Essen Lit.Cologne-Ableger startet erfolgreich im Pott

Essen · Iris Berben und Wladimir Kaminer begeisterten in der Essener Philharmonie beim neuen Literaturfest.

 Wladimir Kaminer.

Wladimir Kaminer.

Foto: dpa, mks lre ink

Wer noch Zweifel hatte, ob es dem Team der Lit.Cologne gelingen würde, ihr Erfolgskonzept mit dem neuen Festival Lit.Ruhr eins zu eins ins Ruhrgebiet zu übertragen, konnte sie bei der Eröffnungsgala in Essen getrost beiseite legen. Mit bekannten Namen und einem populären Thema, das Dramaturgin Traudl Bünger in leicht zu konsumierende Häppchen aufbereitet hatte, sorgten die Veranstalter für eine fast ausverkaufte Philharmonie - die leeren Plätze waren wohl vor allem verhinderten geladenen Gästen der Sponsoren geschuldet. Dass die Literatur dabei nicht zu kurz kam, lag vor allem am Vortragsgenie von Iris Berben und Christoph Maria Herbst.

"Bis dass der Tod uns scheidet" lautete das Thema des Abends, der literarisch auslotete, wie es sich mit der Ehe lebt. Selten ist es so einfach wie in Mikael Niemis Bestseller aus dem vergangenen Jahrzehnt, "Populärmusik aus Vittula": Der einsame Protagonist braucht sich darin bloß einen Volvo anzuschaffen und die Ehefrau kommt wie von selbst. Eventuell folgende Probleme können leicht mit Alkohol betäubt werden.

Der Schauspieler und Synchronsprecher Christoph Maria Herbst bewies sein Vortragstalent, las den Text auf seine zahlreichen Pointen hin und wenn man die bösen, schwarzhumorigen Spitzen der brillant gebauten Dialoge aus Yasmina Rezas "Glücklich die Glücklichen" mitzählt, waren die komischen Texte klar in der Überzahl. Auch zwei literarische Gäste sorgten für Lacher: die frisch mit dem Förderpreis der Stadt Kassel für komische Literatur ausgezeichnete Kirsten Fuchs mit einer Art Kriegsheimkehrer-Slapstick auf gehobenem Poetry-Slam-Niveau und Wladimir Kaminer mit dem seit 17 Jahren bewährten Erfolgsrezept aus in Buch gegossener Stand-Up-Comedy mit russischem Akzent.

Wirklich überraschend war dagegen, dass Berben und Herbst aus einem Ehe-Dialog aus Loriots mittlerweile doch leicht angestaubten "Dramatischen Werken" noch Funken schlagen konnten.

In der zweiten Hälfte des von Bettina Böttingers Moderationen und Max Mutzkes deutschsprachigen Soul-Pop-Nummern unterbrochenen Programms wagten sich die Vortragenden auch vermehrt an ernste Texte wie André Gorz' rührenden Liebesbrief an seine 82-jährige Frau - verfasst kurz bevor beide gemeinsam und selbst bestimmt aus dem Leben schieden. Auch der Tod konnte sie nicht scheiden.

Rund 1800 Menschen spendeten Standing Ovations für ein, ja, Literatur-Programm. Das muss der Lit.Ruhr, die bis 8. Oktober in 82 Veranstaltungen Literatur-Stars wie Zadie Smith, Martin Suter oder Nick Hornby an Orte zwischen Dortmund und Essen bringt, erstmal jemand nachmachen.

Im Vorfeld hatte es Kritik am Festival gegeben, dass mit 300.000 Euro Stiftungsgeldern ein Gesamtbudget von einer halben Million Euro verzeichnen kann, und sich erst nach Vorantreiben des Konzepts das Gespräch mit regionalen Partnern gesucht hatte.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Flieg, Mausi, flieg
Wladimir Kaminer singt und schreibt gegen das Virus an Flieg, Mausi, flieg
Aus dem Ressort