Suruç Blutiges Attentat in der Türkei: Rache des IS?

Suruç · An der Grenze zu Syrien explodiert eine Bombe. Die Kurden vermuten die Terrormiliz als Urheber.

Sie kamen aus Istanbul, Izmir und Adana, und sie wollten nach Syrien, um zu helfen. Doch was als Solidaritätsaktion begann, endete in einer Katastrophe: Gestern starben mindestens 30 Menschen - überwiegend Jugendliche - bei einem Anschlag in der türkischen Stadt Suruç an der Grenze zu Syrien. Rund 100 wurden verletzt.

Die Hintergründe waren zunächst unklar. Der Gouverneur sprach von einem Selbstmordangriff, die Regierung allgemein von Terror. Die pro-kurdische Oppositionspartei HDP beschuldigte den "Islamischen Staat" (IS), der in Syrien und im Irak riesige Gebiete beherrscht.

Mit dem Amara-Kulturzentrum haben sich der oder die Täter einen Ort ausgesucht, der vor allem für Solidarität steht. Das Zentrum wird von der kurdischen Stadtverwaltung betrieben; im Garten trinken die Anwohner Tee. Im vergangenen September war das Zentrum Anlaufstelle für Tausende Flüchtlinge, die in Massen vor den Kämpfen im nahe gelegenen syrischen Kobane nach Suruç geflohen waren. Sie erhielten im Garten erste Versorgung, Essen und Unterkunft.

Auch die rund 300 Jugendlichen und Opfer des Attentats kamen im Kulturzentrum unter. Sie waren Anhänger der sozialistischen Organisation SGDF und wollten nach Kobane reisen, um die Stadt wiederaufzubauen. Nach der Belagerung durch den IS war Kobane fast vollständig zerstört worden. Die SGDF hegt Sympathien für die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG), die in Syrien gegen den IS kämpfen. Auch das nährt Spekulationen vor allem in der kurdischen Bevölkerung, dass der Anschlag ein Racheakt der Terrormiliz sein könnte.

Obwohl Ankara sich immer wieder vom IS distanziert hatte, herrscht großes Misstrauen. Die Kurden fühlen sich alleingelassen, weil die Türkei nicht eingriff, als Kobane vom IS belagert wurde. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ging gar davon aus, die Stadt werde fallen, und verärgerte so die Kurden. Ihr Vorwurf: Eine Terrormiliz an der Grenze sei der Türkei lieber als ein kurdisches Autonomiegebiet.

Die kurdische YPG kontrolliert Hunderte Kilometer entlang der Grenze zur Türkei. Sie ist eng mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden. Ankara befürchtet daher, dass die Kurden in Syrien einen eigenen Staat ausrufen und damit auch die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden im eigenen Land anheizen könnten.

Erst vor wenigen Wochen hatte Erdogan erneut klargemacht, dass die Türkei keinen Kurdenstaat im Norden Syriens dulden werde. Zuletzt verstärkte die Türkei die militärische Präsenz an der Grenze; Medien spekulierten über einen Einmarsch der Türkei in Syrien.

(dpa)
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