Kleve Angeklagte im Mordprozess schweigen

Kleve · Auftakt der Verhandlung um einen 43-Jährigen, der im März durch 44 Messerstiche im Lidl-Supermarkt getötet wurde. Verteidigung scheitert bei dem Versuch, die Kammer für befangen erklären zu lassen. Gericht schwer bewacht.

 Die Rechtsanwälte Leonhard Mühlenfeld, Necdal Disli und Stefan Tierel (von links) mit ihren Mandanten, die ihre Gesichter beim Betreten hinter Briefumschlägen verbargen.

Die Rechtsanwälte Leonhard Mühlenfeld, Necdal Disli und Stefan Tierel (von links) mit ihren Mandanten, die ihre Gesichter beim Betreten hinter Briefumschlägen verbargen.

Foto: Gottfried Evers

Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hat am Landgericht Kleve der Prozess um den Mord an einem 43-Jährigen begonnen, der im März dieses Jahres im Lidl-Supermarkt in Materborn niedergestochen wurde.

Als Hintergrund der Tat wird ein lange schwelender Streit zweier kurdischer Familien vermutet. Die Behörden befürchten deshalb auch im Umfeld des Prozesses Übergriffe beider Familien. Polizisten und Justizbeamte waren am Montag im Einsatz, um die Konfliktparteien voneinander zu trennen, Angeklagte und Zuschauer zu schützen. Da beide Familien jesidischer Religionsangehörigkeit sind, sei Blutrache als Motiv vorstellbar, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Der Prozess erregt in der Öffentlichkeit großes Interesse: Neben Medienvertretern waren zahlreiche Besucher gekommen, um den ersten Prozesstag zu verfolgen.

Die beiden tatverdächtigen Brüder Brüder Adil (31) und Mekin (22) O. kamen mit verdeckten Gesichtern in den Gerichtssaal, wechselten lediglich mit ihren Rechtsanwälten einige Sätze. Zur Tat selbst machten sie keine Angaben. Ein Angeklagter soll sich aber bereits in den Vernehmungen geäußert haben. Mit gesenktem Blick verfolgten sie dann auch den Versuch von Rechtsanwalt Dr. Leonhard Mühlenfeld, die Kammer unter Vorsitz des Richters Ulrich Knickrehm für befangen zu erklären, weil diese den Tatbestand des Ehrenmords und verabredeten Mords zugelassen habe. Ein "mangels eigener Fachkenntnis der Staatsanwaltschaft Kleve" in Auftrag gegebenes Gutachten lasse den zwingenden Schluss des Ehrenmordes nicht zu, argumentierte Mühlenfeld. Darüber hinaus spreche die Tat in einem derart öffentlichen Raum eher für eine spontane, weniger für eine verabredete Tötung. "Das Vertrauen meines Mandanten in die drei Richter ist dadurch zerstört", sagte Mühlenfeld.

Nach mehr als zwei Stunden Beratung einer zusätzlichen Kammer im Haus wurde die Verhandlung fortgesetzt - in der ursprünglichen Besetzung. Es gebe keinen Anlass an der Unvoreingenommenheit des der Kammer zu zweifeln, hieß es in der Begründung. Das Verfahren sei unter einer vorläufigen Tatbewertung mit einem gewissen Spielraum eröffnet worden, eine innere Haltung der Richter sei nicht zu erkennen.

Laut Anklageschrift haben Adil und Mekin O. am 31. März dieses Jahres gemeinsam an der Materborner Allee einen Mord aus niederen Beweggründen begangen. Demnach hätten sie in der Nähe der Wohnung des Opfers auf den Mann gewartet, um sich dafür zu rächen, dass er im Jahr 2008 in Tötungsabsicht einen weiteren Bruder der Familie O. durch Messerstiche und Schläge mit einem Ziegelstein schwer verletzt. "Sie vermochten sich nicht damit abzufinden, dass er dafür von einem Gericht zu vier Jahren Haft verurteilt wurde", sagte Staatsanwalt Nico Kalb.

Nachdem die beiden Männer das Opfer durch eine Scheibe an der Kasse des Lidl-Marktes erspäht hatten, warteten sie im äußeren Eingangsbereich des Gebäudes. Als der 43-Jährige aus dem Supermarkt trat, sei es sofort zu einem Gerangel gekommen. Im Zuge dessen zückte einer der beiden Angeklagten ein Messer. Ein Zeuge, der hinter dem Opfer aus dem Supermarkt gekommen war, habe die Gefährlichkeit der Situation sofort erkannt und die Männer mit einem Einkaufswagen voneinander getrennt. Dies nutzte das Opfer, um zurück in den Markt zu flüchten. Aber noch bevor er die Kassenschranke überspringen konnte, hatten die Täter ihn eingeholt. Im Gang der Kasse 1 stachen sie auf ihn ein - insgesamt 44 Mal. "Wahllos und teils wuchtig", wie Staatsanwalt Kalb ausführte. Unmittelbar danach soll einer der Angeklagten gesagt haben, das Opfer habe es so verdient.

Am Donnerstag um 9.30 Uhr wird der Prozess fortgesetzt, dann werden auch die ersten Zeugen vernommen. Insgesamt sollen an fünf weiteren Prozesstagen 34 Personen gehört werden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort