„Hillbilly Elegy“ auf Netflix Wie leben Trump-Wähler?

Regisseur Ron Howard („A Beautiful Mind“) hat den Bestseller von J. D. Vance verfilmt. Schauspielerin Glenn Close glänzt in einer Nebenrolle.

 Owen Asztalos mit Amy Adams. Foto: ap

Owen Asztalos mit Amy Adams. Foto: ap

Foto: AP/Lacey Terrell

Links zwei Gabeln. Rechts zwei Löffel und ein Messer. Über dem Teller noch einmal eine Gabel und ein Löffel. Wofür braucht man so viel Besteck? Die Frage entscheidet womöglich über die Karriere des Jura-Absolventen J. D. Vance (Gabriel Basso). Er hat gerade sein Studium in Yale abgeschlossen und versucht nun bei einem Casting-Dinner einen Praktikumsplatz in einer der angesehenen Anwaltskanzleien zu ergattern, die hier ihren Nachwuchs rekrutieren. Aber J. D. ist nicht vertraut mit dieser Welt des alten amerikanischen Geldadels, der Edelrestaurants und Fünf-Gänge-Menüs. Er hat sich mit Fleiß, guten Schulnoten, Militärdienst im Irak und einem Stipendium aus prekären Verhältnissen nach oben gearbeitet und weiß, dass sich hier am Tisch mit dem gestärkten Tafeltuch seine Zukunft entscheiden wird.

Genau in diesem Moment holt ihn die Vergangenheit ein. Ein Anruf der Schwester. Mutter Bev (Amy Adams) liegt nach einer Überdosis Heroin im Krankenhaus. Und so macht sich J. D. auf nach Middletown im Bundesstaat Ohio, wo er seine keineswegs glückliche Kindheit verbracht hat. Genau wie er hatte Bev auch einmal gute Schulnoten und träumte von einem anderen Leben. Aber dann wurde sie viel zu jung schwanger von einem Kerl, der sie bald wieder verlassen hat. Als Kind war J. D. den Stimmungsschwankungen und der Gewalt seiner Mutter ausgesetzt, bis die Oma (Glenn Close) den Jungen bei sich aufnahm.

Zwischen familiärer Vergangenheit und selbstbestimmter Zukunft ist die Hauptfigur in Ron Howards „Hillbilly Elegy“ hin und her gerissen. Der Film erzählt von den Hürden und Bürden der Herkunft aus prekären Verhältnissen und gleichzeitig von einem, der es schafft sie zu überwinden.

Als die autobiografische Romanvorlage „Hillbilly Elegie – Die Geschichte meiner Familie und einer Gesellschaft in der Krise“ von J.D. Vance 2016 die Bestsellerlisten stürmte, wurde das Buch von liberalen wie konservativen Kritikern gleichermaßen gefeiert. Erstere sahen darin eine einfühlsame Sozialstudie des weißen Prekariats in den abgehängten Industrieregionen des Mittleren Westens, die gerade einem gewissen Donald Trump zum Wahlsieg verholfen hatten. Die anderen erkannten im sozialen Aufstieg des Protagonisten den Beweis, dass die amerikanische Leistungsgesellschaft jedem eine Chance bietet, wenn er nur hart genug arbeitet.

Regisseur Ron Howard („A Beautiful Mind“) hat die Vorlage von der oftmals selbstgerechten Erzählhaltung des erfolgreichen Aufsteigers befreit und konzentriert sich auf das Familiendrama, in dessen Zentrum Amy Adams als an sich selbst und den Verhältnissen verzweifelnde Mutterfigur steht. Ihr gegenüber steht die fabelhafte Glenn Close in der Rolle der raubeinigen Matriarchin, die an dem Enkel wiedergutzumachen versucht, was sie bei der eigenen Tochter vermasselt hat. In ihrer Figur wird deutlich, welche enorme Kraftanstrengung es erfordert den generationsübergreifenden Teufelskreis der Benachteiligung zu durchbrechen.

Aber auch Howard zeigt hier letztlich nur die individuelle Herausforderung, ohne auf die gesellschaftliche Verantwortung gegenüber marginalisierten Schichten zu verweisen, wo ein junger Mann sich für den Kriegsdienst verpflichten und im Irak sein Leben aufs Spiel setzen muss – nur um ein Hochschulstipendium zu ergattern.  

Info „Hillbilly Elegy“ bei Netflix

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