Bundestagswahl 2017 Wahlkämpfer setzen auf das Internet

Berlin · Mit dicken Budgets für Werbung im Netz ziehen die Parteien in den Wahlkampf. Die klassische Wahlwerbung bleibt dennoch erhalten.

Bundestagswahl 2017: Werbung im Internet und klassische Wahlplakate
Foto: Parteien

Bei den Parteien laufen die letzten Vorbereitungen für die heiße Phase des Wahlkampfs. Während die CDU 20 Millionen Euro für Plakate und Co. ausgeben kann, muss sich die FDP auf fünf Millionen Euro beschränken. Stefan Schmidt von der Berliner Werbeagentur Dieckert-Schmidt bezeichnet die Strategien des Jahres 2017 als durchaus klassisch. Aus seiner Sicht sticht bisher allein die FDP kreativ hervor. "Sie lässt Plattitüden weg und bringt mit klaren Worten und Witz ihre Ideen rüber", sagt Schmidt. Die bisherige Kampagne der CDU nennt der Werber dagegen ein "Trauerspiel": "Es sind Plakate ohne Botschaft." Aus seiner Erfahrung weiß er, dass "starke Marken immer einen klaren Standpunkt brauchen". Union und SPD versuchten, "alle irgendwie glücklich zu machen". Damit könnte man auch Wähler verprellen.

CDU Im Vergleich zu dem viel kritisierten Wahlkampf 2013 hat die CDU in diesem Jahr mehr Inhalte angekündigt. Viele CDU-Strategen gehen davon aus, dass sich der Wahlkampf an den Themen innere und äußere Sicherheit entscheidet. Nach den Erfolgen bei den Landtagswahlen setzt die CDU wieder auf den Haustürwahlkampf. Eine sechsstellige Zahl an Wahlberechtigten kann sich auf Besuche von Generalsekretär Peter Tauber und seinen Helfern einstellen. Mit einer eigenen Software ermittelt die Partei, wo sich die Besuche lohnen. Engagiert haben die Christdemokraten die Werbeagentur Jung von Matt, die den Wahlkampf auch mit mutigen Ideen befeuern soll. So verpackten die Werber den braven 80er-Jahre-Wahl-Spruch "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben" in das Schlagwort (Hashtag) "Fedidwgugl". Der Hashtag erreichte durchaus viele - allerdings wegen des Spotts, den er bekam. Die Plakate, auf denen die Farben Schwarz-Rot-Gold kreuz und quer laufen, bekommen eher Zuspruch.

CSU Volksnähe und Folklore gehören traditionell zu CSU-Wahlkämpfen. Weiß auf blauem Grund fordern die Christsozialen, was die CDU nicht mitmacht: eine Obergrenze für Flüchtlinge, Volksentscheide und eine höhere Mütterrente. Die Münchner Werbeagentur Saint Elmo's, die auch für BMW und den Versicherungskonzern Generali wirbt, trimmt die Partei auf eine kurze und klare Sprache. Schon vor vier Jahren lag das Wahlkampfbudget der CSU nach unbestätigten Angaben bei 9,5 Millionen Euro. Aktuell macht die CSU dazu keine Angaben. Auch die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin soll den CSU-Wahlkampf befeuern. Bei rund 50 geplanten Wahlkampfauftritten bundesweit ist sie neunmal in Bayern gebucht.

SPD Schon im vergangenen Herbst traf die SPD die Entscheidung, die Werbeagentur KNSK für ihren Bundestagswahlkampf zu engagieren. Zufall? Die Werber, die auch für Evonik und den BVB die Trommel rühren, hatten bereits den Europa-Wahlkampf von Martin Schulz begleitet. Man kennt sich also. Mit Tobias Nehren haben die Sozialdemokraten einen eigenen Kopf für die Digitalkampagne, die auch aktuelle Trends im Netz aufgreifen und zum Vorteil der SPD wenden soll. Vom Typ her beherrscht Kanzlerkandidat Schulz aber besonders den klassischen Wahlkampf: Marktplätze. Ab Mitte August bis zur Bundestagswahl werde es Kundgebungen überall in der Republik geben, heißt es im Willy-Brandt-Haus. Die Sozialdemokraten setzen insbesondere auch auf große TV-Auftritte. Dass es nur ein Kanzlerduell am 3. September gibt, bedauern sie. Ähnlich wie bei der CDU plant auch die SPD Haustürwahlkampf in großem Stil. Eine eigene Tür-zu-Tür-App verrät den Wahlkämpfern, wo sie klingeln sollten. Zu ihrem Wahlkampfbudget macht die SPD auf Anfrage keine Angaben. 2013 wurde es auf 23 Millionen Euro beziffert.

Grüne "Umwelt ist nicht alles. Aber ohne Umwelt ist alles nichts": so lautet der zentrale Wahlkampf-Slogan der Grünen. Die Öko-Partei kehrt zurück zu ihren Wurzeln und stellt anders als 2013, als Gerechtigkeits- und Steuerfragen dominierten, ihre ureigenen Themen in den Mittelpunkt. Die Kampagne entwickelt hat eine Gruppe von erfahrenen Werbern, die sich nur für diesen Grünen-Wahlkampf zu der Agentur "Ziemlich beste Antworten" zusammengeschlossen haben. "Größtmögliche Sichtbarkeit" wollen die Grünen erreichen, wie Bundesgeschäftsführer Michael Kellner erklärt. Im Vergleich zu 2013 verdreifachen die Grünen die Zahl der großflächigen Plakate auf gut 5000. Im Schlussspurt würden die Grünen besonders stark in den digitalen Wahlkampf einsteigen. Das Budget liegt bei 5,5 Millionen Euro.

Die Linke Wahlkampfleiter Matthias Höhn setzt in diesem Bundestagswahlkampf auf eine Kampagne, die "frisch" sein soll, etwas "Neues, was Sie von der Linken so vielleicht nicht gewohnt sind". Gemeinsam mit der Leitagentur DiG Trialon hat Höhn in den vergangenen Monaten einen Wahlkampf geplant, mit dem die Linke hofft, Platz drei im deutschen Parteiensystem zu verteidigen. Mit 6,5 Millionen Euro Wahlkampfetat, davon 450.000 Euro für den Online-Wahlkampf, wirbt die Linke auf bundesweit insgesamt 400.000 Plakaten für ihre Themen: Kinderarmut, gute Löhne, Frieden, Renten, Pflege und Gesundheit, bezahlbare Mieten, gegen Hetze von rechts sowie für eine Millionärssteuer. "Keine Lust auf Weiterso - Die Linke", heißt es auf dem ersten Großplakat.

FDP Die Liberalen rücken ihren Vorsitzenden Christian Lindner ins Zentrum des Wahlkampfs. Damit hatten sie schon in NRW Erfolg. Aktuell sorgt Lindner mit Spots im Netz für Aufmerksamkeit, in denen er sich mit dem Online-Lautsprecher Alexa unterhält. Lindner versucht vergeblich, das digitale Spracherkennungssystem deutsche Gesetze erklären zu lassen. Das sorgt für obskure Dialoge - und eine Menge Klicks. Für die Liberalen arbeitet die Werbeagentur Heimat. Die Plakate sorgen ebenfalls für Aufsehen: "Denken wir neu" steht darauf, im Hintergrund klein gedruckt das gesamte Programm der FDP. Die Partei präsentiert sich smart als digitale Avantgarde, Lindner mit Dreitagebart und weißem Hemd meist ohne Krawatte.

Bundestagswahl 2017: Werbung im Internet und klassische Wahlplakate
Foto: Parteien

AfD Nach einer Auseinandersetzung im Bundesvorstand zieht die AfD mit unterschiedlichen Plakatreihen in den Wahlkampf. Die Kampagne unter der Überschrift "Trau dich, Deutschland!" war bei Spitzenkandidatin Alice Weidel auf Kritik gestoßen, weil sie als zu hart empfunden wurde. Die Plakate, die nun favorisiert werden, zeigen etwa eine Familie im Sonnenuntergang am Strand mit dem Spruch "Traditionell? Uns gefällt's." Für Polarisierung sorgt erneut AfD-Chefin Frauke Petry, die sich auf Plakaten mit ihrem zwei Monate alten Baby zeigt.

(rl/hom/mar/qua)
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