Neuss Minister Bahr diskutiert im "Lukas"

Neuss · In der deutschen Krankenhauslandschaft gibt es mit dem Fresenius-Konzern einen neuen Marktführer. Die Entwicklung sorgt auch im kommunalen Lukaskrankenhaus für Stirnrunzeln, wie Gesundheitsminister Daniel Bahr vor Ort erfuhr.

 Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr diskutierte mit Sigurd Rüsken (l.), dem kaufmännischen Leiter, und den Chefärzten Otto und Haude (v.r.).

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr diskutierte mit Sigurd Rüsken (l.), dem kaufmännischen Leiter, und den Chefärzten Otto und Haude (v.r.).

Foto: woi

Die Übernahme der Rhön-Kliniken durch den Fresenius-Konzern war die Nachricht, mit der Professor Michael Haude gestern geweckt wurde. "Was bedeutet das für unser kommunales Lukaskrankenhaus?", dachte sich der Chefarzt der Medizinischen Klinik I — und stellte genau diese Frage Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), der sich gestern zu einem Arbeitsbesuch in dem städtischen Klinikum angekündigt hatte.

Bahr riet zur Kooperation und zur Spezialisierung. "Wir werden nicht überall alle Spezialisten vor Ort haben", stellte er fest und sprach mit dem Beispiel Kardiologie — gewollt oder ungewollt — einen schwärenden Streit zwischen dem Krankenhaus der Stadt und den beiden Kreiskrankenhäusern an. Während das Lukaskrankenhaus auf seine Schwerpunkt-Funktion im Kreis pocht, argumentiert Ralf Nennhaus als Geschäftsführer der Kreiskrankenhäuser mit dem Vorrang einer flächendeckenden Versorgung. Die müsse dezentral organisiert sein, sagt Nennhaus — und bestätigt den Zwist. Aber: Das sei ein Streit unter Brüdern. "Innerhalb der kommunalen Familie müssen wir zusammenarbeiten", stellte er fest, und führte Felder an, wo das zwischen den Krankenhäusern schon funktioniert: Geriatrie, Labor, Ausbildung.

Bahrs Besuch an der Basis hatte auch eine Woche vor der Bundestagswahl wenig mit Wahlkampf zu tun. Dafür war schon der Rahmen ungeeignet, denn nur wenige geladene Gäste — fast ausschließlich im Gesundheitssektor tätig — waren dabei, als der Minister mit Chefärzten und der kaufmännischen Geschäftsführung des "Lukas" diskutierte. Und die ließen ihn nicht zufrieden auf Erreichtes verweisen, sondern wollten Antworten auf ihre Fragen aus der Praxis haben.

"Wir wissen kaum noch, wie wir Nachwuchs rekrutieren können", stellte Manuela Keller als Pflegedienstleiterin zum Thema Fachkräftemangel in der Pflege fest. Was tun, Herr Minister? Professor Thomas Otto, Chefarzt der Urologie, beklagte eine Ökonomisierung der Medizin. Wo bleibt die ärztliche Ethik, Herr Minister? Leistungsanreize in der Medizin würden oft mit dem Argument "Qualität" begründet, stellte Dr. Guido Engelmann fest, der Chefarzt der Kinderklinik. Wie misst man Qualität, Herr Minister?

Bahr blieb keine Antwort schuldig. Er entwickelte seine Idee einer "Akademisierung des Pflegeberufes", damit sich dort stärker als bisher Möglichkeiten zum beruflichen Aufstieg bietet. "Wir werben sehr für diesen tollen Beruf", sagte Bahr, der dem Vorwurf der Ökonomisierung der Medizin entgegenhielt: "Mediziner sind Ökonomen, weil sie mit knappen Ressourcen umgehen." Aber es sei gewollt, dass die Ärzte über diese Ressourcen entschieden, damit unter medizinischen Gesichtspunkten sichergestellt bleibt, dass jeder die Behandlung bekommt, die er benötigt. Und er stellte zur Qualität fest, dass es klug sei, Zentren für gewisse Disziplinen zu bilden, weil mehr Fälle mehr Erfahrung, mehr Routine und am Ende eine bessere Behandlung nach sich ziehen. Aber er sagte auch: "Wir haben per Gesetz untersagt, dass vorrangig nach Menge bezahlt wird."

Den Gastgebern riet Bahr: "Stärken betonen." Dann werde es auch künftig ein kommunales Lukaskrankenhaus — trotz der Privatkliniken, die seit gestern mit Fresenius den Marktführer stellen.

(NGZ)
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