Recycling von Einwegverpackungen Der Deckel bleibt dran - Was es mit den Tethered Caps auf sich hat

Düsseldorf · Ab Juli 2024 müssen Verschlüsse an Einweg-Getränkeverpackungen fest angebracht sein. Einige Unternehmen haben bereits mit der Umrüstung begonnen. Was dafür getan werden muss, wie hoch die Kosten sind und ob das der Umwelt wirklich nützt.

 Mehrere Firmen nutzen bereits solche „angebundenen Kappen“, obwohl diese erst ab Juli 2024 verpflichtend sind. An einer Milchtüte ist sogar ein Schaubild angebracht, um es dem Verbraucher möglichst leicht zu machen.

Mehrere Firmen nutzen bereits solche „angebundenen Kappen“, obwohl diese erst ab Juli 2024 verpflichtend sind. An einer Milchtüte ist sogar ein Schaubild angebracht, um es dem Verbraucher möglichst leicht zu machen.

Foto: Lena Steffens

Coca Cola hat sie bereits eingeführt, Gerolsteiner, Becker’s Bester und Edeka ebenfalls: Die sogenannten „Tethered caps“, also Verschlusskappen, die nach dem Öffnen fest mit der Flasche verbunden bleiben. Rüsten einige Unternehmen bisher schon freiwillig ihre Deckel um, wird dies ab dem 3. Juli 2024 Pflicht: Denn die EU hat festgelegt, dass Verschlüsse an Einweg-Getränkeverpackungen einschließlich Verbundverpackungen wie Getränkekartons gemäß der Einweg-Kunststoff-Richtlinie 2019/904 mit einem Volumen von bis zu drei Litern fest angebracht sein müssen. Die Richtlinie sieht zahlreiche Schritte vor, die bis zum Jahr 2030 dazu führen sollen, dass mehr Plastik als bisher recycelt wird.

Laut Verbraucherzentrale haben die Plastikdeckel nämlich einen erheblichen Einfluss auf die Umwelt: „Bei Untersuchungen an der Nordsee hat man etliche solcher Deckel gefunden, mehr als 40 zum Beispiel auf 100 Metern Strand“, heißt es auf der Website der Verbraucherzentrale. Blieben die Deckel aber fest mit der Flasche verbunden, ließe sich zumindest diese Art von Müll eindämmen. Wichtig sei dafür aber, dass nicht an den Deckeln gerissen werde, sondern, dass sie nach Anleitung geöffnet werden, sagt der geschäftsführende Gesellschafter vom Fruchtsafthersteller Becker’s Bester.

Für die Unternehmen bedeutet die Umrüstung einen erheblichen Mehraufwand, da „mehrere hundert Millionen Endverpackungen betroffen“ sind, wie eine Sprecherin von Edeka auf Anfrage unserer Redaktion schreibt. Das Unternehmen hat Mitte des vergangenen Jahres damit begonnen, die Deckel bei seinen Eigenmarken wie „Gut & Günstig“ umzurüsten. Auch Becker’s Bester hat Ende 2022 mit der Einführung der Deckel begonnen – dafür mussten die Anlagen entsprechend umgerüstet werden, wie eine Sprecherin auf Anfrage schreibt.

Christine Bergmann, Verpackungsexpertin bei Coca-Cola Europacific Partners Deutschland, wo die Kappen „Lass-mich-dran-Deckel“ heißen, erklärt auf Anfrage, wie hoch der Aufwand bei der Umrüstung ist: „Insgesamt müssen wir an elf Produktionsstandorten in Deutschland, an denen Einwegpfandflaschen mit Getränken befüllt werden, 21 Produktionslinien auf neue Verschlüsse umstellen“, sagt sie.

Die Umstellung auf die neuen Deckel dauere bei jeder Produktionslinie insgesamt etwa drei bis vier Wochen. Davon benötigten Fachkräfte von Coca-Cola Europacific Partners Deutschland und von Maschinenzulieferern pro Linie je ein bis zwei Wochen für den Umbau und zusätzlich zwei Wochen für die Inbetriebnahme und die Validierung, heißt es weiter. Der Großteil der Kosten bei Coca Cola entfalle auf die Umstellung des Flaschengewindes, mit dem Ziel Material einzusparen. Insgesamt investiere das Unternehmen mehrere Millionen Euro für das ganze Vorhaben.

Auch für die Wassermarke Gerolsteiner entsteht ein erheblicher Aufwand durch die Umrüstung: „Die neuen Verschlüsse müssen entwickelt und die Gewinde der Flaschen, also die PET-Rohlinge, aus denen die Flaschen hergestellt werden, angepasst werden. Zudem ist für den Einsatz der neuartigen Verschlüsse ein Umbau der vorhandenen Abfüllanlagen erforderlich“, schreibt der Vorsitzende der Geschäftsführung auf Anfrage.

Aber bringt es für die Umwelt wirklich etwas, wenn die Deckel künftig an den Flaschen bleiben? „Das Gesetz zu den Deckeln ist letztendlich ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Philip Heldt, Referent für Ressourcenschutz und Wasser bei der Verbraucherzentrale NRW. „Das geht am Kern der Problematik, dass wir viel zu viele Sachen übermäßig verpackt haben, und nicht nur in Kunststoff, sondern auch in Pappe, vollkommen vorbei“, meint er.

Zudem sei es ein Problem, dass generell zu viele Einweg-Flaschen im Umlauf seien. „Wir brauchen viel mehr Mehrweg-Gefäße“, so der Experte. Außerdem fordert er, Verpackungen so weit zu verkleinern, wie es möglich ist, um Material zu sparen. „Aber an den großen Wurf trauen sich die Gesetzgeber nicht ran, egal, ob es jetzt die deutsche Gesetzgebung ist oder die EU-Gesetzgebung“, sagt Heldt.

Auch Johannes Betz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Öko-Institut in Darmstadt, kritisiert die Tethered Caps. „Es ist nicht die Lösung für all unsere Probleme“, sagt er. Anders als Heldt denkt er aber, dass die Kappen durchaus einen praktischen Vorteil haben können, „je nachdem, wie die Verpackungen gestaltet sind.“

Das Foto zeigt eine Mitarbeiterin bei Coca-Cola, die eine Getränkeflasche mit „Lass-mich-dran-Deckel“ in den Händen hält (aufgenommen im Werk in Mannheim).

Das Foto zeigt eine Mitarbeiterin bei Coca-Cola, die eine Getränkeflasche mit „Lass-mich-dran-Deckel“ in den Händen hält (aufgenommen im Werk in Mannheim).

Foto: Coca Cola/ARTIS - Uli Deck

Das sehen viele Verbraucher anders, die auf Twitter bereits unter dem #tetheredcaps über die neue EU-Regelung diskutieren. Neben einigen wenigen Befürwortern, die schreiben, dass die angebundenen Deckel für sie zwar erst ungewohnt waren, dann aber doch als praktisch empfunden wurden, weil die Deckel so nicht mehr herunterfallen können, beschweren sich viele über diese: „Ständig verschüttete Getränke... tolle Innovationen“, lautet ein Kommentar. „Sie hängen dumm rum, drücken gegen die Nase, stören...“, schreibt ein anderer. „Ich bin jetzt schon maximal genervt von dieser neuen Eskapade der EU“, lautet ein weiterer Kommentar.

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