Düsseldorf Bunt und fröhlich: Memphis im Doppelpack

Düsseldorf · Karl Lagerfeld liebte den Design-Stil von Memphis. Das Kai 10 beleuchtet das Thema, indem es künstlerische Positionen dazu stellt.

 Zu den Exponaten der neuen Ausstellung im Kai 10 gehören unter anderem Alessandro Mendinis "Poltrona di Proust" (l.) sowie "Crossover" von Barbara Kasten - beides im Memphis-Stil.

Zu den Exponaten der neuen Ausstellung im Kai 10 gehören unter anderem Alessandro Mendinis "Poltrona di Proust" (l.) sowie "Crossover" von Barbara Kasten - beides im Memphis-Stil.

Foto: Horst Kolberg, Achim Kukulies

David Bowie war Fan von Memphis. Als kürzlich rund 100 Designstücke aus der Sammlung des Popstars bei "Sotheby's" unter den Hammer kamen, war die Kunstwelt überrascht über den sensationellen Erlös von mehr als 1,4 Millionen Dollar. Offensichtlich war das kunterbunte, fröhliche Design bei vielen gar nicht mehr präsent gewesen, nur etwas für Insider. Und die schlugen zu. Auch Modeschöpfer Karl Lagerfeld war vernarrt in die schrägen, bunten Möbel und etwas verrückten Objekte der italienischen Designgruppe. Sein Penthouse in Monaco hielt er einst komplett möbliert in diesem Stil, bis er die Lust daran verlor und schon 1991 alles in die Auktion gab.

So überlebt Memphis fast nur in den Designmuseen der Welt, oder es wird wie ein Schatz gehütet bei Sammlern wie dem Ehepaar Berger aus Düsseldorf. Die jüngere Generation weiß mit dem Begriff und dem Formenvokabular von Memphis nicht mehr viel anzufangen. Einige kennen immerhin den charakteristischen Wasserkessel mit Vögelchen oder die Pfeffermühle mit Flügeln - beides Klassiker von Alessi, die im weitesten Sinne dem entspringen, was von Mailand aus zu Beginn der Achtzigerjahre als Memphis-Style seinen Siegeszug antrat.

Einige Schlüsselwerke kann man nun im Kai 10 anschauen, wo Kuratorin Julia Höner dem Phänomen zweigleisig nachspürt, indem sie einmal Originalobjekte zeigt und zum anderen "ein bisschen etwas Grundsätzliches von Memphis" in Kunstwerken, Malerei, Plastik und Fotografie entdeckt und nach Düsseldorf geholt hat. Der postmoderne Zeitgeist war dabei entscheidend, eine monströse Farbigkeit bis hinein ins Psychedelische, die glatte Oberflächenbearbeitung und eine oft naive Konstruktion, die an typisches Kinderzimmer-Inventar denken lässt.

Bunt und fröhlich fällt die Ausstellung aus, weniger hintergründig als vordergründig den Augensinn beschäftigend. Im großen Raum zur Rheinseite hin ist auf einem Podium Prachtmobiliar aufgebaut: Ettore Sottsas schon legendäres Regal "Carlton", seltene Lampen in kuriosen Formen, ein Schminktisch und der das Altmeisterliche karikierende Sessel "Poltrona di Proust". Alessandro Mendini erfand das pointillistisch bemalte Möbelstück in Verehrung für den Schriftsteller Marcel Proust; es war sein Meisterstück.

Viele Leihgaben sind weit gereist; einige kommen auch aus Düsseldorf, aus dem Museum Kunstpalast und der Sammlung von Familie Berger, wie die zur Skyline arrangierten weißen Vasen von Matteo Thun.

Der Übergang von der Designabteilung zur Galerie ist fließend: Warum gerade der ein oder andere Künstler in diesem Kontext erscheint, entspringt einer ausgeklügelten Programmatik. "Die Ausstellung beleuchtet die Rolle von Memphis als referenzgebundenes, postmodernes Spiel mit Material, Form und Funktion", sagt Kuratorin Höner. Spuren dieser Haltung fänden sich nicht zufällig in der bildenden Kunst jener Zeit. Die Ausstellung "Less is a bore" ist also auch eine Stilgeschichte, die in ausgewählten Positionen von einer Zeit berichtet, die wir heute überwunden haben.

Kantige Objekte von Graham Little flankieren das möbelbepackte Podest; mit einer illusionistisch gemalten Haut hat der Brite seine Arbeiten überzogen. Ähnlich sinnfrei hat Eva Berendes, die Jüngste in der Künstlerschar, Skulpturen ausgestattet, die ihr Vorbild im öffentlichen Raum suchen, jedoch heiter umgedeutet werden. Als Maler zeigt der wenig bekannte Valkenburger Raymond Barion ungewöhnliche Perspektiven in leuchtenden Acryltönen. Merkwürdige Maschinen und Architektur verschmelzen in einer hohen Absurdität auf der Leinwand. Ähnlich präzise gemalt sind die Tafeln wie bei Konrad Klapheck.

Tobias Rehberger hat seine Entwürfe wie Möbel ausgestaltet, und ein ganzes Wohnmodul so weit entfremdet, dass es seine Funktionalität vollends verliert. Nur für die Show - das passt zu Memphis. Über allem schwebt Kunst von Barbara Kasten, geometrisch betonte Polaroid-Fotografie und eine Videoarbeit, die Plexiglas mit grell leuchtenden Farbkanten zum Tanzen bringt. Kasten baut aus abstrakten Formen ein Setting zusammen, das sie einfärbt und fotografiert. Malerei und Fotografie blasen sich auf zum Raum, dass die Farbe nur so kracht. Ein waschechter Memphis-Gruß.

(RP)
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