Prävention An die 10.000 Schritte heranwagen

Remscheid · Um mit dem Sport zu beginnen, ist es nie zu spät. Das Alter spielt dabei keine entscheidende Rolle.

 Der Leistungssportler und Gesundheitschoach Arnd Bader im Redaktionsgespräch.

Der Leistungssportler und Gesundheitschoach Arnd Bader im Redaktionsgespräch.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Herr Bader, ist es schwierig, Menschen in Bewegung zu bringen?

Bader Es kommt darauf an, in welchen Kontexten man sie erwischt. Menschen, die sich ihr ganzes Leben lang nicht wirklich richtig bewegt haben oder für die Bewegung nicht so in den Alltag integriert ist, mit denen hat man es schwer. Die fangen erst an, sich zu bewegen, wenn sie einen Anlass haben. Das kann eine Krise sein oder der Arzt empfiehlt es dringend. Dann besteht eine Chance.

Lohnt es sich für Menschen über 60 Jahre, die sich nie bewegt haben, mit Sport zu beginnen?

Bader Absolut. Wir haben an der deutschen Sporthochschule Köln das Institut für Bewegungs- und Sportgerontologie. Mitbegründer Professor Mechling hat immer gesagt: Wenn Du etwas für deine Gesundheit tun willst, dann spielen zu ungefähr 25 Prozent eine Rolle, was man früher gemacht hat, und 25 Prozent sind sicherlich genetisches Programm. Alles andere kannst du noch beeinflussen, nach 50, nach 60 Jahren und später. Es ist nie zu spät. Wer sich nicht bewegt, der läuft Gefahr, gleich an mehreren Gebrechen zu erkranken. Und das fängt meist mit 65 Jahren an. Wer aber mit 55 oder 60 Jahren anfängt zu trainieren, der senkt der Grad der Multimorbidität signifikant, sogar bis zu 20 Jahren. Das schafft keine Pille.

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für die Unlust an Bewegung?

Bader Das ist in vieler Hinsicht biographisch. Es gibt in der Wissenschaft die Kategorie Bewegungsbiographie. Der Mensch an sich ist ein Lauftier. Wir müssen unsere 10.000 Schritte machen, um gesund zu bleiben. Aber unsere Zivilisation, unsere Art und Weise,. wie wir unser Leben eingerichtet haben, ist evolutionstechnisch gesehen nicht förderlich.

Wir haben den falschen Lebensstil?

Bader Wir haben den falschen Lebensstil. Ich bin aber kein Freund davon, alles an einem BMI (Body-Mass-Index) festzumachen. Es gibt unterschiedliche Typen. Klassisches Übergewicht mit viel Bauchfett, gerade bei Männern im mittleren Lebensalter, erhöht das Risiko, krank zu werden.

Wie sollte das Fitness-Programm für einen Senior/in in der Woche aussehen?

Bader Ich finde, Bewegung muss in den Alltag integriert werden. Jeder sollte sich an diese 10.000 Schritte heranwagen. Das schafft man aber gar nicht so leicht. Wenn man das als Läufer herunterrechnet, ist man bei fünf bis sechs Kilometer pro Tag. Wenn man nicht joggen will, dann muss man sich vornehmen, zu gehen.

Kann man die Schritte nicht sammeln nach der Devise: Ich laufe am Wochenende, denn in der Woche habe ich keine Zeit?

Bader Das ist nicht schlecht, wenn man es am Wochenende tut, aber man sollte versuchen, sich täglich zu bewegen. Wenn ich für die Bewegung keine Zeit mehr habe, dann geht etwas Grundsätzliches in meinem Leben schief. Wenn ich für das, was mein Körper braucht, keine Zeit mehr habe, dann bin ich auf dem falschen Dampfer.

Was ist wichtiger im Alter, Kondition oder Kraft?

Bader Der wichtigste Muskel ist der Herzmuskel. Der muss natürlich trainiert werden. Aber für ein Krafttraining muss keiner in eine Muckibude laufen. Klassiker wie Liegestütze oder Sit-ups sind ausreichend. Das kostet alles gar kein Geld. Es ist also in erster Linie eine Frage, wie überwinde ich den inneren Schweinehund.

Zählt Yoga auch zum Fitnessprogramm?

Bader Yoga gehört für mich zu den besten Bewegungsaktivitäten, die man überhaupt machen kann. Es ist aber empfehlenswert, sich die Haltungen vernünftig zeigen zu lassen und nicht nur auf Youtube ein Filmchen zu gucken. Wenn ich nicht mehr laufen könnte, ich würde nur noch Yoga machen und für die Ausdauer natürlich weiterhin Schwimmen.

Worauf muss einer, der sich lange nicht bewegt hat, nun besonders achten:

Bader Wenn ich lange nichts gemacht habe, sollte ich mit meinem Arzt sprechen. Und für manchen empfiehlt es sich dann, mit einem Trainer Sport zu betreiben. Der organisierte Sport hat viele Möglichkeiten über seine pantoffelnahen Angebote in den Vereinen zu helfen.

Ist die Gruppe hilfreich für die Motivation?

Bader So ganz alleine zu trainieren, dafür muss man schon ein Typ sein. Das sind meist auch die Leute, die ihren inneren Schweinehund überwinden können.

Müssen Sie ihren inneren Schweinehund noch besiegen?

Bader Der kriegt jeden Tag einen auf die Mütze. Der Mensch neigt zur Trägheit. Das geht mir nicht anders.

Manche finden schnell Gefallen am Laufen und sagen mit 55, ich will jetzt Marathon laufen. Ist das übertrieben und gibt es eine Altersgrenze für solche Herausforderungen?

Bader Ich erzähl mal ein Beispiel. Der älteste Teilnehmer beim „Ironman“ in diesem Jahr war 86 Jahre alt. Der Mann, ein Japaner, hat mit 69 Jahren mit dem Triathlon begonnen. Mit 77 hat er sich zum ersten Mal zum Ironman gewagt. Da musste er nach dem Schwimmen aufhören, weil er zu langsam war. Nun hat er in den letzten zwei Jahren den Ironman in einer Zeit unter 17 Stunden gefinisht. Ich will damit sagen: Marathon und Alter ist kein Ausschließungskriterium.

Eine so lange Strecke gefährdet nicht die Gesundheit?

Bader Nein. Wenn ich das moderat tue, so wie das zu mir passt, dann ist das gut. Ich habe ja mehrere Marathonprojekte begleitet, bei denen auch einige ältere Menschen dabei waren. Die meisten Menschen, die bei einem Marathon sterben, sterben nicht, weil sie laufen, sondern vorher irgendwelche Herzprobleme hatten, die man nicht erkannt hat

Ist Muskelkater ein gutes oder schlechtes Zeichen?

Bader Früher hat man gesagt, da hast du etwas getan, heute weiß man, das sind Mikroverletzungen. Es gibt aber auch so etwas wie eine Gleichgewichtsherstellung auf einem höheren Niveau. Das heißt, ich muss mich auch mal an Grenzen wagen, oder mal etwas tun, das auf den ersten Blick nicht gesund aussieht. Aber wenn ich mir danach die Entspannung erlaube und die Regeneration hinbekomme , dann gelingt es mir auch, extreme Belastungen positiv umzuwandeln in mehr Kraft und mehr Ausdauer.

Braucht der Sportler eine besondere Ernährung?

Bader Meine Frau würde lachen, wenn sie mich jetzt hören würde, weil sie kennt meine Neigung zu Schokolade. Mit einer mediterrane Kost fährt man am besten.

Dazu gehört auch Rotwein.

Bader Der gehört auch dazu.

Hilft Sport auch, demenziellen Erkrankungen vorzubeugen?

Bader Zur Demenzprävention gehören nicht nur Sport und mediterrane Ernährung, sondern auch geistige Beschäftigung und soziale Kontakte. Aber je älter wir werden, desto höher steigt das Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Es geht hier vor allem um das Hinauszögern von Abbauprozessen.

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