Gespräche zwischen CDU und CSU am Sonntag Die Union fürchtet den Geist von Kreuth

Berlin · Vor dem Treffen von CDU und CSU am Sonntag herrscht Verunsicherung. Schon einmal krachte es bei den Schwesterparteien gewaltig.

 CSU-Chef Horst Seehofer und Innenminister Joachim Herrmann beim CSU-Parteitag im Mai.

CSU-Chef Horst Seehofer und Innenminister Joachim Herrmann beim CSU-Parteitag im Mai.

Foto: dpa

Kreuth 1976 ist für die Union eine Metapher. Für Ungemach und Zerwürfnis. Damals hatte das CSU-Schwergewicht Franz Josef Strauß in Wildbad Kreuth aus Wut über die CDU die Trennung von der Schwesterpartei angekündigt — was nicht lange währte.

Aber es krachte gewaltig in der Union, und seither ist vom Geist von Kreuth die Rede, wenn es Ärger mit der CDU gibt. Und nun hat CSU-Chef Horst Seehofer nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" die bevorstehenden Gespräche mit den Christdemokraten als die schwierigsten seit Kreuth 1976 bezeichnet. Das sorgt für Unruhe in beiden Parteien.

Eigentlich müsste die Union als stärkste Kraft bei der Bundestagswahl trotz ihrer großen Verluste im Vergleich zu 2013 (minus 8,6 Prozentpunkte) der Stabilitätsanker in den angestrebten Verhandlungen mit FDP und Grünen sein. Seit zwölf Jahren stellt sie mit Angela Merkel die Bundeskanzlerin und ist den beiden kleinen möglichen Partnern an Regierungserfahrung weit überlegen. Doch bevor es zu Sondierungsgesprächen kommt, in denen wiederum überhaupt erst die Chancen für Koalitionsverhandlungen ausgelotet werden, treffen sich CDU und CSU am Sonntag erst einmal unter sich — zur Sondierung.

Herrmann: "Die Fraktionsgemeinschaft ist nicht in Gefahr"

Aus dem CDU-Präsidium verlautet, dass ein Bruch der Fraktionsgemeinschaft im Bundestag vor allem der CSU schaden würde. Die CDU würde bei Wahlen in Bayern antreten und der CSU all jene Wähler abspenstig machen, die die Christsozialen nur noch wegen Merkel wählten, und auf der anderen Seite hätte die CSU bundesweit derzeit Probleme die AfD zu überholen, heißt es weiter.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) versucht die Aufregung herunterzudimmen: "Die Fraktionsgemeinschaft ist nicht in Gefahr", sagte er unserer Redaktion. "Es ist klar, dass CDU und CSU gemeinsam eine starke Politik für ganz Deutschland gestalten wollen." Aber, so Herrmann weiter: "Angesichts des Wahlergebnisses ist es dringend notwendig, dass CDU und CSU sich zunächst intern über die Schwerpunkte in der neuen Legislaturperiode klar werden, bevor mit anderen Parteien gesprochen wird."

Dabei geht es vor allem um den einen Schwerpunkt: die Obergrenze für Flüchtlinge, die Merkel ablehnt, weil sie diese nicht mit dem Grundgesetz für vereinbar hält. Herrmann stellt sich diesen Weg vor: Nur ein Prozent der Asylbewerber sei asylberechtigt im Sinne des Grundgesetzes. "Das spielt also zahlenmäßig überhaupt keine Rolle." Wir brauchen deshalb auch keine Verfassungsänderung für die Obergrenze, wie manche glauben", sagt Herrmann.

"Das Asylgrundrecht hat die CSU nie infrage gestellt"

Alle anderen, die aus einem sicheren Nachbarland wie Österreich oder Frankreich nach Deutschland kämen, könnten sich nicht auf den Artikel 16a des Grundgesetzes berufen und müssten dort Asyl beantragen, wo sie in die Europäische Union eingereist seien. "Wir sagen jetzt: Anstatt alle, die nicht politisch verfolgt werden, an der Grenze zurückzuweisen — was rechtlich möglich wäre — legen wir eine Größenordnung fest, wie viele Flüchtlinge wir der Erfahrung nach integrieren und verkraften können."

Aktuell gingen die Flüchtlingszahlen stetig zurück. "Bis zum Jahresende erwarten wir deutlich unter 200.000. Wir brauchen ein verlässliches Konzept, wie wir die Zahl der Flüchtlinge, die zu uns kommen, dauerhaft niedrig halten können." Herrmann betont: "Was das Asylgrundrecht betrifft — das hat die CSU nie infrage gestellt." Neben der Flüchtlingspolitik wolle sich die CSU um soziale Gerechtigkeit kümmern: Rente, Altenpflege, bezahlbare Wohnungen.

Merkel mag Herrmann. In ihren Augen agiert er besonnen, berechenbar. Das kann sie von Seehofer nicht sagen. Vielleicht verfolgt sie mit Genugtuung, dass er nach dem schlechten Abschneiden der CSU in Bayern bei der Bundestagswahl unter Druck geraten ist und sogar schon sein Rücktritt als Parteichef gefordert wurde.

Herrmann gibt sich zuversichtlich

Eine ganz andere Frage ist: Können CSU und Grüne überhaupt zusammengehen? Herrmann sagt, Seehofer verstehe sich gut mit Baden-Württembergs grünem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. "Aber Art und Inhalte" des Grünen-Bundestagsfraktionschefs Anton Hofreiter aus Bayern "sind weit von der CSU entfernt. Deshalb ist es nicht überraschend, dass viele in der CSU skeptisch sind, wie das zusammengehen soll."

Dass bereits jetzt vereinzelt von Neuwahlen gesprochen wird, empfindet Herrmann als "Zumutung und Unverschämtheit gegenüber den Wählern". Er gibt sich zuversichtlich, was die Gespräche am Sonntag betrifft.

Und vielleicht geht der Geist von Kreuth ja auch gar nicht um. Seit 2017 tagt die CSU in Kloster Seeon. Das Wildbad Kreuth wird renoviert. Ob die CSU dahin je zurückkehren wird, ist offen.

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