Persönlich Radovan Karadzic . . . büßt 40 Jahre für Völkermord

Im Moment der Urteilsverkündung wirkte es so, als sei Radovan Karadzic (70) taub oder als funktionierten seine Kopfhörer nicht. Still und ohne Regung stand er im Gerichtssaal 1 des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, als Richter O-Gon Kwon das Wort an ihn richtete. 40 Jahre Haft für die systematischen Verbrechen während der Jugoslawienkriege - so lautete der Richterspruch. Als damaliger Präsident des serbischen Landesteils in Bosnien, der Republika Srpska, sei Karadzic schuldig des Mordes, der Deportation und der Verfolgung von Minderheiten. Und: Er sei mitschuldig am Völkermord von Srebrenica 1995.

Karadzic sitzt seit 2008 in Haft. Bereits 1996 war ein internationaler Haftbefehl gegen ihn ergangen, doch der studierte Psychiater und selbst ernannte Dichter tauchte unter. Zwölf Jahre lang lebte er zeitweise in Serbiens Hauptstadt Belgrad als "Dragan David Dabic", vermutlich gedeckt vom serbischen Geheimdienst. Er praktizierte als Wunderheiler mit Vollbart und schlohweißem Haar, das zu einem Knoten zusammengebunden war. Doch 2008 rang sich Serbien, das die Annäherung an Europa sucht, dazu durch, ihn festnehmen zu lassen.

Das nun verhängte Urteil stößt im ehemaligen Jugoslawien auf geteilte Meinungen. Viele feiern es als späte Gerechtigkeit, aber vor allem Bosnier hatten sich eine lebenslängliche Strafe erhofft. Und dann gibt es auch jene, die dieses Urteil für eine Farce halten. Es sind jene, die glauben, Karadzic sei ein großer Demokrat. Auch er selbst hat eine hohe Meinung von sich - noch gestern ließ sich Karadzic mit der Aussage zitieren, er sei ein Kämpfer gegen den Terror: "Weder die EU noch die internationale Gemeinschaft haben nach Paris und Brüssel begriffen, mit wem es die bosnischen Serben in den 90er Jahren zu tun hatten." Seit Montag heißt übrigens in Pale bei Sarajewo ein neues Studentenwohnheim nach Karadzic. Seit Donnerstag ist es ein Synonym für einen verurteilten Völkermörder.

Philipp Jacobs

(RP)
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