About a Boy Liebe in Zeiten der Salzstange

Köln (RPO). Unser Kolumnist lässt sich über verliebte Pärchen aus. Außerdem weiß er, warum noch immer Salzstangen produziert werden.

Ich könnte mir vorstellen, die Welt zu mögen. Ich muss zuvor nur alle verliebten Pärchen in den Keller sperren und den Schlüssel aufessen. Ich habe nichts dagegen, dass sich Menschen verlieben. Wenn sich Menschen nicht mehr verlieben, regnet es jeden Tag. Doch verliebte Menschen wollen jedem zeigen, dass und in wen sie verliebt sind.

Verliebte Pärchen haben Drüsen, die Sekundenkleber produzieren. Wer sie trennen möchte, braucht Stahlseile und zwei große Lastwagen. Ich bin nicht neidisch auf das Liebesglück anderer Menschen. Ich verstehe nur ihr Verhalten nicht.

Die schlimmste aller Szenen spielt sich stets beim Italiener ab. Das Lokal heißt "La Roma" und die Dekoration erschöpft sich in einer Toskana-Fototapete und diesen riesigen Weinbottichen, um die ein Korb geflochten ist. Der Kellner sagt, er heiße Luigi, kommt aber in Wirklichkeit aus Kroatien, aber Verliebte nehmen es nicht so genau. Sie bestellen erstmal zwei Aperitif und dann sehr obskure Gerichte mit Basilikum und Oregano und Meeresfrüchten und am Ende Eis. Natürlich füttern sich verliebte Pärchen mit dem Eis. Sie essen ohnehin wenig selbst. "Ein Löffelchen für…"

Verliebte neigen dazu, sich ihrem Verhalten vor der Einschulung anzunähern. Sie sitzen drei Stunden in diesem "La Roma", weil sie beschlossen haben das Gefühlsgestrüpp zwischen ihnen Liebe zu nennen. Luigi alias Sladan Petrowitsch posaunt in regelmäßigen Abständen was von "Amore" und "der geht aufs Haus" und zwar "fürä dassä jungä glücka".

Danach bummelt das verliebte Pärchen noch durch die Fußgängerzone. Immer wieder müssen die beiden stehen bleiben und sich verliebt küssen an so unvorhersehbaren Orten wie Brunnen, Brücke, Park, Mauer. Sie greift mit beiden Händen an seinen Mantelaufschlag und zieht ihn zu sich und sie kichern wie auf der Klassenfahrt in die Hocheifel, als die Jungs sich auf die Mädchenetage geschlichen haben und dieses Mädchen namens Kathrin beim Flaschendrehen Pflicht genommen hat.

Natürlich sitzen die beiden irgendwann auf einer Bank und gucken in den Sternenhimmel, um den unvermeidbarsten aller Verliebtheitsblödsinne in Angriff zu nehmen.
Und dann sagt er: "Da ist der große Wagen."
Und sie denkt: "Boah wie romantisch."
Und er denkt: "Hoffentlich fragt sie nicht nach anderen Sternbildern, ich kenn nämlich sonst keines."
Und sie denkt: "Markus/Thomas/Frank ist wirklich so anders."
Und ich denke: "Der Typ gehört in Therapie."

Ebenso unerträglich sind Pärchen auf Partys. Selbst da stört sie die Öffentlichkeit nicht. Es ist, als würden sie die anderen gar nicht wahrnehmen. Oder gerade die Öffentlichkeit treibt sie zu diesem Verhalten: Sechs Stunden lang tun sie nichts anderes, als sich gegenseitig mit Salzstangen zu füttern. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Salzstangen-Industrie 90 Prozent ihrer Einnahmen verliebten Pärchen zu verdanken hat.

Wenn einer der beiden aufsteht, und wenn auch nur, um neue Getränke zu holen, treudooft der andere hinterher und legt von hinten seine Arme um ihn. Und nie sitzen sie nebeneinander, sondern sie immer auf seinem Schoß. Selbst wenn er bleibende Schäden davonträgt. Romantik ist eben kein Kinderspiel.

Verliebte sind wie eine Wintergrippe. Nicht lebensbedrohlich, aber unglaublich überflüssig.

Sebastian Dalkowski veröffentlicht jeden Freitag die Kolumne "About a Boy". Seine bessere Gesichtshälfte hat Andreas Krebs fotografiert.

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