Dormagen Bayer will im Duisberg-Streit neutral sein

Dormagen · Im September will Kreisarchivleiter Stephen Schröder seine Beurteilung der umstrittenen Straßenbenennungen zu Carl Duisberg und Hindenburg vorlegen. Die Bayer AG verweist bei Duisberg, einem ihrer Gründer, auf aktuelle Forschungen.

Dormagen: Bayer will im Duisberg-Streit neutral sein
Foto: "Tinter, Anja (ati)"

Es ist eine anspruchsvolle und aufwendige Aufgabe, mit der sich Kreisarchivleiter Stephen Schröder in diesen Sommerwochen auf Bitten von Stadt und Politik in Dormagen beschäftigt - und sie soll erst der Auftakt sein zu weiteren Nachforschungen.

Dabei geht es um die Überprüfung von Straßennamen in der Stadt, die an historische Persönlichkeiten oder geschichtliche Ereignisse erinnern. Schröder soll zunächst klären, ob es heute noch vertretbar ist, den umstrittenen Chemiker und Industriellen Carl Duisberg sowie Paul von Hindenburg, der Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler machte, auf Straßenschildern zu würdigen. Danach sollen weitere Benennungen beleuchtet werden.

Eine Heidenarbeit, wie Schröder bestätigt. "Denn um zu einem fundierten Urteil zu kommen, muss man das Thema sehr differenziert betrachten. Man muss zum Beispiel auch die jeweilige Zeit sehen, in der die Persönlichkeiten gelebt haben." Zudem gebe es viel Verstecktes, das ergründet und eingeordnet werden müsse.

 Die nach dem Chemiker und Industriellen Carl Duisberg benannte Straße liegt in Dormagen-Mitte.

Die nach dem Chemiker und Industriellen Carl Duisberg benannte Straße liegt in Dormagen-Mitte.

Foto: ATI, ARCHIV

Eine abschließende Einschätzung ist oft undankbar und schwierig, wie der Fachmann verdeutlicht. Carl Duisberg etwa, der vor allem von der "Coordination gegen Bayer-Gefahren" (CBG), in Dormagen, aber auch von den Grünen und der Fraktion Piraten/Linke kritisch betrachtet wird, habe zweifellos viele Verdienste. Zu klären sei aber beispielsweise sein Verhältnis zur Produktion und zum Einsatz von Giftgas. Schröder will sich auf den neuesten Stand der Forschung stützen, darauf, "wie die Geschichtswissenschaft heute über Personen und Zusammenhänge denkt". Weil die Materialbeschaffung mitunter schwierig sei, hält der Kreisarchivar unter anderem Kontakt zu Universitätsbibliotheken.

Auch die Bayer AG stütze sich bei der Einschätzung ihres Gründungsvaters und ehemaligen Generaldirektors Duisberg auf die aktuellen Erkenntnisse namhafter Historiker, berichtet deren Sprecher Dirk Frenzel. "Wir betrachten uns in den Verfahren zu den Benennungen nach Carl Duisberg nicht als Partei", betont er.

Stattdessen sehe er sich als Vermittler, der Politikern, Verwaltungsleuten oder anderen Interessierten Informationen auf dem Stand der Forschung zugänglich mache. Tief im Thema seien etwa der an der Uni Frankfurt lehrende Professor Werner Plumpe sowie Kordula Kühlem, die sich intensiv mit Briefen Duisbergs auseinandergesetzt hat. "Ich verfolge die Forschungen mit großem Interesse", sagt Frenzel.

Das dürfte auch für die Verantwortlichen bei der Stadt Dormagen gelten. Die weitaus meisten Straßennamen in Dormagen sind indes unverdächtig. Und wenn sie sich auf Menschen beziehen, dann eher auf unverdächtige und verdienstvolle Persönlichkeiten aus der Ortsgeschichte wie zum Beispiel auf Franz Gerstner, von 1952 bis 1964 als Bürgermeister im Amt. Der Vorschlag, ihm eine Straße zu widmen, sei sogar aus der Bevölkerung gekommen, informiert Manfred Zingsheim aus dem städtischen Bereich Bauverwaltung, Liegenschaften und Umweltschutz.

(NGZ)
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