Internationale Talente sind angesagt Borussias Eigengewächse spielen immer seltener

Mönchengladbach · Borussia gelingt es deutlich besser, Top-Talente aus anderen Ligen zu integrieren. Aus der eigenen Jugend kommt wenig nach. So sind die Spielanteile der Eigengewächse von 32 Prozent in Spitzenzeiten auf weniger als sechs gesunken.

Florian Mayer bei seinem Bundesligadebüt in Mainz.

Florian Mayer bei seinem Bundesligadebüt in Mainz.

Foto: Dirk Päffgen

Florian Mayer hat sein Debüt noch einmal bei Instagram bildlich gewürdigt. „Jetzt heißt es Kraft tanken für die kommende Saison“, schrieb er darunter. 18 Minuten gegen den FSV Mainz 05 werden Mayers Kraftreserven nicht überstrapaziert haben, eher 20 Einsätze in der Regionalliga West und die regelmäßigen Einheiten mit den Profis. Den Moment in Mainz jedoch, als er seine Sache in einem engen Spiel auch noch sehr ordentlich machte, kann dem 20-Jährigen keiner mehr nehmen.

Borussia lässt weiterhin jedes Eigengewächs nach seinem Pflichtspieldebüt ein eingerahmtes Trikot im Kabinengang aufhängen. Nachdem die Reihe seit 2012 - Mo Dahoud, Marvin Schulz, Ba-Muaka Simakala - nur um drei Namen erweitert worden war, kamen dank Marcel Benger und Mayer diesmal zwei neue Trikots dazu. 24 Trikots hängen nun dort.

Benger dürfte es schwer haben, seinen zwei Bundesligaminuten noch weitere bei Borussia hinzufügen. Mit der Prognose dürfte man ihm nicht zu nahe treten. Der Sechser kam kurz vor Weihnachten gegen den Hamburger SV rein, als alle Arrivierten ausfielen, Michael Cuisance mit 18 Jahren also den Chef vor der Abwehr mimen musste und Aushilfssechser Reece Oxford in der Schlussphase des Spiels kaputt war.

Dagegen zählt Mayer zumindest zu den Youngstern, die Manager Max Eberl im Interview mit unserer Redaktion explizit erwähnte. Der Innenverteidiger soll wie Louis Beyer in der neuen Saison noch mehr bei den Profis integriert werden. Der 17-jährige Beyer war in einer schwierigen Saison eine feste Größe in der U19 und saß zweimal bei den Profis auf der Bank.

Die Zeiten haben sich zweifellos geändert im Vergleich zu den Jahren, als ein Tony Jantschke (2008) oder Patrick Herrmann (2010) erstmals in der Bundesliga auftauchten. Im Teenager-Alter eingekaufte oder ausgeliehene Spieler absolvierten bei Borussia in der vergangenen Saison 4628 Bundesligaminuten, Eigengewächse - also Profis, die schon in der Jugend für den Klub spielten, wie Jantschke und Herrmann - nur 1856.

Die Kaderarbeit beruht nicht erst auf drei Säulen, seit vor drei Jahren Nico Elvedi, Djibril Sow und Mandela Egbo (für die U23) aus dem Ausland verpflichtet wurden. Doch neben gestandenen Profis und Spielern aus dem eigenen Nachwuchs schaut sich Borussia immer intensiver international um - und jene Säule ist die erfolgreichste. Seit 2015 hat Eberl neun Spieler unter 21 Jahren aus ausländischen Ligen für die Profis verpflichtet. Keanan Bennetts von Tottenham Hotspur ist nun der zehnte: 19 Jahre alt, ohne Erstliga-Erfahrung und wohl knapp 2,5 Millionen Euro teuer.

Andreas Christensen und Reece Oxford wurden ausgeliehen aus der Premier League und kehrten nach zwei Jahren bzw. einem zurück, Mamadou Doucouré kam ablösefrei, Michael Cuisance für eine Ausbildungsentschädigung in Höhe von 250.000 Euro, Julio Villalba für 1,25 Millionen Euro, Djibril Sow für 1,5 Millionen, Laszlo Bénes für zwei Millionen, Nico Elvedi für vier Millionen und Denis Zakaria für zwölf Millionen. Sow ist wieder weg, mit den Young Boys Bern Meister geworden und steht im vorläufigen Schweizer WM-Kader. Für die restlichen Youngster könnte Borussia an die 100 Millionen Euro erlösen, obwohl Villalba und Doucouré verletzungsbedingt noch gar nicht richtig zum Zug gekommen sind.

Die Internationalisierung der Nachwuchsarbeit wirft jedoch die Huhn-Ei-Frage auf, was zuerst da war: schwindende Spielanteile selbst ausgebildeter Profis oder eingekaufte Talente aus anderen Ligen? 2010/11 entfielen 13,7 Prozent aller möglichen Bundesligaminuten auf Eigengewächse. Unter Lucien Favre ging es bis 2013/14 hoch auf 31,7 Prozent und seitdem stetig runter auf nur 5,5 Prozent in der Saison 2017/18. Stammspieler aus dem "Fohlenstall" hatte Borussia zuletzt keine mehr, zwischenzeitlich waren es in Marc-André ter Stegen, Tony Jantschke, Patrick Herrmann und Julian Korb gleich vier gewesen.

"Der Markt ist verrückt, weil ein Spieler eine Kettenreaktion auslösen kann. Das heißt, ich müsste diesen Spieler schon entdecken, bevor er auf sich aufmerksam gemacht hat und die englischen Klubs eingestiegen sind", sagte Eberl vor mehr als einem Jahr. Wie dynamisch die Entwicklung ist, erkennt man daran, dass mittlerweile englische Spieler selbst interessant geworden sind. Die Zyklen werden kürzer, Prognosen noch schwieriger. Da ist, wie in Mayers Fall, wirklich Krafttanken angesagt.

(jaso)
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