Corona-Zahlen im Kreis Gütersloh 75 positive Tests bei Menschen ohne Tönnies-Bezug

Gütersloh · Wie lange dauern die Einschränkungen in den Kreisen Gütersloh und Warendorf noch an? Am Dienstag soll eine Entscheidung fallen, ob es Lockerungen geben wird. Doch die Fallzahlen derer, die keinen direkten Bezug zur Tönnies-Belegschaft haben, stieg laut Kreis zuletzt merklich an.

 Ein Bundeswehr-Mitarbeiter nimmt an einer Corona-Abstrichstelle in Oelde einen Abstrich (Symbolbild).

Ein Bundeswehr-Mitarbeiter nimmt an einer Corona-Abstrichstelle in Oelde einen Abstrich (Symbolbild).

Foto: dpa/Guido Kirchner

Nach dem bundesweit ersten regionalen Lockdown zur Eindämmung des Coronavirus in zwei Kreisen von Nordrhein-Westfalen schauen in der Region alle mit Spannung auf die Entwicklung der Infektionszahlen. Der Kreis Gütersloh berichtete am Samstagabend, die Zahl der nachweislich mit Sars-CoV-2 Infizierten, die keinen direkten Bezug zur Tönnies-Belegschaft haben, sei zuletzt merklich angestiegen. Grund dafür seien wohl vor allem die deutlich umfangreicheren Tests, viele der Infizierten zeigten aber keine Symptome. Vom 20. bis zum 26. Juni seien insgesamt 75 Fälle in der übrigen Bevölkerung bekannt geworden. Das waren den Angaben zufolge 28 mehr als am Vortag berichtet.

Wenige Stunden zuvor hatte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) nach dem Besuch eines Testzentrums in Gütersloh davon berichtet, dass bei rund 4100 Tests in der Allgemeinbevölkerung nur neun Infektionen nachgewiesen worden seien. Dabei nannte er allerdings keinen Zeitraum für diese Daten. Ein Ministeriumssprecher verwies darauf, dass den Kreisen häufig früher Daten vorliegen als auf Landesebene. Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) berichtete von umfangreichen Kontrollen der Quarantäne und Hunderten Helfern für Abstriche, Verpflegung und Transporte.

Nach den jüngsten Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist die Kennziffer der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage im Kreis Gütersloh zwar weiter rückläufig. Sie liegt mit einem Wert von 164,2 mit Stand Samstag aber noch sehr deutlich über der Marke von 50, die bei der Debatte über zusätzliche Schutzmaßnahmen eine Rolle spielt. Im benachbarten Kreis Warendorf, in dem ebenfalls viele Mitarbeiter aus dem Tönnies-Werk Rheda-Wiedenbrück wohnen, ist die Kennziffer der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb der vergangenen sieben Tage schon unter die Marke 50 gesunken und liegt in der Relation nur noch bei 19,8 Fällen.

Spätestens am Dienstag muss über ein Auslaufen oder ein Verlängern des Lockdowns in den beiden Kreisen entschieden werden, da dieser bis zum 30. Juni gilt. Die erneuten Einschränkungen waren in den Kreisen Gütersloh und Warendorf am Mittwoch in Kraft getreten. Betroffen sind rund 640 000 Einwohner. Im öffentlichen Raum dürfen nur noch zwei Menschen oder Menschen aus einem Familien- oder Haushaltsverbund zusammentreffen. Zudem sollen eine Reihe von Freizeitaktivitäten unterbleiben. Museen, Kinos, Fitnessstudios und Hallenschwimmbäder müssen vorerst geschlossen bleiben. Vertreter der Kreise sprachen von einem „Lockdown light“, da Geschäfte und Restaurants weiter öffnen dürften.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte erklärt, im Kreis Gütersloh handele es sich um das bisher „größte Infektionsgeschehen“ in NRW und in Deutschland. Bis zum 30. Juni werde man mehr Klarheit haben, inwieweit sich das Virus womöglich auch bei Menschen, die nicht bei Tönnies arbeiten, ausgebreitet habe. Die Behörden würden die Tests in der Bevölkerung massiv ausweiten. Grund für den Schritt war der Corona-Ausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies. Im Werk des Marktführers im westfälischen Rheda-Wiedenbrück hatten sich mehr als 1500 Beschäftigte nachweislich mit dem Coronavirus infiziert.

Laumann sagte am Samstag im Interview mit dem Nachrichtensender ntv, er gehe in den kommenden Tagen von weiteren Tausenden Testergebnissen aus, aufgrund derer dann eine Entscheidung zu den Einschränkungen in der Region getroffen werden solle.

In den vergangenen Tagen gab es in der Region einen großen Andrang auf die Corona-Testungen. Viele Menschen, die in den Urlaub fahren wollen, standen stundenlang Schlange, um an die Reihe zu kommen. Die Sommerferien begannen im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW an diesem Samstag.

Der Kreis Gütersloh teilte am Samstag mit, dass alle Wohnquartiere der Tönnies-Mitarbeiter am Donnerstag und Freitag von den mobilen Teams aus Ordnungsämtern und Polizei besucht worden seien, um die Quarantäne zu überwachen. „Das ist ein Kraftakt, den die Mitarbeiter aus den Städten und Gemeinden da gemeinsam mit der Polizei geschafft haben, ich habe Respekt, wie schnell das ging, wir sind jetzt einen Schritt weiter“, erklärte Landrat Adenauer. Im Kreis Gütersloh seien am Samstag Hunderte Beamte und Ehrenamtliche im Einsatz gewesen, allein mehr als 200 Männer und Frauen der Hilfsorganisationen hätten sich um Abstriche, die Verpflegung und Transporte gekümmert. Die Bundeswehr ist nach Angaben des Kreises mit 245 Kräften vor Ort.

Nachdem bereits mehrere Bundesländer Einschränkungen für Reisende aus einem Corona-Hotspot wie dem Kreis Gütersloh auf den Weg gebracht hatten, gab es am Freitagabend eine Bund-Länder-Einigung dazu.

Die Länder werden nach dem Beschluss in den besonders betroffenen Gebieten Vorsorge treffen, dass, so wörtlich, „Reisende aus einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt mit kumulativ mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern innerhalb der letzten 7 Tage nur dann in einem Beherbergungsbetrieb untergebracht werden dürfen beziehungsweise ohne Quarantänemaßnahme in ein Land einreisen dürfen, wenn sie über ein ärztliches Zeugnis in Papier- oder digitaler Form verfügen, welches bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 vorhanden sind“.

Thüringen kündigte jedoch am Samstag an, nicht mitzumachen und kein solches Einreise- und kein Beherbergungsverbot zu erlassen. Da der Kreis Gütersloh keine Aus- und Einreiseverbote erlassen habe, „werden wir auch in Thüringen solche Einreiseverbote nicht vollziehen“, sagte Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke).

(vek/dpa)
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