Neue Turn-Weltmeisterin Pauline Schäfer rührt Trainerin zu Tränen

Hamburg/Montreal · Zehn Jahre nach dem WM-Triumph von Fabian Hambüchen am Reck kürte sich Pauline Schäfer am Schwebebalken zur ersten deutschen Kunstturn-Weltmeisterin seit 30 Jahren. In der Stunde des Triumphes konnte die Chemnitzerin ihr Glück kaum in Worte fassen.

Pauline Schäfer: Saarländerin, Turnerin, Ex-Stabhochspringerin
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Das ist Pauline Schäfer

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Foto: ap, GAC, ryr/GAC

Nach vielen Küsschen, unzähligen Umarmungen und einer kurzen Party in einer Disco in der Altstadt von Montreal fehlten Überraschungs-Weltmeisterin Pauline Schäfer endgültig die Worte. "Was rede ich hier bloß zusammen", fasste die neue Balken-Queen ihre verbale Erschöpfung zusammen und wurde zur stillen Genießerin.

Dafür war das Umfeld der Goldmedaillengewinnerin am Schwebebalken noch Stunden nach dem Triumph der Chemnitzerin geflasht. "Besser kann es ja eigentlich nicht werden, normalerweise müsste ich zurücktreten", witzelte Cheftrainerin Ulla Koch noch vollständig euphorisiert.

Zehn Jahre nach WM-Gold für Reck-Olympiasieger Fabian Hambüchen und 30 Jahre nach der letzten deutschen Weltmeisterin Dörte Thümmler (Stufenbarren) ging die Sportsoldatin nicht mit der schwierigsten, aber exaktesten Balkenübung des Tages in die deutsche Turngeschichte ein. Mit der Startnummer eins setzte Schäfer eine Hausnummer, dann musste sie warten - bis zum glücklichen Ende.

Im 6000 Kilometer entfernten Chemnitz zitterte Heimtrainerin Gabi Frehse mit, im Auto per Livestream auf der Rückreise von einem Wettkampf. Das tränenreiche Telefonat mit ihrem Schützling fasste Frehse so zusammen: "Pauline hat mir gesagt, ich soll nicht soviel heulen. Aber ihr Sieg ist einfach unglaublich, und wir können es alle noch gar nicht fassen."

Schäfer-Salto bringt den Sieg

Der Anteil der resoluten Betreuerin am Triumph der 20-Jährigen ist nicht zu unterschätzen. Frehse bestärkte Schäfer bei der Erfindung eines Seitwärtssaltos mit halber Schraube, der mittlerweile deren Namen trägt. Und die entscheidenden Zehntel zum Sieg vor Mehrkampf-Weltmeisterin Morgan Hurd aus den USA und der Ludwigsburgerin Tabea Alt einbrachte.

Schäfer nutzte daher gern die Gunst der Stunde, um für eine regelmäßigere Anwesenheit ihrer Trainerin bei den Großereignissen zu werben: "Dass Gabi nicht dabei war, haben wir zwar gemeinsam entschieden, es soll aber nicht zur Regel werden."

Schon bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio hatte die Athletin auf Frehse verzichten müssen. Auch diesmal erhielt der Stuttgarter Coach Robert Mai bei der Akkreditierung den Vorzug, weil er drei seiner Schützlinge zur WM gebracht hatte.

Dass Titelverteidigerin Simone Biles aus den USA fehlte und die niederländische Olympiasiegerin Sanne Wevers in der Qualifikation scheiterte, konnte den Erfolg von Schäfer nicht schmälern. Schließlich hatten heftige Rückenschmerzen ihre WM-Vorbereitungen behindert, auch im Abschlusstraining lief es nicht nach Wunsch.

An einen Urlaub mit ihrem Freund Andreas Bretschneider ist vorerst nicht zu denken, bis zum Jahresende ist der Terminkalender randvoll. Und das kleine Schwesterchen Helene will ja unbedingt die Goldmedaille in Bagel-Form sehen und anfassen - als Motivationshilfe. Die 16-Jährige wurde im vergangenen Jahr deutsche Jugend-Meisterin und gilt ebenfalls als herausragendes Talent. Ganz besonders - wen wundert's - am Schwebebalken.

(sid)
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