Duisburg Giacomettis "Bein" bleibt in Duisburg

Duisburg · Am Donnerstagabend wird im Lehmbruck-Museum die Studio-Ausstellung "Giacometti. Signaturen des Menschen" eröffnet. Der Plan von Raimund Stecker, ein Hauptwerk Alberto Giacomettis zu verkaufen, wird nicht weiter verfolgt.

 "Komposition mit sieben Figuren und einem Kopf (Der Wald)" hat Giacometti dieses Werk genannt, das ebenfalls zur Museumssammlung gehört.

"Komposition mit sieben Figuren und einem Kopf (Der Wald)" hat Giacometti dieses Werk genannt, das ebenfalls zur Museumssammlung gehört.

Foto: j. diemer

Die Giacometti-Ausstellung zu Beginn des Jahres 2010 war der bislang größte Publikumserfolg in der Geschichte des Lehmbruck-Museums. Es war die letzte Ausstellung in der Amtszeit von Museumsdirektor Christoph Brockhaus. Sein Stellvertreter Gottlieb Leinz war Kurator der Schau. Damals war der Besucherandrang zeitweise so groß, dass der Zutritt zum Sonderausstellungsraum begrenzt werden musste. Die Giacometti-Ausstellung fiel genau in die Zeit des Direktoren-Wechsels. Christoph Brockhaus sprach noch bei der Eröffnung der Schau; drei Wochen später war Raimund Stecker sein Nachfolger.

 Giacomettis "Frau auf dem Wagen" (153,5 x 33,5 x 35 cm).

Giacomettis "Frau auf dem Wagen" (153,5 x 33,5 x 35 cm).

Foto: britta lauer

Um so erstaunlicher war, dass Stecker wenige Monate vor seiner Kündigung einen spektakulären Verkaufsplan verteidigte: Er wollte Giacomettis "Bein", ein Hauptwerk der Museumssammlung, für einen Millionenbetrag verkaufen, um mit dem Erlös andere Werke für die Museumssammlung anzukaufen. Nicht nur die Kuratoriumsmitglieder des Museums sperrten sich gegen diesen Plan. Seit dem 21. Mai ist Stecker nicht mehr im Amt. Und gestern verkündete der neue Kulturdezernent im Beisein der kommissarischen Museumsdirektorin Söke Dinkla, dass die Verkaufspläne endgültig vom Tisch seien. Das Lehmbruck-Museum werde sich nicht von einem "Herzstück seiner Sammlung" trennen. Der Rahmen für diese Nachricht war die wunderbare Studio-Ausstellung "Giacometti. Signaturen des Menschen", die am Freitagabend eröffnet wird und bis zum 26. Januar in dieser Form besichtigt werden kann.

 Ausstellungskuratorin Dr. Marion Bornscheuer (l.), Museumsdirektorin Dr. Söke Dinkla und Kulturdezernent Thomas Krützberg neben Giacomettis Skulptur "Das Bein", die definitiv nicht verkauft werden soll.

Ausstellungskuratorin Dr. Marion Bornscheuer (l.), Museumsdirektorin Dr. Söke Dinkla und Kulturdezernent Thomas Krützberg neben Giacomettis Skulptur "Das Bein", die definitiv nicht verkauft werden soll.

Foto: ralf hohl

Mit der großen Giacometti-Ausstellung im Jahr 2010 ist diese Studio-Ausstellung natürlich nicht zu vergleichen. Mit Ausnahme eines frühen Frauentorsos Giacomettis vom Skulpturenmuseum Glaskasten in Marl werden nur Werke aus der eigenen Sammlung gezeigt. Aber immerhin: Mit den Skulpturen "Frau auf dem Wagen", "Kompositionen mit sieben Figuren und einem Kopf — Der Wald" und eben "Das Bein" besitzt das Lehmbruck-Museum drei herausragende Werke des Bildhauers, Malers und Grafikers.

Tatsächlich kann man sagen, dass das Lehmbruck-Museum die "größte Giacometti-Sammlung in Deutschland besitzt". In anderen deutschen Museen gibt es Giacometti-Skulpturen nur vereinzelt. Ein Grund ist, dass Skulpturen des Künstlers (1901— 1966) heutzutage für ein öffentliches Museum nicht mehr zu bezahlen sind. Der große Erfolg der Duisburger Giacometti-Ausstellung vor dreieinhalb Jahren lag auch darin begründet, dass zu Beginn der Schau in London eine Bronzeskulptur des Künstlers für 74 Millionen Euro versteigert worden war. Das führte zu einem wahren Giacometti-Fieber.

Die nun zu sehende Studio-Ausstellung ist zwar nicht so spektakulär wie die im Jahr 2010, sie bietet aber die Möglichkeit zu einer intimeren Begegnung mit dem Werk des Jahrhundert-Künstlers. Nicht nur das: Wohl zum ersten Mal wird in einer öffentlichen Ausstellung die Verbindung Giacomettis mit dem Dramatiker Samuel Beckett thematisiert. Die Künstler kannten sich nachweislich seit 1951, vielleicht auch schon früher.

Beide waren vom modernen Existenzialismus beeinflusst. Beide verfolgten auf ihre Weise die gleichen philosophisch-künstlerischen Fragestellungen. Aus dieser ideellen Gemeinsamkeit wurde 1961 auch eine konkrete Zusammenarbeit: Bei einer Neuinszenierung von Becketts bekanntestem Stück, "Warten auf Godot", entwarf Alberto Giacometti das Bühnenbild, ein sperriges Bäumchen in karger Umgebung, das an die schrundigen menschlichen Figuren des Künstlers erinnert.

Marion Bornscheuer, Kuratorin der Ausstellung, hat sich wissenschaftlich mit den inhaltlichen und formalen Verbindungslinien zwischen Beckett und Giacometti beschäftigt. "Die Verwandtschaft der ästhetischen Prinzipien von Alberto Giacometti und Samuel Beckett", heißt ihr entsprechender Aufsatz. In der aktuellen Ausstellung ist Becketts künstlerischer Fernsehfilm "Quadrat I + II" zu sehen. Der Film ist übrigens eine Neuerwerbung des Museums, die den Kämmerer lächeln lässt: Der Film kostet mit Gebühren weniger als 100 Euro!

Zur Ausstellungseröffnung sprechen am Freitag um 18 Uhr: Thomas Krützberg, Dr. Marion Bornscheuer und Dr. Söke Dinkla. Eintritt ist frei.

(RP)
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