Kevelaer „Sterben ist etwas Normales“

Kevelaer · Politiker Franz Müntefering war Gastredner beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Hospizdienstes der Caritas in Kevelaer und Geldern. Den musikalischen Teil des Abends übernahm Liedermacher Purple Schulz.

  Der Festredner Franz Müntefering.

Der Festredner Franz Müntefering.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Sterbenden Menschen beistehen in der letzten Phase ihres Lebens, Angehörige unterstützen und entlasten – diesen Aufgaben widmet sich seit genau zehn Jahren der Hospizdienst der Caritas Geldern-Kevelaer. „Zehn Jahre sind noch nicht lang, aber wir möchten allen ehrenamtlichen Helfern einmal „Danke“ sagen“, so Birgit Stienen, die gemeinsam mit Franziska Eickmans den Hospizdienst leitet.

Als Geschenk an die Ehrenamtler hatten sie zwei besondere Gäste zum Festakt ins fast vollbesetzte Konzert- und Bühnenhaus Kevelaer eingeladen: Franz Müntefering, der rund 30 Jahre Abgeordneter des Deutschen Bundestages, unter anderem Vizekanzler im Kabinett Merkel, Fraktionsführer der SPD und Bundesminister für Arbeit und Soziales war. Und Purple Schulz, Musiker, Liedermacher und Sänger.

Beide haben direkten Bezug zur Thematik: Franz Müntefering legte 2007 sämtliche politischen Ämter nieder, um seiner krebskranken Ehefrau Ankepetra in den letzten Monaten ihres Lebens beizustehen. Purple Schulz verarbeitete seine Erfahrungen mit dem Tod seiner Eltern in Liedern und seinem Buch „Sehnsucht bleibt“.

„In einer solidarischen Gesellschaft ist es entscheidend, dass möglichst vielen Menschen, die es brauchen, geholfen wird“, betonte Müntefering in seiner Festrede. Von 950.000 Menschen stürben in Deutschland 30.000 in Hospizen, das sei immer noch zu wenig. Hospizdienste müssten vom Staat ausgebaut werden, damit alle diese Hilfe bekommen. Hierzu sei es erforderlich, den hauptamtlichen und ehrenamtlichen Teil der Hospizarbeit gut miteinander zu verbinden.

In seiner sehr persönlichen Rede berichtete Müntefering zunächst vom Sterben und Tod seiner Mutter im Jahre 1985. Damals habe es noch keine Hospize gegeben, jedoch hätten Frauen der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (KFD) ihr beigestanden. Er selbst habe versucht, in dieser Zeit möglichst oft bei seiner Mutter zu sein. Seine wichtigste Erkenntnis sei gewesen, dass dem sterbenden Menschen Zeit geschenkt werde, damit er zum Beispiel von seinem Leben erzählen kann. „Zeit ist die entscheidende Größe, unsere Gesellschaft nimmt sich immer weniger Zeit“, betonte der Politiker und lobte die Arbeit der Ehrenamtler, die insbesondere diese Leistung erbringen.

Weiter stellte er heraus, dass Sterben ein normaler Teil des Lebens ist. „Ich bin skeptisch gegenüber dem übertriebenen Mitleid an Krankenbetten. Sterben ist etwas Normales, und die meisten Menschen sterben auch normal“, sagte er. Hospizarbeit und Pflegedienst am Menschen gehöre zu dem Kernwert einer Demokratie „Helfen und sich helfen lassen“. Dies sollte staatlich besser organisiert und bezahlt werden.

Er merkte an: „Wenn mehr Männer in Pflegeberufen arbeiten würden, gäbe es für diese Arbeit auch mehr Geld.“ Wichtig sei auch, dass die Ärzte durch die Sterbebegleiter entlastet werden. „Arzte fühlen sich angesichts unheilbarer Krankheiten manchmal hilflos und gescheitert“, sagte er. Er sprach sich deutlich gegen den ärztlich assistierten Suizid aus, betonte die Begriffsunterscheidung Sterbehilfe und Suizidbeihilfe. Sterbehilfe sei der Beistand in der letzten Lebensphase, den alle Menschen bräuchten. Der Tod sei dabei ein normaler Vorgang.

Zu den Festrednern gehörten weiter der stellvertretende Bürgermeister von Kevelaer, Johann-Peter von Ballegooy, und der Vorstand der Caritas Geldern, Karl Döring. Von Ballegooy betonte die gute Zusammenarbeit im Verband der Caritas. Döring nahm Bezug auf das Bibelzitat aus dem Matthäusevangelium „Ich war krank und ihr habt mich besucht“ (Mt. 25,36). Den musikalischen Teil des Gala-Abends übernahm der Sänger, Liedermacher und Musiker Purple Schulz. Besonders mit seinem Titel „Der letzte Koffer“ berührte er die Zuhörer. Abwechselnd las er aus seinem Buch „Sehnsucht bleibt“. Seinen Auftritt vor den Hospizdienstleistenden wertete er besonders. „Ihr seid wie Hebammen, ihr helft dem Menschen dabei, woanders hinzugehen.“

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