Kommentar zum Heidel-Rücktritt Schalke-Trainer Tedesco verliert seinen wertvollsten Verteidiger

Meinung | Gelsenkirchen · So unaufgeregt wie Christian Heidel seinen Rücktritt als Sportvorstand erklärt hat, wird es beim FC Schalke nicht bleiben. Anhand der sportlichen Bilanz ist sein Abgang sinnvoll, aber der Klub braucht dringend eine Galionsfigur wie ihn.

Christian Heidel.

Christian Heidel.

Foto: dpa/Bernd Thissen

Viel pointierter hätte Christian Heidel seinen Abgang nicht inszenieren können: Vor einer roten Werbewand im Inneren des Mainzer Stadions erklärte der Sportvorstand des FC Schalke 04, dass er genau das bald nicht mehr sein wird. Dort, wo Heidel 24 Jahre lang arbeitete, in dem Stadion, dessen Bau er wesentlich mit anschob, bestätigte er nun seinen Rücktritt, der längst die Runde gemacht hatte.

Die selbst für Schalker Verhältnisse in dieser Saison bemerkenswert schwache Vorstellung der Mannschaft bei der 0:3-Niederlage war da nur noch ein Treppenwitz. Heidel hatte bereits am Montag den Aufsichtsrat um Auflösung seines Vetrags gebeten - zum Saisonende.

Auflösung, ganz recht. Heidel versäumte es nicht zu betonen, dass der auf alle Bezüge jenseits des 30. Juni 2019 oder eine Abfindung verzichtet - gewiss eine stolze Summe. Sein Arbeitspapier lief noch ein ganzes Jahr länger. Er sei immer konsequent gewesen, sagte der 55-Jährige auch, er trage die Verantwortung für das schwache Abschneiden des aktuell Tabellen-14. der Bundesliga. Sein Rücktritt sei daher eben das: konsequent.

Es war sein vermutlich letzter wichtiger Akt als Manager der Königsblauen - und Heidel blieb sich dabei treu. Völlig einerlei, zu welcher Bewertung seiner Amtszeit man neigt, sein Auftritt war stets makellos und stilvoll. Heidel ist zweifellos ein guter Verkäufer, der dem Klub gut zu Gesicht gestanden hat und es bis zuletzt verstand, seine Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Abgänge von Benedikt Höwedes, Naldo, Leon Goretzka oder Max Meyer konnte er trotz aller Brisanz noch versöhnlich moderieren. Die Substanz hinter der Fassade bröckelte aber seit Saisonbeginn unaufhaltsam.

Rückblickend betrachtet, wurzelt vieles von dem, woran der Schalker Fußball heute krankt, in der Vizemeister-Saison 18/19. Was im Vorjahr oft regelmäßig knappe Siege brachte, reicht in dieser Runde oft nicht mehr für Punkte. Erkennbar weiterentwickelt hat Domenico Tedesco den Schalker Fußball nicht. Auch Heidels Transferbilanz liest sich im Rückblick verheerend. Zwar war er es, der mit Naldo die herausragende Figur der letzten Saison verpflichtete und der Guido Burgstaller aus der 2. Bundesliga holte. Doch vor allem in den höheren Regalen griff der aber zuverlässig daneben: Breel Embolo (26,5 Millionen Euro) blieb den Nachweis gehobener Bundesliga-Klasse schuldig - wenn er nicht gerade verletzt war. Jewhen Konopljanka (12,5 Millionen) schaffte es bis heute nicht zum Stammspieler und Sebastian Rudy (16 Millionen Euro) wirkt seit seinem Wechsel aus München höchstens körperlich anwesend.

Ob Heidel sich tatsächlich noch der vollen Rückendeckung des Aufsichtsrats um dessen mächtigen Vorsitzenden Clemens Tönnies bewusst war, zu dem er immerhin ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, ist Spekulation. Dass er nun zurücktritt, um die Ruhe im Verein zu wahren, dagegen ein allzu durchschaubares Manöver. Eine Vertragsverlängerung oder nur ein öffentliches Bekenntnis beider Seiten hätten es da auch getan. Die Überlegungen reiften offenbar länger und die zuletzt haarsträubenden Auftritte der von ihm zusammengestellten Mannschaften taten ihr Übriges, um die Mission nun als gescheitert zu akzeptieren.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auf sein Geheiß auch große Investitionen in die Infrastruktur und Nachwuchsarbeit getätigt wurden. Sollten diese irgendwann Früchte tragen, hat auch Heidel seine Aktien darin.

Der Auftritt in Mainz war nun der Auftakt einer womöglich kurzen Abschiedstour. Schalke wird so schnell wie möglich einen Nachfolger installieren. Dabei noch auf Zeit zu spielen, um den Anschein zu wahren, dass nicht längst mit diesem gesprochen wurde, kann sich Schalke nicht leisten.

Mit Heidel geht ein Garant für Ruhe und Kontinuität. Trainer Domenico Tedesco, an dessen Schicksal Heidel am Ende auch sein eigenes geknüpft hatte, steht nun einigermaßen schutzlos im Wind. Es war Heidels erste Amsthandlung, André Breitenreiter mitzuteilen, dass er nicht mehr mit ihm als Schalke-Trainer plant. Nicht ganz auszuschließen, dass sein Nachfolger Ähnliches mit Tedesco im Sinn hat.

Der neue Manager - wer auch immer es sein wird - ist jedenfalls zum Erfolg verpflichtet, wenn die Gelsenkirchener nicht an unselige vergangene Tage anknüpfen wollen. Es braucht einen starken Puffer, auch um den oft nassforschen Tönnies zu beruhigen und das große Ganze im Blick zu halten. Schalke ein Gesicht zu geben, vor allem auch der Mannschaft, der es eklatant an Führungspersönlichkeiten mangelt, wird die königsblaue Überschrift der nächsten Monate. Es war weiß Gott nicht alles schlecht unter Christian Heidel auf Schalke, aber am Ende auch zu wenig gut.

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