Niederrhein Der undressierte Star

Niederrhein · Er war ein besonderer Fußballer: Willi "Ente" Lippens aus Kleve spielte 242 Mal in der Bundesliga und einmal für die Niederlande. Sein Spiel war alles – nur nie langweilig.

Er war ein besonderer Fußballer: Willi "Ente" Lippens aus Kleve spielte 242 Mal in der Bundesliga und einmal für die Niederlande. Sein Spiel war alles — nur nie langweilig.

"Über die Linie reicht". Der Ausspruch stammt von Torjäger Ulf Kirsten. So ein Satz tut Willi "Ente" Lippens weh. Sein Verständnis von Fußball war ein anderes: "Ich habe mir immer gesagt, warum das einfache Tor machen, wenn's auch anders geht." Bei Fußballspieler Lippens ging's meistens anders. Und dies in einer Zeit als die Fans noch Schlachtenbummler hießen und die Spiele der Fußball- Bundesliga immer samstags um 15.30 Uhr ausgetragen wurden. Alle auf einmal.

1945 wurde Willi Lippens in Hau geboren. Sein Vater war Niederländer und hatte einen Gemüseladen. In der Klever Kaufhalle machte Lippens eine Lehre, bevor er 1965 zu Rot-Weiss Essen wechselte. Als er damals seinen Verein, den VfB 03 Kleve, verließ, wurden seinem Vater die Fensterscheiben des Ladens eingeworfen. Wenn heute der Name "Ente Lippens" in der Kreisstadt am unteren Niederrhein fällt, ist die Reaktion eine andere: "Ja, der Willi, der ist einer von uns."

Start und Ende in Essen

Sein erster Vertrag in Essen brachte ihm 80 Mark im Monat und ein Zimmer unterm Tribünendach ein. Im Laufe seiner Zeit bei RWE kam sein Spitzname "Ente" dazu. Ein Reporter wagte den Vergleich mit dem Wasservogel aufgrund des unorthodoxen Laufstils von Lippens.

Seine Karriere startete bei Rot-Weiss Essen, wo sie 1981 mit einem 8. Platz in der 2. Bundesliga-Nord auch endete. Dazwischen hatte sich Lippens nicht allein durch sein Können am Ball einen Namen gemacht. Er gehörte zu der Generation Fußballer, die die Erkenntnis besitzen, dass man nie vergessen sollte, wo man her kommt. Lippens Tore und seine Art Fußball zu spielen, ließen auch Bundestrainer Helmut Schön in den 70er-Jahren auf ihn aufmerksam werden. Schön sagte einst: "Der Lippens hat alles. Nur nicht den richtigen Pass."

"Ich musste mich entscheiden, ob ich für Deutschland oder für Holland spielen wollte. Solche Entscheidungen wurden einem zu meiner Zeit von den Vätern abgenommen. Und der hatte gesagt, 'du spielst für Holland'." Ende der Durchsage. Einmal trug Lippens das Trikot der Niederlande. Dabei schoss er ein Tor, was auch sein letztes bleiben sollte. "Die haben mich nicht akzeptiert. Die haben mir immer vorgehalten, ich wär' einer von denen", erinnert sich Lippens.

Zu seinen Markenzeichen in der Bundesliga gehörten Gags und schöne Tore. In der Saison 1970/71 stieg er mit RWE aus der ersten Liga ab. 19 Treffer hatte er in 29 Spielen erzielt. Und dies in der Mannschaft, die als Tabellenletzter das Oberhaus verließ. Nach einem kurzen Ausflug in die Operetten-Liga der USA im Jahr 1979 war er kurz darauf wieder da. Nur eine Halbserie hielt er es zwischen hüpfenden Mädchen am Seitenrand und Ex-Stars mit einem Hüftschaden aus.

Im vergangenen Jahr kam ein Buch über den unberechenbaren Fußballer heraus. Der Titel des Bandes lautet: "Ich danke Sie." Das Zitat, mit dem Lippens berühmt wurde, stammt aus der Regionalliga-West-Partie RW Essen gegen Westfalia Herne. Dort gab's einen rustikalen Defensivstrategen, der Lippens ohne größeres Interesse am Ball regelmäßig umlegte. Als Lippens sich wehrte, zückte der Schiri Gelb und begleitete dies mit den Worten: "Ich verwarne Ihnen!", worauf Lippens antwortete: "Ich danke Sie." Was Rot zur Folge hatte. "Ich wollte den Schiri zu meinem 60. Geburtstag einladen, doch da war er schon tot", sagte der Stürmer.

Bei einer Vorstellung seines Buches in seiner Heimatstadt Kleve ging Willi Lippens nach der offiziellen Präsentation noch von Tisch zu Tisch und unterhielt sich mit den Fans von einst über die vergangenen Zeiten. Als ihm kurz vor Mitternacht eine Frau offerierte: "Ach Willi, du kannst auch bei mir schlafen", wusste er, jetzt gilt's. Ab durch die Mitte. Denn neben seinen fußballerischen Fähigkeiten hatte Lippens auch immer ein feines Gespür dafür, wann es Zeit ist, zu gehen.

(RP)
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