Kanzlerin in Indonesien Merkels Auszeit im islamischen Boom-Land

Jakarta · Zum ersten Mal reiste Kanzlerin Angela Merkel nach Indonesien. Der größte muslimische Staat der Welt dient dem Westen als Modell für ein Miteinander von Islam und Demokratie und ist sogar Vorbild in der Finanzpolitik. Indonesien will dagegen am liebsten deutsche Panzer kaufen.

Merkel und Yudhoyono verstehen sich gut.

Merkel und Yudhoyono verstehen sich gut.

Foto: afp, ROMEO GACAD

Auch 11000 Kilometer und 13 Flugstunden fernab von Berlin, im Zentrum der indonesischen Hauptstadt Jakarta, verfolgt die Euro-Krise die Kanzlerin. Allerdings in charmanter Ausprägung. Angela Merkel ist gerade in der Lobby des Hotels Shangri-La eingetroffen, da rennt ihr IWF-Chefin Christine Lagarde in die Arme. Küsschen links, ein kurzer Plausch, die beiden verabreden sich für ein weiteres Gespräch am Abend.

Lagarde ist Gast einer Wirtschaftskonferenz in Jakarta und soll dort auch über die Probleme der Euro-Schuldenländer referieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dagegen noch im Anflug auf Indonesien mit Finanzminister Wolfgang Schäuble die Ergebnisse des Gipfels der Euro-Finanzminister beraten. Die Staatsschuldenkrise kennt eben keine Grenzen.

Doch nun soll Indonesien im Vordergrund stehen. Es ist die erste Reise der Kanzlerin in das viertgrößte Land der Erde, nordwestlich von Australien. Und die neugierige und reisefreudige Regierungschefin hatte schon im Flieger bekundet, wie sehr sie sich auf das Land freue. 1995 war Merkel als Umweltministerin schon einmal in Jakarta. An den dröhnenden Verkehrsstau in der 24-Millionen-Metropole kann sie sich noch gut erinnern.

Daran hat sich bis heute auch wenig geändert. Angela Merkels Kolonne aus Limousinen und dunklen Jeeps kämpft sich nach der Ankunft am Dienstagmorgen trotz Polizeieskorte mühsam durch die von Kleinlastern und Mopeds verstopften Straßen. Ringsherum funkeln allerdings neue Stahl- und Glasbauten, Dutzende Kräne hieven im Regierungsviertel Betonplatten in die Höhe. 17 Jahre nach ihrem ersten Besuch reist Merkel in ein anderes Indonesien. Ein Boomland, das derzeit mit einer Rate von sechs Prozent zusammen mit China und Indien zu den Ländern mit dem stärksten Wirtschaftswachstum weltweit gehört. Ein asiatischer Tigerstaat.

Vorbildliche religiöse Toleranz

Die Präsidialrepublik Indonesien ist im Westen aber nicht nur als Handelspartner beliebt, sondern wird auch als islamischer Musterstaat umworben. Trotz einiger Schikanen für die christliche Minderheit und Radikalisierungstendenzen bei den Muslimen gilt das in der Landesverfassung verankerte Prinzip der "religiösen Toleranz". Jeder Indonesier darf seine Religion ausüben, allerdings muss er sich zu einer Galubensrichtung bekennen. Vertreter der evangelischen Immanuelkirchengemeinde im Stadtzentrum bestätigen in einem Gespräch mit der Kanzlerin, dass sie ihre Religion weitgehend frei ausüben dürfen. Indonesien sei ein "Modell für eine friedliche und tolerante Entwicklung mit unterschiedlichen Ethnien", findet auch Merkel.

Die Frage, warum die Kanzlerin einen 26-Stunden-Flug (Hin und zurück) für einen 30-stündigen Aufenthalt in Kauf nimmt, lässt sich so beantworten. Die deutsche Regierungschefin will sich in der wirtschaftlich wichtiger werdenden Region Südostasien einen strategischen Bündnispartner sichern, ohne mit Diktaturen und Hasardeuren Geschäfte machen zu müssen.

Dass Europa in 20 Jahren zu klein, zu alt, zu wirtschaftlich starr sein könnte, um im Konzert der Weltmächte mitzuspielen, artikuliert die Kanzlerin seit Langem. Indonesien verfügt dagegen über junge Arbeitskräfte, Aufbruchsatmosphäre und Rohstoffe. Ein aufwachender Riese, der in der Gruppe der G-20 bereits zu den Schwergewichten zählt. Präsident Susilo Yudhoyono hat in seiner achtjährigen Amtszeit zudem das getan, was in der Euro-Zone gerade schmerzlich vermisst wird. Haushaltskonsolidierung. Das Staatsdefizit sank unter seiner Ägide von 80 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung auf heute knapp 25 Prozent.

Kanzlerin besucht Moschee ohne Schuhe

Kanzlerin Angela Merkel nutzte den ersten Tag ihrer Reise, um sich das Miteinander der Religionen im Alltag anzuschauen. Nach dem Besuch bei der evangelischen Kirchengemeinde ließ sich die Kanzlerin - ordnungsgemäß ohne Schuhe - durch die gewaltige Istiqlal-Moschee im Stadtzentrum führen. Ein Monumentalbau aus Beton, Kupfer und Stahl. 200.000 Gläubige fasst die mit Hilfe deutscher Ingenieure erbaute Moschee, es ist die größte Südostasiens. Die kleine gothische Kathedrale der katholischen Kirche nebenan wirkt dagegen mickrig.

Doch das Miteinander funktioniert. Den Parkplatz teilen sich die beiden Gotteshäuser sogar. Der Islam sei "in friedlicher Mission" nach Indonesien gekommen, berichtet Haji Mubarok, der Leiter der Moschee. Da lässt es sich Merkel auch nicht nehmen, mit dem Holzklöppel auf eine Pauke aus dem 13. Jahrhundert zu schlagen, mit der damals die Landbevölkerung zum Gebet in die Moschee gerufen wurde.

Beim Treffen mit Indonesiens Präsident, der Merkel mit militärischen Ehren im Garten des Präsidentenpalastes empfängt, kommt dann doch wieder die Euro-Krise auf. Örtliche Journalisten fragen den prominenten Gast aus Deutschland nach dem Rezept für die Lösung der Krise. Merkel zeigt sich zuversichtlich und betont, dass die Krise 2008/09 schlimmer gewesen sei. "Wir schaffen das in Europa", sagt Merkel. Der Gastgeber nickt dazu eifrig. Später muss die Kanzlerin ausgerechnet bei einem Besuch des Verfassungsgerichts in Indonesien die deutsche Debatte über Souveränitäten und Kompetenzen erläutern.

Stichwort Rüstungsindustrie

Mit Indonesiens Staatschef Yudhoyono, der einst in Deutschland studierte und nebenbei musiziert und dichtet, versteht sich die Kanzlerin ausgezeichnet. Oft sitzen die beiden wegen der alphabetischen Nähe der Ländernamen Germany und Indonesia bei Gipfeltreffen nebeneinander. Als besonnener, weltgewandter Mann wird er im Kanzleramt beschrieben. Und für den Präsidenten ist Deutschland der "präferierte Partner" in Europa. Dies lässt er in der "Erklärung von Jakarta" niederlegen, die eine Reihe von Investitionsprojekten auflistet, die den deutsch-indonesischen Handel ankurbeln sollen. Merkel und ihrer mitreisenden Wirtschaftsdelegation kann das nur recht sein. Bis 2015 soll das Handelsvolumen von fünf auf neun Milliarden Euro steigen.

An diesem Mittwoch will der Leipziger Kranbauer Kranunion einen ersten Millionenauftrag unterzeichnen. Gute Verkaufsgespräche dürfte auch der Chef der Meyer Werft führen. Die Bremer Schiffsschmiede will den Indonesiern Fähren verkaufen. In einem Land mit mehr als 17.000 bewohnten Inseln keine ganz schlechte Idee. Nur beim Stichwort Rüstungsindustrie stockt Merkels Redefluss in der Pressekonferenz. Deutsche und indonesische Medien hatten im Vorfeld der Reise berichtet, dass Indonesien 100 ausrangierte deutsche Leopard-Panzer kaufen will. Nun wiegelt Merkel ab, man habe über konkrete Rüstungsgeschäfte nicht gesprochen.

Merkels Amtskollege ist da freimütiger. Seine Armee sei veraltet und müsse dringend erneuert werden, sagt Indonesiens Präsident. Und militärische Geräte, die Indonesien nicht selbst herstellen könne, müsse man sich eben bei "befreundeten Staaten" besorgen. Merkel schaut etwas grimmig. Immerhin, so schiebt Yudhoyono hinterher, wolle man ja keine Waffen "gegen die eigene Bevölkerung einsetzen".

(brö)
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