Knut Stamer von Medical Park im Interview „Borussia war sehr offen für unsere Ideen“

Medical Park ist der neue Reha-Partner im Borussia-Park. Geschäftsführer Knut Stamer spricht über die Zusammenarbeit.

 Knut Stamer ist Geschäftsführer von Medical Park in Mönchengladbach.

Knut Stamer ist Geschäftsführer von Medical Park in Mönchengladbach.

Foto: Borussia Mönchengladbach

Herr Stamer, Lars Stindl ist sozusagen Ihr Pilotprojekt bei Borussia. Wie wichtig ist es für einen neuen Rehapartner, zum Einstieg gleich den Kapitän zu behandeln?

Stamer Das ist sicherlich ein Prestigeprojekt, weil man gleich im Fokus steht. Es ist ein guter Start, wenn es gut läuft – und wir sind natürlich davon überzeugt, dass es funktioniert.

Spitzensportler haben Sie in Bad Wiessee viele behandelt, aber bei einem Fußball-Nationalspieler wie Stindl dürfte es noch mal etwas anderes sein.

Stamer Das stimmt, so eine enge Verknüpfung zum Fußball in Form einer Partnerschaft mit einem Verein hatten wir bislang noch nicht. Aber wir hatten Spieler wie Philipp Lahm, die bei uns betreut wurden und bei denen das Medieninteresse ebenfalls sehr groß war.

Beschreiben Sie mal, wie so eine Behandlung vor Ort am Tegernsee abläuft. Mamadou Doucouré und Ibrahima Traoré waren mit Muskelverletzungen bei Ihnen, Stindl hat einen Syndesmosebandriss.

Stamer Wenn jemand bei uns in der stationären Behandlung ist, wohnt und schläft er auch bei uns oder zumindest in der Nähe. So ein Tag fängt um neun Uhr an, geht bis zur Mittagspause, und danach geht es weiter bis 17 oder 18 Uhr. Das Training ist so aufgebaut, dass morgens ein medizinischer Check ansteht, um zu schauen, wo der Athlet im Vergleich zum Vortag steht und ob es medizinische Probleme gibt. Wir wollen ja etwas erreichen, deshalb ist es wichtig, darauf zu achten, wie der Athlet auf die Therapie und das Training reagiert. Dann gibt es die ersten physiotherapeutischen Einheiten, danach kommt das Trainingsprogramm, das täglich absolviert werden soll. Am Nachmittag geht es ähnlich weiter, und am Ende folgen regenerative Elemente – Schwimmbad, Elektrotherapie, Lymphdrainage. So klingt der Tag aus.

Für den Spieler dürfte dieses Training fast anstrengender sein als der Alltag im Verein.

Stamer Am Anfang ist es sicherlich fordernd, weil wir gerade bei Leistungssportlern versuchen, an der Grenze zu therapieren. Bei normalen Patienten ist der Zeitdruck nicht so da. Eine Woche mehr oder weniger ist nicht so entscheidend, im Leistungssport kommt es dagegen auf jeden Tag an. Daher wollen wir immer ans Optimum gehen, was für den Sportler anstrengend ist. Aber es gibt natürlich auch die nötigen Erholungsphasen oder mal einen freien Sonntag.

Wie groß ist die Gefahr, über die Grenze hinauszugehen?

Stamer Es ist ein Spagat, klar. Das geht nur in Rücksprache mit den behandelnden Ärzten, den Verantwortlichen im Verein. Bei Sportlern, die beispielsweise kurz vor Olympia stehen, geht man etwas mehr Risiko, weil der Athlet dieses Ziel unbedingt erreichen will. Medizinisch vertretbar sollte es dennoch immer sein. Wenn ich weiß, dass ein Athlet wie Lars Stindl aufgrund der Sommerpause mehr Zeit hat, ist das Risiko aber leichter zu kalkulieren.

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Inwiefern gehen Sie diesen Prozess bei Medical Park selbst sportlich an, indem Sie sagen: Wir haben ein konkretes Ziel, und das wollen wir erreichen.

Stamer In der stationären Behandlung gibt es keine großen Unterschiede. Ein Muskelfaserriss ist bei einem Leistungssportler und einem normalen Patienten ein Muskelfaserriss. Der Unterschied ist das Arbeiten an der Mannschaft im Spieltagsrhythmus, mit Länderspielpausen und vielleicht noch mit Englischen Wochen. Dort ist Prävention ein ganz großes Thema, damit es erst gar keine Verletzungen gibt. Besonders mit Dr. Andreas Schlumberger bei Borussia arbeiten wir da eng zusammen, um es bestmöglich hinzubekommen. Das hat schon seinen eigenen Reiz.

Die Verletztenmisere vergangene Saison hat dafür gesorgt, dass viele Ressourcen für die Prävention aufgefressen wurden. Ist es am wichtigsten, dort wieder sorgfältiger arbeiten zu können? Das Team der Physiotherapeuten ist vergrößert worden, und es gibt erstmals einen festangestellten Mannschaftsarzt.

Stamer Es ist eines der Ziele. Hier wurde bereits auf einem guten Niveau gearbeitet, es war ja nicht alles schlecht. Die Strukturen stimmten, wir als Medical Park hatten den Vorteil, von extern zu kommen und quasi als neutrale Person auf die Abläufe zu schauen. Borussia war sehr offen dafür, dann haben wir unsere Vorstellungen mit denen des Vereins abgeglichen und Punkte zusammengestellt, in denen wir uns gemeinsam verbessern wollen. Ein Thema war, dass es Sinn macht, einen weiteren Arzt vor Ort zu haben. Diese Position hat jetzt Ralf Doyscher.

Ist diese Idee nach der ersten Evaluation entstanden?

Stamer Die gab es schon etwas länger. Ein externer Partner, der sich auch dafür einsetzt, kann das natürlich forcieren. Dann ging es um organisatorische Fragen. Zum Beispiel: Wie oft wird ein Sportler gecheckt? Jeden Tag, alle zwei Tage? Wir würden sagen: am besten jeden Tag. Dann wird diese Idee aufgenommen, und es gibt zahlreiche weitere Ideen, die besprochen werden. Die versuchen wir dann gegebenenfalls umzusetzen.

Wie wichtig ist die Kommunikation in Ihrem Bereich?

Stamer Ohne ein enormes Maß an Kommunikation würde es nicht gehen. Trotzdem kann man nicht vermeiden, dass es Verletzungen gibt, manchmal ist es einfach nur Pech. Da können Sie noch so gut in der Prävention sein.

Ist es ein Trend, dass es mehr Verletzungen gibt?

Stamer Im Leistungssport gehört es in gewisser Weise dazu. Nehmen wir den Skisport, da gibt es wahrscheinlich niemanden, der in seiner Karriere keine schwere Verletzung erlitten hat. Die Frage ist, wie man durch bestimmte Maßnahmen die Anfälligkeit verringern oder die Sportler im Jugendbereich schon besser vorbereiten kann. Früher gehörten viel Konditions- und Krafttraining dazu, heute wird viel über Belastungssteuerung diskutiert.

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Foto: Dirk Päffgen

Inwiefern erleichtert es Ihnen die Arbeit, dass ein Mannschaftsarzt neuerdings immer vor Ort ist?

Stamer Die Wege sind einfach viel kürzer. Ein Beispiel: Wenn ein Jugendspieler nach dem Training ein Problem hat, ist ein Arzt nunmehr in kürzester Zeit da. Sonst würde im Normalfall eine Nacht vergehen, solange es kein akutes Trauma ist.

Dass das Team hinter dem Team immer größer wird, ist keine Entwicklung der vergangenen ein, zwei Jahre. Da stellt sich die Frage: Warum kommt jetzt ein festangestellter Mannschaftsarzt und nicht schon vor vier, fünf Jahren?

Stamer Das kann ich nicht beurteilen, wenn es um Borussia geht. Sie kennen sicher die Diskussion um Dr. Müller-Wohlfahrt, der seine Praxis in München in der Stadt hat, und Pep Guardiola beim FC Bayern. Da gibt es sehr unterschiedliche Sichtweisen. Viele Mediziner wollen in der praktischen Arbeit drin bleiben, um nichts zu verlernen. In England und Spanien ist es üblich, dass es große Teams gibt. In Deutschland sind wir lange ohne klargekommen. Die Zeiten wandeln sich. Wir halten es für sinnvoll, weil wir Abläufe optimieren können. Früher sah man es nicht so kritisch, wenn man nicht sofort interveniert. Aber Studien haben gezeigt, dass es mit der Zeit, die vergeht, immer kritischer wird.

Wie sehr muss man sich vor Augen halten, dass es selten die eine Wahrheit gibt?

Stamer Das ist sehr wichtig. Wir haben deshalb empfohlen, dass wir uns in der Winterpause mit Borussia zusammensetzen, um zu reflektieren, was wir im ersten halben Jahr geschafft haben. So ist es eine offene und ehrliche Arbeit, wenn man im Zweifelsfall auch sagt, dass vielleicht nicht alles optimal war, und Teilbereiche dann optimiert. So eine Art der Reflexion entspricht aber den Zielen des Vereins, sportlich am besten in den Bereich der ersten Sechs zu kommen.

Hat es den Betroffenen bei Borussia auch mal wehgetan, wenn Sie in der Evaluierungsphase den sprichwörtlichen Finger in die Wunde gelegt haben?

Stamer Das gehört dazu, aber ich würde das anders ausdrücken. Der Verein mit allen Beteiligten ist sehr offen gewesen für so ein Gespräch. Es gab keine Hemmungen. Und so viele wunde Punkte gab es gar nicht, vieles davon war im Verein ja bekannt. Manchmal braucht es einen externen Stimulus, um zu sagen: So machen wir das jetzt.

Wie sehr deckt sich Ihre Philosophie mit der von Andreas Schlumberger?

Stamer Er hat vor einem Jahr eigentlich begonnen mit diesem Weg, dafür ist er gekommen. Daran sieht man, dass sich der Verein länger damit beschäftigt, wie man Abläufe verbessern kann. Dazu gehört es auch, die Mannschaft wegzubringen von einem kraftorientierten Training. Ohne Überschneidungen unserer Philosophie und der von Dr. Schlumberger wäre es gar nicht möglich, zusammenzuarbeiten.

Wann steht der Umzug in das neue Gebäude an? Im Vergleich zu den jetzigen Möglichkeiten muss das eine andere Welt sein.

Stamer Wir freuen uns riesig darauf. Zum 1. Dezember – das ist derzeit der Stand – werden wir umziehen. Das ist ein Riesenschritt für uns, weil wir dann auch die passende räumliche Struktur und Ausstattung haben werden. Unser Mitarbeiterteam werden wir noch ergänzen, alle von unserem Vorgänger sind übernommen worden. Tendenziell werden wir das noch etwas ergänzen...

... 40 Mitarbeiter sollen es in etwa werden...

Stamer Genau. Mit der Option, sich irgendwann zu vergrößern. Wir vergrößern die Fläche von etwa 900 auf fast 1600 Quadratmeter. Das schafft deutlich mehr Ressourcen.

Bereitet es Ihnen besonderen Spaß, jetzt mal so richtig einkaufen gehen zu können?

Stamer Es ist ein hohes Investment, über insgesamt eine Million Euro, und natürlich macht es Spaß, ein neues Zentrum einzurichten. Aber dabei bedarf es auch einer Philosophie. Wir können nicht einfach einkaufen, was auf dem Markt existiert. Auf einer gesunden wirtschaftlichen Basis wollen wir das beste für die Borussia und die externen Rehapatienten.

Medizinische Geräte sind teuer.

Stamer Es gibt Geräte, die in einem Fitnessstudio stehen, aber nicht die Zulassung haben, die wir als medizinischer Anbieter benötigen. Dadurch erhöhen sich die Preise.

Wie beim Brautstrauß – der ist in der Regel auch teurer als ein normaler Blumenstrauß.

Stamer Sozusagen. (lacht) Wir haben natürlich auch Geräte dabei, die speziell für den Fußballbereich konzipiert sind, des Weiteren Geräte, die nach der Ersteinstellung durch den Therapeuten automatisch die Trainingsposition und die Belastungseingaben einstellen. Für den Patienten bedeutet das ein großes Maß an Komfort.

Wird es so bleiben, dass der normale Patient in der Reha neben dem Fußballprofi trainiert?

Stamer Ja, wir wollen dem Verein dieselben Inhalte bieten wie den Leuten von extern. Wirtschaftlich würde das sonst keinen Sinn machen. Ohnehin sind die Profis nicht bei jedem Training oben, sondern es gibt viele Einheiten, die in den Räumen des Lizenzbereichs stattfinden. Im Nachwuchsbereich wird es immer eine Schnittstelle geben.

In Leverkusener BayArena zum Beispiel ist der Zugang ein sehr elitärer für die Sportler.

Stamer Wir halten unseren Weg in zwei Richtungen für einen sehr positiven. Zum einen ist der Patient, der von extern kommt, oft Borussia-Fan und freut sich natürlich, wenn er mal einen Spieler sieht. Borussia ist ein familienfreundlicher Verein, das gehört hier einfach dazu. Wir wollen das mit ihm leben. Zum anderen hilft es dem Spieler oft, aus seinem Problemfeld mal andere Patienten zu sehen und über den eigenen Zustand zu reflektieren. Das kann ihm eine positivere Einstellung seiner Verletzung gegenüber geben. Gerade junge Spieler haben eine Verletzung meistens zum ersten Mal. Die machen sich Gedanken, wann sie zurückkommen, ob sie ihren Stammplatz verlieren. Wenn die sich vom Fokus auf den Fußball mal etwas distanzieren und oben im Rehazentrum frei trainieren können, hilft das mitunter.

Wie wichtig ist die Ernährung heutzutage?

Stamer Es macht sehr viel Sinn, sich im Leistungssport damit zu beschäftigen. In manchen Sportarten nimmt die Ernährung noch mehr Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Bei Hochspringern oder Skispringern kommt es zum Beispiel aufs Gewicht an, da hat sie einen anderen Stellenwert als im Mannschaftssport. Aber auch hier sind die letzten Prozente am Ende entscheidend. Wenn zwei Athleten über 100 Meter die gleiche Zeit laufen, muss man sehen, wo man noch etwas optimieren kann. In diesen Bereich fällt dann die Ernährung.

Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass Leistungssportler immer besser informiert sind, weil sie es sich anders gar nicht mehr erlauben können?

Stamer Junge Sportler werden heute, vor allem in den Leistungszentrum, immer früher mit dem Thema konfrontiert. Alle kennen das Thema, aber es ist menschlich, sich nicht immer strikt daran zu halten. Acht Stunden Schlaf und acht Stunden Trainingstag sind kontrolliert, aber dann gibt es noch acht Stunden, in denen sich die Athleten frei bewegen. Das Verhalten in diesen acht Stunden ist oftmals entscheidend.

Sie haben gesagt, dass Medical Park und Borussia sich nach einem halben Jahr zusammensetzen wollen. Welche Ziele formulieren Sie für diesen Zeitraum?

Stamer Wir als Medical Park wollen dem Anspruch, der an uns gestellt wird, gerecht werden – und ein starker Partner sein. Das Therapiezentrum möchten wir in Mönchengladbach platzieren, so dass alle wissen, dass dort kompetente Leute in einer schönen Umgebung arbeiten. Ich persönlich würde mich freuen, wenn wir sportlich mit der Profimannschaft nach der Hinrunde unter den ersten Fünf liegen.

Salopp könnte man sagen, dass den Fans Ihre Arbeit dann schon wieder nicht mehr so wichtig wäre, weil es letztlich auf den sportlichen Erfolg ankommt.

Stamer Das gehört auf jeden Fall zusammen, dafür sind wir im Leistungssport.

Wenn Lars Stindl bald sein Comeback feiert: Ist dieses Projekt dann von Ihrer Seite als Medical Park beendet mit seinem ersten Einsatz? Oder wird er dann weiter betreut?

Stamer Es hört nie auf, aber er wird vollständig zurückkommen und sein vorheriges Niveau wieder erreichen. Lars Stindl hatte eine ähnliche Verletzung schon einmal und hat das gut überstanden. Trotzdem ändert sich etwas in der Gesamtmechanik des Körpers. Das wird man ständig kontrollieren, um das Optimum zu erhalten.

Kommen wir noch zu einem besonderen Patienten: Mamadou Doucouré ist 20 Jahre alt, war schon dreimal bei Borussia auf dem Mannschaftsfoto, hat verletzungsbedingt aber noch nie gespielt. Wie geht man mit so einem Fall um?

Stamer Über die Historie der Verletzung etwas zu sagen, ist schwierig für uns, weil wir erst seit kurzem dabei sind. Allgemein gesprochen: Es gibt große Talente, die sich mitunter mit 16 Jahren schon schwer verletzen. Natürlich ist es schwierig für sie, fit zu werden, wenn alle darauf warten und sie selbst natürlich endlich wieder spielen wollen. So einen jungen Sportler fängt man auf, indem man den Fokus gar nicht so sehr auf den Zeitpunkt des Comebacks legt, sondern mit kleinen Schritten arbeitet.

Prognosen dürften vor Doucourés Hintergrund demnach genau das Falsche sein.

Stamer Wenn wir jetzt vom 1. Oktober, 1. Dezember oder 1. Februar sprechen, kommt er in den Stress, das erfüllen zu wollen. Salopp gesagt, wird das dann wie beim Flughafen Berlin. Es hat keinen Sinn, Druck aufzubauen. Ich glaube, Mamadou ist auf einem sehr guten Weg. Zwei Jahre sind eine lange Zeit, aber er arbeitet extrem an sich, und deshalb habe ich die große Hoffnung, dass er zurückkommt.

Interview: Karsten Kellermann und Jannik Sorgatz.

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