Kommentar zum Rundfunkbeitrag-Urteil Eine verpasste Chance

Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht lässt den Rundfunkbeitrag, wie er ist. Das ist eine schlechte Nachricht. Die Richter haben die Gelegenheit vertan, die Legitimation des Beitrags in der Bevölkerung zu vergrößern. Ein Kommentar.

 Der Erste Senat des Bundesverfassungsgericht bei der Urteilsverkündung.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgericht bei der Urteilsverkündung.

Foto: dpa/Uli Deck

Über den Mut heißt es, er sei wie ein Regenschirm. Braucht man ihn dringend, ist er nicht da. Die Richter des Ersten Senats am Bundesverfassungsgericht hätten Mut gebraucht, als sie sich durch die Akten zum Rundfunkbeitrag arbeiteten. Sie hätten dringend Mut gebraucht, um das ungerechte und wacklige Konzept auf gerechtere und sicherere Beine zu stellen. Aber der Mut hat sie beim Rundfunkbeitrag verlassen. Der Regenschirm lag in der warmen Wohnung, während sie sich durch ein Unwetter kämpften. Das ist überaus misslich.

Weil nämlich den Richtern der Mut fehlte, bleibt beim Rundfunkbeitrag (fast) alles beim Alten. Sie haben entschieden, dass das Konzept des Gesetzgebers weitestgehend in Ordnung ist. Es wirkt, als hätten die Richter des Ersten Senats ein Konzept unangetastet gelassen, bei dem sie zwar hier und da ein paar Bauchschmerzen hatten, aber keinerlei Lust verspürten, etwas dagegen zu unternehmen. Sie zeigen lieber in Richtung des Gesetzgebers. Der irrt schon nicht.

Nun kann es keine ernstlichen Zweifel daran geben, dass Deutschland und seine Bürger vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk massiv profitieren. Die Journalisten von ARD, ZDF und dem Deutschlandfunk schauen hin, ordnen ein, und berichten – entgegen anderslautender Unkenrufe – überaus kritisch. Sie gewährleisten Informationen dort, wo die Desinformation sich zum Erlöser aufzuschwingen versucht. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht daher zurecht nicht zur Disposition. Es ist löblich, dass das Bundesverfassungsgericht darauf seit Jahrzehnten immer wieder hinweist. Zuletzt im jüngsten Rundfunk-Urteil am Mittwoch.

Mehr Legitimation tut Not

Das reicht aber nicht, um den Öffentlich-Rechtlichen zu mehr Legitimation in der Bevölkerung zu verhelfen. Schöne, warme Worte des Gerichts erreichen nicht diejenigen, die es vom Konzept „Rundfunk für alle“ zu überzeugen gilt. Die erreicht man wohl am besten durch die Einzugsermächtigung.

Für einen Haushalt müssen die Bürger pro Monat 17,50 Euro an den Beitragsservice überweisen. Das ist für viele von ihnen keineswegs ein Kleckerbetrag, sondern viel Geld. Und dabei ist es egal, ob in dem Haushalt eine alleinerziehende Mutter (oder ein alleinerziehender Vater) mit mehreren Kindern lebt, oder ein Ehepaar mit doppeltem Einkommen ohne Kinder. Das ist ungerecht; dieses Modell bevorzugt die besser Situierten.

Das Modell ist ungerecht

Unglücklicherweise bestätigt sich dieser Eindruck durch das Urteil vom Mittwoch. Nur an einer Stelle verlangen die Richter eine Änderung: bei den Inhabern von Zweitwohnungen. Sie sollen künftig nur noch für eine Wohnung den Rundfunkbeitrag zahlen müssen. Das ist auch logisch, niemand kann an zwei Orten gleichzeitig „Rote Rosen“ sehen. Aber dadurch, dass mit Inhabern von Zweitwohnungen tendenziell eher Besserverdienende entlastet werden und gerade nicht etwa Alleinerziehende, ist der Akzeptanz des Beitrags nicht förderlich. Davon abgesehen gibt es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sicherlich Sparpotenzial, das über eine prekäre Personalpolitik hinausgeht.

Das Gericht hat mit diesem Urteil die Chance verpasst, ein gerechteres und saubereres Modell für den Rundfunk einzufordern. Es hätte den Beitrag als das behandeln können, was es de facto ist: eine Steuer. Man hätte diese Rundfunksteuer an das Einkommen knüpfen können, und es würde dadurch pro Person fällig. Es hätte Ausnahmen oder Rabatte geben können, für Studenten oder Sozialhilfeempfänger. Es hätte eine klare Rechtsgrundlage und eine faire Lastenverteilung gegeben.

Vielleicht hätte es nur ein solches Zeichen gebraucht, um ein bisschen Frieden in die hitzige Debatte um die als „Zwangsgebühr“ verschrienen 17,50 Euro zu bringen. Daraus ist nun nichts geworden. Leider hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts den Regenschirm vergessen.

(her)
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