Borussias Tobias Strobl im Interview „Ich bin nicht der Typ, der im Mittelpunkt stehen möchte“

Mönchengladbach · Im Interview spricht Borussias Tobias Strobl über seinen Ruf als neuer Chef, seine bescheidene Art und das Spiel gegen den FC Augsburg am Samstag. Zudem erklärt der 28-Jährige, warum es keinen Sinn macht, jetzt schon an die Champions League zu denken.

Herr Strobl, Sie gelten als neuer Chef bei Borussia.

Strobl Das sehe ich nicht so, da gibt es bei uns ganz andere Spieler. Wir haben eine Hierarchie und in der bin ich sicherlich nicht ganz oben.

Wer steht denn an der Spitze?

Strobl Das fängt natürlich bei unserem Kapitän Lars Stindl an, dessen Wort viel Gewicht hat. Und dann kommt auf jeden Fall Yann Sommer. Die beiden sind unsere Leitwölfe, aber bei uns übernehmen sehr viele Spieler Verantwortung.

Auf dem Platz wirken Sie jedoch, als gehören Sie auch dazu.

Strobl Das liegt einfach an meiner Position im defensiven Mittelfeld. Dort sind die Wege zu den Verteidigern, Mittelfeldspielern und Stürmern kurz. Man sieht alles auf dem Platz und hat dadurch auch die Pflicht, Kommandos zu geben und seine Mitspieler zu steuern. Das will ich auch so verkörpern. Dadurch rutscht man automatisch in eine verantwortungsvolle Rolle. Grundsätzlich ist es so, dass wir eine Mannschaft sind, in der jeder funktionieren muss. Wir wären auf dem Platz also alle Chefs.

Welche Rolle beanspruchen Sie für sich?

Strobl Ich bin mit 28 Jahren einer der älteren Spieler und versuche, ein bisschen Struktur hereinzukriegen, das versuchen aber alle Erfahrenen. Und auf meiner Position ist es für mich einfach logisch, dass ich Kommandos gebe.

Sie sind Teil des Mannschaftsrats.

Strobl Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass meine Mitspieler mich gewählt haben. Ich hoffe, dass ich ihnen dieses Vertrauen zurückgeben kann. Ich bin immer für die Mannschaft da und alle können sich auf mich verlassen.

Verlassen kann man sich auch auf Sie als alleinigen Sechser. Eine Position, die es erst seit dieser Saison gibt.

Strobl Als einziger Sechser muss man jederzeit schauen, dass der Rückraum bei unserem Ballbesitz gut abgesichert ist, damit wir nicht in Konter laufen. Das kommt mir zugute. Aber ich habe auch schon vor der Systemumstellung gute Leistungen gezeigt, daher möchte ich das nicht darauf runterbrechen. Aber ich fühle mich auf der Position sehr wohl.

Tobias Strobl: Der Polyvalente bei Borussia Mönchengladbach
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Foto: Dirk Päffgen

Wie beeinflusst das Ihr Selbstvertrauen?

Strobl Natürlich tritt man selbstbewusster auf, wenn man regelmäßig spielt und mit seinen Leistungen auch einigermaßen zufrieden ist. Es sind Automatismen drin, die sich verfeinern, und das führt zur Selbstsicherheit. Bei uns Fußballern ist der Kopf entscheidend, denke ich, und wenn man die Rückendeckung hat, kann man seine Leistung bringen.

Obwohl Sie das machen, gelten Sie als eine Art „Anti-Star“.

Strobl Wir alle sollten genießen, was wir haben, das ist ein Privileg. Wir sind auf jeden Fall auf der Sonnenseite des Lebens. Deswegen gibt es für mich keinen Grund, abgehoben zu sein oder irgendwelche Allüren zu haben. Ich bin jemand, der nicht gerne in der Öffentlichkeit steht. Das zeigt auch meine Spielweise, ich agiere etwas unauffälliger, und so will ich es auch im Privatleben.

Warum wollen Sie nicht in der Öffentlichkeit stehen?

Strobl Ich bin nicht der Typ, der im Mittelpunkt sein möchte. Ich bin lieber der Arbeiter und halte unseren Jungs den Rücken frei.

Werden Sie auf der Straße erkannt?

Strobl Da ich nicht derjenige bin, der Tore schießt und die ganze Zeit in den Medien erscheint, kann ich mich relativ frei bewegen und machen, was ich möchte. Ich werde nicht besonders häufig erkannt, auch wenn sich das, seitdem ich bei Borussia bin, etwas geändert hat. Aber das ist auch ganz schön.

Wäre es Stress für Sie, im Rampenlicht zu stehen?

Strobl Ich hätte nur ein Problem damit, wenn man mich zum Beispiel heimlich fotografiert. Wenn man auf mich zukommt, bin ich immer für einen Plausch oder ein Foto bereit.

Sie gelten nicht nur als Arbeiter, sondern werden „Mister Zuverlässig“ genannt.

Strobl Das kommt ja noch aus der Zeit unter André Schubert. Meine Einstellung ist nunmal so, dass ich zeigen will, dass man sich zu jederzeit zu 100 Prozent auf mich verlassen kann. Das versuche ich auch auf dem Platz auszustrahlen und scheinbar kommt das ganz gut an. Das genieße ich, denn wir haben eine große Konkurrenz im Kader, und da ist es nicht selbstverständlich, so viele Spiele zu machen.

Woher kommt diese Einstellung? Wenn man mit dem Fußball beginnt, will man ja eigentlich derjenige sein, der die Tore schießt.

Strobl (lacht) Dass das mit dem Toreschießen nichts mehr wird, damit habe ich mich abgefunden. Mein Grundgedanke ist einfach, dass ich zurückhaltend bin und mannschaftsdienlich spiele. Natürlich bin ich auch angefressen, wenn ich auf der Bank sitze oder meine Leistung nicht passt. Aber für mich steht das Team im Vordergrund, wenn das nicht funktioniert, kann man keinen Erfolg haben. So bin ich auch von klein auf erzogen worden, und das zieht sich bis ins Jahr 2019 wie ein roter Faden durch mein Leben.

Obwohl Sie ein guter Golfer sind, wäre ein Einzelsport dann wohl nichts für sie.

Strobl Für mich zählt der Teamgedanke, ich bin der geborene Mannschaftssportler. Wenn man sich auf über 20 andere Personen verlassen kann und jeder alles gibt, ist das eine ganz tolle Sache, und so etwas bestätigt einem auch selbst, dass man Teamplayer ist. Dieser Gedanke steht für mich an oberster Stelle.

Wie schwierig ist das, wenn viele unterschiedliche Charaktere zu einem Team zusammenfinden?

Strobl Das ist schon schwierig, das soll es auch sein. Es soll meiner Meinung nach auch Reibungspunkte geben. Es können nur elf Spieler von Beginn an spielen, mit Einwechslungen 14, natürlich gibt es da enttäuschte Leute. Die soll es auch geben, gerade weil wir so einen guten Kader haben. Wenn es bei einem anders ist, ist derjenige fehl am Platz. Du sollst dich dann aufregen und angefressen sein, dabei aber das Team unterstützen. Das ist das Wichtigste. Wenn man nicht angefressen ist, ist man ja zufrieden und das bedeutet Stillstand. Deswegen soll jeder Woche für Woche an sein Maximum gehen, damit man sich weiterentwickelt, und das hilft uns allen.

Eine große Hilfe ist in dieser Saison, dass es so wenige Verletzte gibt.

Strobl Ich bin der Meinung, dass dieser Konkurrenzkampf das entscheidende Teil in dem Puzzle ist. Wir haben nun genügend fitte Spieler und du musst sehen, dass du dich jeden Tag voll reinhängst, um am Wochenende dabei zu sein. Das spornt uns alle an und gibt einen positiven Schub. Das hatten wir letztes Jahr wegen der ganzen Verletzten nicht.

Sie sind ein Garant für die bislang erfolgreiche Saison. Endet die in der Qualifikation für die Champions League?

Strobl Wir richten unseren Fokus nur auf das kommende Spiel gegen Augsburg. Und danach konzentrieren wir uns auf die Partie auf Schalke.

Ja, Sie und die ganze Mannschaft schauen nur von Spiel zu Spiel. Aber das Thema Champions League kann man doch nicht ausblenden.

Strobl Warum sollte das nicht gehen?

Weil diese Chance und die Tabelle immer präsent sind.

Strobl Aber was bringt es, wenn wir jetzt sagen, wir wollen im Mai Dritter oder Vierter sein? Der Grundstein dafür ist, jedes Wochenende Leistung zu bringen. Daher ist es für mich verschwendete Zeit, wenn ich sage, was ich im Mai will. Wenn wir jede Woche in ein Spiel gehen und sagen, dass wir das erfolgreich gestalten wollen, kommt der Erfolg am Ende automatisch. Deswegen fahren wir damit gut, wenn wir sagen, wir denken von Spiel zu Spiel, alles andere macht keinen Sinn.

Gucken Sie also gar nicht auf die Tabelle?

Strobl Natürlich guckt man darauf und es ist auch schön, nach 18 Spielen auf dem dritten Platz zu stehen, das hätte vorher niemand gedacht. Aber meiner Meinung nach bringt es nichts, jetzt von der Champions League zu sprechen, es sind ja noch 16 Spiele. Natürlich kann man träumen, aber für mich ist nur wichtig, jeden Tag ans Maximum zu gehen und am Wochenende so Erfolg zu haben.

Der nächste Gegner ist der FC Augsburg.

Strobl Das wird ein sehr, sehr schwieriges Spiel. Im Hinspiel beim 1:1 haben wir uns schon schwer getan. Augsburg hat zwar einen negativen Lauf, die vergangenen neun Spiele nicht gewonnen und ist so unten rein gerutscht. Trotzdem ist das ein sehr unangenehmer Gegner, sie kommen über die Physis, können aber auch kicken und haben richtig gute Spieler wie Alfred Finnbogason, Philipp Max oder André Hahn. Wir müssen gucken, dass wir wieder mehr Ballbesitz als gegen Leverkusen haben und unser Spiel aufziehen. Wir dürfen uns nicht wieder so vom Gegner leiten lassen und müssen mit breiter Brust auftreten.

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Foto: AFP/CHRISTOF STACHE

Wird die Partie vergleichbar sein mit den vergangenen Heimspielen gegen Hannover (4:1), Stuttgart (3:0) und Nürnberg (2:0)?

Strobl Überhaupt nicht. Augsburg ist ein Gegner, der mannorientiert gegen uns spielt. Da kommt es viel auf die Eins-gegen-Eins-Duelle an. Bei den letzten drei Spielen mussten wir uns die tiefstehenden Gegner erst zurechtlegen, daher wird es ein komplett anderes Spiel. Augsburg wird vorne draufmarschieren und uns unter Druck setzen, dagegen müssen wir Lösungen finden.

In Leverkusen beim 1:0-Sieg war die Lösung die Defensive und auch ein bisschen Glück.

Strobl Man muss sagen, dass wir in dieser Saison das Ergebnisglück auch auf unserer Seite haben. Das haben wir uns aber auch erarbeitet. In Leverkusen haben wir im Großen und Ganzen gut verteidigt und nur in einer Phase Probleme bekommen, in der gerade Julian Brandt und Kai Havertz oft in Erscheinung getreten sind.

Ein solcher Rückrundenstart dürfte viel Selbstvertrauen gebracht haben.

Strobl Natürlich. Aber wir wissen auch, dass in diesem Spiel nicht alles super war. Aber der Gegner war auch Leverkusen, das eine überragende Vorbereitung gespielt und eine unglaubliche Offensive hat, wir reden da also nicht über irgendwen. Das war eine große Leistung, dort zu gewinnen. Aber unser Offensivspiel konnten wir nicht durchbringen. Wir müssen uns etwas geschickter verhalten, wenn man uns auf den Füßen steht.

Solche Spiele gewinnt man, wenn man eine Spitzenmannschaft ist. Dennoch spricht man eher von Dortmund und Bayern.

Strobl Es ist doch ganz schön, dass wir ein Underdog sind, uns hat gefühlt niemand auf dem Schirm. Natürlich werden wir irgendwo wahrgenommen, aber im Vergleich zum BVB und München nicht so sehr. Aber das sind Sachen, die wir nicht beeinflussen können. Für uns war es einfach nur wichtig, dass wir gut ins Jahr gestartet sind. Wenn man so erfolgreich ist wie wir in der Hinrunde, ist eine Pause oft nicht so gut. Daher war es perfekt für uns, dass wir 1:0 gewonnen haben. Wir sind also wieder erfolgreich, und deswegen macht es momentan sehr viel Spaß.

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