Außergewöhnliche Sportarten Bandy: Wenn Fußball auf Feldhockey trifft

Neuss · Der in Deutschland fast vergessene Vorläufer des Eishockeys wird im Rhein-Kreis noch beim Neusser Schlittschuh-Club gespielt.

 Bandy ist in Neuss in der Südparkhalle zu Hause.

Bandy ist in Neuss in der Südparkhalle zu Hause.

Foto: Andreas Buchbauer (abu)

In Neuss lebt eine Sportart fort, die sich an kaum einem anderen Ort in Deutschland so lange halten konnte. Bevor es Eishallen gab, war der Sport, der sich Bandy nennt, sehr populär.

Auf einem überfluteten Fußballplatz, der im Winter zufror, wurde die Ur-Form des Eishockeys erfunden. Die Fußballtore auf dem Platz wurden einfach gegen Feldhockey-Tore ausgetauscht und dann konnte es schon fast losgehen. Gespielt wird mit einem Krummstock und einem kleinen roten Ball. Wie auch beim Fußball üblich, spielt man in zwei Mannschaften mit je zehn Feldspielern und einem Torwart gegeneinander. Die Regeln ähneln denen des Fußballs und des Hockeys mehr als denen des Eishockeys. In zwei Halbzeiten zu je 45 Minuten können die Teams versuchen, den Ball mit einem Durchmesser von sieben Zentimeter in das gegnerische Tor zu bugsieren. Um das zu erreichen, dürfen die Spieler sich nicht gegenseitig umrempeln oder rugbyähnliche Angriffe starten. Bandy wird nämlich kontaktlos gespielt. Auch Regeln, wie beispielsweise ein Eckball oder Abseits, wurden aus dem Fußball übernommen. Als Eishallen gebaut wurden, nahm die Zahl der Bandy-Vereine dramatisch ab. Sie wechselten zum Eishockey, da man dies auch in einer Halle spielen kann und man dadurch nicht zwangsläufig auf Minusgrade angewiesen war. Aber auch das Bandy veränderte sich, wurde an die kleinere Fläche angepasst und Rinkbandy genannt. Mittlerweile unterscheidet es sich kaum noch vom Eishockey. Der größte Unterschied ist das Spielgerät: „Statt einem Puck wie beim Eishockey, benutzt man einen roten Ball, den kann man auch viel besser erkennen als einen schwarzen Puck“, sagt der Vorsitzende des Neusser Schlittschuh-Klubs, Ulrich Giesen.

Um die Gründung der Bandy-Abteilung beim Neusser Schlittschuh-Klub zu betrachten, muss man einige Jahrzehnte in die Vergangenheit blicken. Als vor knapp 50 Jahren in Reuschenberg die Eishalle gebaut wurde, gab es schnell viele Eis-Begeisterte, die unterschiedliche Sportarten ausübten: Eishockey, Eiskunstlauf, Eisstockschießen, Eistanz und vieles mehr – der Sport mit den kleinen roten Ball war zu dem Zeitpunkt aber noch nicht dabei. „Schnell entwickelten sich daraus zwei Vereine, der Neusser Eishockeyverein und der Neusser Schlittschuh-Klub – die waren strikt voneinander getrennt. Man durfte die jeweils anderen Sportarten nicht auch selbst anbieten, wir durften also überhaupt gar kein Eishockey anbieten“, erklärt Ulrich Giesen den Weg hin zu einem Bandy-Team.

Eine Eishockeymannschaft habe sich dann aber, erzählt Gießen weiter, mit den anderen Eishockeyspielern verkracht, so dass sie einen neuen Verein suchten. Eine Aufnahme beim NSK? Nicht gestattet! Doch ein Schlupfloch in der Verpflichtung, Eishockey nicht anzubieten, konnte gefunden werden: Tauscht man den Puck gegen einen Ball aus, spielt man eben kein Eishockey mehr, sondern Rinkbandy. „Die Eismeister wurden angewiesen, genau zu kontrollieren, dass auch wirklich mit einem Ball und nicht mit einem Puck trainiert wird“, sagt der Vorsitzende des NSK.

Mittlerweile trainieren rund 40 Männer zwischen 20 und 45 Jahren jeden Mittwoch von 22.15 bis 23.45 Uhr in der Neusser Eishalle Rinkbandy. Eine eingeschworene Gruppe, wie Giesen sagt. Die meisten von ihnen hätten zuvor Eishockey gespielt, dann eine Hobby-Mannschaft gesucht und wären dann beim NSK fündig geworden. Im Training teilen sich die Sportler in zwei Gruppen auf, um dann gegeneinander anzutreten. Turniere oder Ligaspiele bestreiten die Männer jedoch nicht. Das hat zwei Gründe: Zunächst gibt es kaum andere Vereine in Deutschland, die diese außergewöhnliche Sportart anbieten – der NSK vermutet sogar, der einzige Verein in Deutschland zu sein. Für Freundschaftsspiele müsse man zu den niederländischen Nachbarn fahren, aber die Gruppe möchte, weiß Giesen, sowieso lieber unter sich bleiben und ausschließlich trainieren.

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