IW-Studie zur Wirtschaftskraft NRW-Städte fallen hinter Osten zurück

Berlin · Die Pro-Kopf-Wirtschaftsstärke von Herne und Oberhausen liegt inzwischen unter der von Dessau und Gera. Düsseldorf erreicht im Städteranking des Instituts der deutschen Wirtschaft Platz sechs.

Extreme Wirtschaftsschwäche und geringe Steuerkraft sind vielerorts kein ostdeutsches Phänomen mehr, sondern zunehmend ein westdeutsches: Die Wirtschaftskraft vieler Städte in NRW ist in den vergangenen Jahren hinter das Niveau vergleichbarer Ost-Städte zurückgefallen. Das ist das Ergebnis einer noch unveröffentlichten Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die unserer Redaktion vorliegt.

"Herne und Oberhausen müssen sich Dessau und Gera geschlagen geben, und Bottrop ist gar so arm wie Stendal", schreibt Autor Klaus-Heiner Röhl in der Studie, die am Mittwoch vorgelegt wird.

Röhl hat die Wirtschaftsleistung der Städte anhand des Bruttoinlandsprodukts (BIP) je Einwohner verglichen, also der Summe aller Waren und Dienstleistungen eines Jahres. Um ein realistisches Bild zu erhalten, hat der Forscher auch die jüngsten Ergebnisse der Bevölkerungsmessung einbezogen: Der Zensus 2011 hatte ergeben, dass die Einwohnerzahl in vielen Städten geringer war als angenommen. Dadurch ist die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung vielerorts tendenziell stärker gestiegen.

Dennoch schnitten die Ruhrgebietsstädte, die unter hoher Abwanderung leiden, zuletzt noch schwächer ab als in den Jahren davor. "Der Osten hat aufgeholt. Die schwächsten Städte liegen jetzt im Westen der Republik", sagte Röhl. Dazu gehörten Herne, Oberhausen, Bottrop, aber auch Solingen, Hamm oder Bochum, die nur etwa ein Drittel der Wirtschaftskraft Düsseldorfs erreichten. "In NRW fallen manche Städte hinter das Ost-Niveau zurück", sagte Röhl. "Extreme Strukturschwäche ist kein reines Ost-Phänomen mehr, sondern sie gibt es jetzt verstärkt auch im Westen."

Düsseldorf auf Platz sechs

Die Wirtschaftskraft einer Stadt hänge sehr von starken Betrieben ab, aber auch davon, wie weit andere starke Standorte entfernt seien, heißt es in der Studie. Die VW-Stadt Wolfsburg landet daher auf Platz eins des bundesweiten Rankings, Ingolstadt (Audi) auf Platz vier, Ludwigshafen (BASF) auf Platz sieben. "Die mit Abstand stärksten Regionen liegen im Süden, mit ein paar Ausreißern wie Hamburg und Bremen im Norden. Wolfsburg ist ein Sonderfall dank VW", sagte Röhl. Düsseldorf erreicht Platz sechs — und rangiert damit vor München und Hamburg.

Berlin liegt zwar mit einem BIP pro Kopf von etwa 30.000 Euro knapp unter dem deutschen Durchschnitt. Doch sei die Hauptstadt "nicht ganz so arm wie noch vor Kurzem ausgewiesen", da die Wirtschaftsleistung nach oben und die Einwohnerzahl nach unten korrigiert wurde. Heute liege Berlin im Städtevergleich vor Dresden, Erfurt, Dortmund und Bochum.

Der Rückfall vieler West-Städte hinter Ost-Niveau ist Wasser auf die Mühlen derer, die wie NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) eine Art bundesweiten Regional-Soli anstelle des Solidaritätszuschlags fordern. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnte diese Forderungen erneut ab. "Diese Regierung und die Kanzlerin" würden den Ost-Soli bis 2019 nicht aufkündigen, sagte Schäuble.

(mar)
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