht einen neuen Chef. Seit 2011 ist Mario Draghi EZB-Präsident und hat die Aufgabe, für die Stabilität des Euro zu sorgen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Für dieses Amt ist die derzeitige Währungsfond-Chefin Christine Lagarde im Gespräch.

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